Freitag, 12. Januar 2018

:)Rezension:): Chroniken des Wahns #1

Grundwissen:



Titel: Chroniken des Wahns - Blutwerk (original: Beyond Redemption)
Autor/-in: Michael R. Fletcher
Erschienen: 2017 im Bastei-Lübbe-Verlag (broschiert)
Seitenanzahl: 590 Seiten ohne Glossar
Preis: 15, 00 € (broschiert) [Quelle: amazon.de]
Genre: High Fantasy; Adult; Horror




Quelle: © Bastei Lübbe
Quelle: © Harper Voyager
























Inhalt:



,,Der Glaube bestimmt die Wirklichkeit.'' - S. 9



Willkommen im Letzten Imperium der Menschheit, einer Welt geschaffen und beherrscht vom Wahnsinn. Nicht Allgemeinwissen oder Naturwissenschaften bestimmen die Realität, sondern Glaube und Wahnvorstellungen - ein Umstand, der es Geisteskranken - den sogenannten ,,Wahnwirkern'' - erlaubt, unglaublich viel Macht zu erlangen. Dies möchte auch Ethenor, Hohepriester der Geborenen, die mithilfe ihres Glaubens einen neuen Gott erschaffen wollen. Dazu muss der Junge Morgan ,,aufsteigen'', was seinen unweigerlichen Tod mit einbezieht. Je mehr er Ethenor liebt, desto mehr Macht wird der Hohepriester künftig über die Menschen haben. Doch in einem kleinen, elenden Dorf erfährt ein Gaunertrio - bestehend aus der Kleptomanin Robyn, dem narzisstischen Schwertkämpfer Argos und dem lebensmüden Deckard - von dem Plan der Glaubensgemeinschaft und plant, Morgan zu entführen, um Lösegeld zu verlangen. Doch sie sind nicht die einzigen, die erfahren, dass ein neuer Gott auf Erden wandelt ...




Meine Meinung ...





zum Buch:




Ein Buch mit einer neuen, aufregenden Prämisse zu lesen trägt immer eine gewisse Gefahr mit sich: Man kann unglaublich leicht enttäuscht werden. Und obwohl Michael R. Fletcher viele tolle Ideen einbringt und definitiv weiß, wie man Wahnsinn in eine Geschichte einweben kann, das epische Meisterwerk, das Blutwerk hätte werden können, hat er nicht geschaffen.
Dabei wird man am Anfang vollkommen in seine Welt gesogen. Begeistert und zugleich beunruhigt lernt man die kleine, aber sehr kaputte Welt kennen, in der die Figuren aufgewachsen sind und nun um ihr Leben kämpfen müssen. Es gibt nahezu keine schönen Seiten, die Das Letzte Imperium der Menschheit zu bieten hat, denn die Schauplätze, die sich einem anbieten, sind dreckig, verseucht und bevölkert vom Abschaum der Gesellschaft. Ein sehr trostloses Setting, das aber genau dadurch mal etwas Frische in das High Fantasy Genre bringt. Genauso fasziniert ist man davon, wie Fletcher versucht, Geisteskrankheiten als Höhepunkt des Glaubens zum Maßstab dieser Welt zu machen. Insbesondere der philosophische Aspekt daran vermag einen zum Nachdenken zu bringen, da er durch die Glaubensrichtung der Geborenen die Frage in den Raum wirft, ob es zwischen Glaube und Wahnsinn überhaupt einen Unterschied gibt. Ebenso interessant ist die Fragestellung nach unserem Ursprung: sind wir tatsächlich die Schöpfung Gottes oder haben wir unwissentlich die Götter erschaffen? Vielversprechende Ansätze und Gedanken, die der Story eine gewisse Tiefe verleihen und einen auch verstehen lassen, warum diese Welt so trostlos ist. Denn wenn man von ersterer Möglichkeit ausgeht und erkennt, dass die Götter die Menschen längst verlassen haben, verlieren zumindest Gläubige schnell die Lust zum Leben, bekommen das Gefühl, nichts mehr an ihrer Misere verändern zu können. Umso interessanter, dass man einen Handlungsstrang verfolgt, in dem ein neuer Gott erschaffen werden soll, vor allem da hinter dieser angeblich guten Absicht nur das Verlangen nach Macht steht. Zusätzlich zu diesen Fragen lernt man immer mehr Figuren mit magischen Kräften kennen, die natürlich durch ihre psychische Krankheit zustande kommen. Diese Kombination von Macht und Wahnsinn ist zwar provokant, sorgt jedoch für eine explosive Mischung, die sich vor allem negativ auf den Träger dieser Kräfte auswirkt. Vor allem am Hohepriester der Geborenen ist das zu erkennen, da seine Wahnvorstellungen außer Kontrolle geraten und ein Eigenleben entwickeln - und irgendwann, wie er weiß, stark genug sein werden, um ihn seines Verstandes zu berauben. Doch diesen braucht er, um seinen Plan zuende zu führen.
Der Plot um den neuen Gott hat also durchaus Potential, ebenso wie die Entführung von ihm anfangs relativ spannend ist. Doch sobald man sich in die Welt eingefunden hat, ebbt die Begeisterung für diese kreative Idee ab, da die Handlungsstränge alle zwei Gemeinsamkeiten haben: Ab einem gewissen Punkt treten sie alle auf der Stelle und deren Figuren sind sehr ambivalent. Besonders der letzte Punkt bleibt einem zunehmend negativ im Gedächtnis, da es ab und an so wirkt, als hätte der Autor die psychische Labilität der Figuren benutzt, damit sie möglichst irrational handeln können. Denn selbst wenn man krank ist, man hat immer noch die Fähigkeit, Freundschaften aufzubauen, was in diesem Buch allerdings keiner schafft. Natürlich kann man anmerken, dass es zur dunklen Philosophie des Autors passt, allerdings ist es doch unrealistisch, dass man jahrelang mit zwei anderen Menschen durch die Welt reist und durch Mord und Raub überlebt, sich aber trotzdem ständig nur gegenseitig anzickt und droht einander umzubringen. Aus diesem Grund werden die Figuren von Argos und Robyn irgendwann unerträglich, da sie sich wie kleine Kinder ständig ankeifen und Deckard wie dem Leser den letzten Nerv rauben. Allgemein kann Fletcher keine Beziehungen etablieren; er versucht zwar während des Plotstillstands seinen Charakteren etwas Profil zu verleihen, scheitert allerdings in fast allen Fällen. Sie sind allesamt mörderisch, scheinen kein schlechtes Gewissen zu besitzen, und handeln vollkommen willkürlich. Beispielsweise bringt Robyn aus lauter Jux bei ihren Raubzügen Menschen um, obwohl noch eine Viertelstunde vorher besprochen wurde, dass niemand in diesem Dorf getötet werden soll, damit ihre Gruppe nicht auffliegt. Außerdem beschäftigen sich alle Figuren mit denselben Themen, die sich um Vertrauen und Liebe drehen. Bei dem dritten Handlungsstrang um Vyle, der später auftaucht als die anderen, ergibt dies noch Sinn, da sie auf jemanden trifft, der einen zur Liebe zwingen kann, doch bei allen anderen artet es aus in Gejammer darüber, dass keiner sie liebhat. Aus diesem Stