Samstag, 7. April 2018

:)Rezension:): Hier musst du glücklich sein

Grundwissen:




Titel: Hier musst du glücklich sein (original: Seed)
Autor/-in: Lisa Heathfield
Erschienen: Dezember 2016 im Carlsen-Verlag; original 2015
Seitenanzahl: 314 Seiten ohne Danksagung
Preis: 16, 99 € (Hardcover); 11, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Contemporary Drama; Middle Grade; Young Adult




Quelle: © Carlsen Verlag
Quelle: © Running Press Kids
Quelle: © Electric Monkey





Inhalt:




,,Woher wollt ihr wissen, was ihr braucht, wenn ihr noch nie etwas anderes gesehen habt?'' - Ellis (S. 69)





Pearl könnte glücklicher nicht sein. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie in Saat, mitten in der Natur und fernab der verdorbenen Zivilisation, die sie nur betritt, um ihre Ernte zu verkaufen. Doch es kommen neue Leute nach Saat, eine Mutter mit einer Tochter und einem Sohn, die viele Fragen in ihr wachrufen. Vor allem der Junge Ellis bringt Pearl dazu, Vieles infragezustellen, denn er selbst scheint nicht an die Worte ihres Anführers Papa S zu glauben. Und als die Ereignisse sich überschlagen, merkt auch Pearl, dass Einiges nicht mit rechten Dingen zugeht.





Meine Meinung ...




zum Buch:




Bücher über Tabu-Themen haben immer einen gewissen Sog. Denn nicht nur kann man dadurch etwas lernen, auch kann man dadurch Verständnis aufbauen für Personen, die sich in diesen schwierigen Situationen befinden und eben wegen der Tabuisierung nicht darüber reden können. Doch zugleich lesen sich Bücher mit dem Fokus auf ein bestimmtes Thema häufig nach einem Schema F und können einen nicht im Geringsten überraschen. Gehört Hier musst du glücklich sein mit dem Leben in einer Sekte dazu?
Größtenteils leider schon. Doch was wirklich beeindruckend ist und es einem erlaubt, das Buch unheimlich schnell zu lesen, ist der wahnsinnige atmosphärische und passende Schreibstil. Lisa Heathfield erzählt aus Pearls Perspektive, die noch nie einen anderen Ort auf der Welt gesehen hat als Saat und deswegen diesen Ort so innig liebt wie nichts anderes. Deswegen sind insbesondere die Beschreibungen der Natur so poetisch und intensiv in einfache Worte verpackt, dass man ihrem Alltag in dieser Sekte nur gebannt folgen kann. Teilweise wünscht man sich sogar ebenso wie sie, man würde die dunklen Seiten dieser Gruppe nicht sehen, da man sich von den schönen Bildern und diesem Frieden innerhalb der Gruppe regelrecht eingelullt fühlt. Wie entspannend die Natur doch sein kann, wie glücklich man mit ganz kleinen Dingen sein kann, wird wunderbar beschrieben, und das mit sehr einfachen Worten, die natürlich zu Pearls fehlender Bildung passen. Doch schon ganz zu Beginn merkt man, dass Pearl dennoch ein, zwei Dinge merkwürdig an ihrem Zuhause findet und die ihr sogar Angst machen. Alleine ihre schreckliche Angst davor zu sterben, als sie zum ersten Mal ihre Periode bekommt, und um ihre Transformation zur Frau zu vervollständigen einen Tag in ein Erdloch gesperrt wird, ist wirklich eindringlich, vor allem da es unter dem Deckmantel des Glaubens geschieht. So kann die Autorin einen direkt in die Geschichte ziehen und bietet dem Leser eine wahnsinnig glaubwürdige Protagonistin.
Denn sicherlich wird es Stimmen geben, die Pearls Naivität nervig finden werden, jedoch passt es perfekt zu ihrem Charakter. Als friedliebendes und indoktriniertes Mädchen würde sie alles dafür tun, um ihre Familie zu beschützen, und verdrängt deswegen immer wieder aufs Neue ihre Zweifel und Fragen. Alleine, dass sie nicht wissen darf, wer ihre Mutter in der Glaubensgemeinschaft ist, tut einem sehr Leid, sodass man sie am liebsten aus diesem Ort befreien würde. Dennoch braucht sie sehr lange um sich einzugestehen, dass Saat nicht unbedingt gut ist - aber wie soll es auch früher gehen, wenn sie wirklich nichts anderes kennt und nicht einmal zur Schule gehen darf, um zu lernen, was ihr vorenthalten oder womit sie sogar belogen wird? Denn in ihren Gesprächen mit Ellis wird klar, dass sie nicht mal weiß, dass es so etwas wie Raumfahrt oder andere Länder gibt, wo man als aufgeklärter Mensch wirklich schlucken muss. Auf der anderen Seite kann man auch ihre Wut verstehen, wenn Ellis darauf ungläubig reagiert, da sie ihre Familie als gut sehen und sich selbst auch nicht als dumm sehen möchte. Daher ein großes Lob an die Autorin, eine so plastische und glaubwürdige Protagonistin zu entwerfen und ihre innere Zerrissenheit so sensibel darzustellen.
Bei allem anderen hingegen hat sich die Autorin leider sehr kurzgehalten. Man bekommt zwar in den ersten fünfzig Seiten und auch in den Kapiteln danach einige kulturelle Aspekte von Saat mit, jedoch haben sich dennoch einige Logikfehler eingeschlichen. Das liegt maßgeblich daran, dass in dem Buch die Worte fallen, dass Saat alles ablehnt, was nicht von der Natur erschaffen ist. Folglich verzichtet die Gruppe auf jegliche Form von Technologie. Aber dennoch steht in deren Häuschen im Wald ein Klavier und ein Herd, obwohl das ganz klar aus Materialien besteht, die man nicht irgendwo in der Natur vorfindet. Ebenfalls scheinen sie normales Besteck zu besitzen, zumindest wird nirgendwo beschrieben, dass es aus Holz gefertigt ist. Dies sind zwar nur kleine Dinge, allerdings eben solche, die dem Leser in der Geschichte Stolpersteine liefern und das Gefühl geben, als wäre Saat fiktiv, obwohl es ganz klar Sekten gibt, von denen sie inspiriert ist.
Die Figuren abgesehen von Pearl sind jedoch noch gröber gezeichnet. Obwohl Pearl diese Personen schon ein Leben lang begleitet, scheint sie sie nicht besser zu kennen als die Neuankömmlinge, die ebenfalls ziemlich blass bleiben. Das ist insbesondere bei Ellis schade, da er einer der Hauptgründe ist, weshalb Pearl sich beginnt Gedanken zu machen. Er hat jedoch ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Saat, denn während er dem Anführer sofort misstraut und immer wieder in Tiraden ausbricht, kann er noch auf derselben Seite die Ruhe in Person sein und den Befehlen des Anführers folgen. Das hätte ja sogar interessant sein können, aber statt hin- und her gerissen zu wirken, wirkt er an diesen Stellen einfach wie ausgewechselt. Zusätzlich dazu kauft man ihm und Pearl die Gefühle füreinander nicht wirklich ab, insbesondere da sie nie Momente haben, in denen sie sich wirklich kennenlernen und in denen die Gespräche mal in die Tiefe gehen würden.
Und das ist es, was dem Buch auch das Genick bricht. Denn es gibt definitiv sehr viele Ansätze, die Tiefgang zeigen, sei es das Anwerben von neuen Mitgliedern für Saat, das Schüren von Ängsten durch Bestrafungen, um ,,böse Gedanken'' zu vertreiben, das Mitziehen mit seiner Familie und letztlich auch die Rechtfertigung von Missbrauch. Damit hätte die Autorin einen wirklich vom Hocker hauen können, doch sie reißt all diese Themen nur an und benennt sie nicht mal beim Namen, was vor allem bei letzterer Problematik schwierig ist. Doch im Laufe des Buches wird die Autorin immer oberflächlicher und reißt Gedankengänge der Figuren nur noch ganz leicht an, und das obwohl die Situation in der Sekte immer dramatischer und wendungsreicher wird. Fast schon zu wendungsreich, da man das Gefühl bekommt, die Autorin hätte möglichst viel in die zweite Hälfte ihres Buches quetschen und gleichzeitig schnell zum Ende kommen wollen.
Das Ende wirkt nämlich wirklich dahingeklatscht und besonders im letzten Kapitel sehr absurd. Die Darstellung des Sektenführers, Papa S, nämlich ist schon ganz zu Beginn sehr zwielichtig. Doch im letzten Teil des Buches scheint er regelrecht den Verstand zu verlieren und führt sich teilweise so albern auf, dass man sich fragen muss, warum die Leute nach einigen seiner Taten nicht abhauen, vor allem im erwähnten letzten Kapitel. Denn eine Sekte lebt doch eher davon, dass sich die Anführer im Recht sehen, aber genau wegen ihrer Ruhe und Gelassenheit darüber so unheimlich sind und die Sekte aufrechterhalten können. Das scheint Heathfield jedoch anders zu sehen, denn gegen Ende wird er wahrhaft verrückt und führt seine eigene Motivation ad absurdum. Ebenso endet das Buch mit viel zu vielen offenen Fragen zugunsten eines ,,spannenden'' Finales, das wie aus dem Nichts kommt und auch in Nichts endet.




Das Buch hätte wirklich der Wahnsinn werden können, denn sowohl der feinfühlige Schreibstil als auch ihre Protagonistin sind wirklich wahnsinnig gelungen. Man ist nahezu in derselben Situation wie die Hauptfigur und möchte fast über die negativen Seiten hinwegsehen, weil dieses Gefühl von Geborgenheit, Zuhause und Zusammenhalt so schön beschrieben wird. Die erste Hälfte des Buches ist daher sehr langsam und nimmt sich Zeit, diese Gefühle und die ersten Zweifel zu erforschen. Danach jedoch passiert Vieles gleichzeitig und rückt diese innere Zerrissenheit in den Hintergrund, egal um welche Figuren es sich dabei handelt. Es ist so, als hätte die Autorin alles nach von ihrer Liste abhaken wollen, hätte sich aber nicht die Zeit dafür genommen, die Konsequenzen daraus wirklich zu erzählen. Im Gegenteil, es geht alles sehr schnell und wirkt stellenweise so, als wären die Kapitel zwar angefangen, aber nie beendet worden. Mit diesem absurden Ende bietet Hier musst du glücklich sein also ein eher maues Leseerlebnis, das mit ein wenig mehr Seiten und Struktur einen wirklich tollen Einblick in das Thema hätte geben können. Vielleicht etwas für sehr junge Jugendliche, die mal reinschnuppern wollen, diejenigen, die sich hiervon Tiefgang erwarten, werden aber ziemlich enttäuscht.




Ich gebe dem Buch:


♥.♥ Herzchen


Extra:


Die Autorin hat auch noch andere Bücher beschrieben, die Hier musst du glücklich sein sehr zu ähneln scheinen.




In Paper Butterflies geht es um ein Mädchen, das von ihrer Stiefmutter und -schwester gefangen gehalten wird, allerdings auf einen Jungen im Wald aufmerksam wird, der versucht ihr zu helfen.




Hier geht es um das Geschwisterpaar Rita und Lo, die im Zirkus aufgewachsen sind. Jedoch lernt Lo bei einem Auftritt einen Jungen kennen und überlegt deswegen, das Leben als Trapezkünstlerin aufzugeben.


Beide Bücher klingen von der Thematik her wirklich interessant, sind mir allerdings alleine schon von dem Grundschema schon zu gleich aufgebaut. Und muss wirklich immer erst ein Junge daherkommen, damit ein Mädchen mal nachdenkt?


CU
Sana

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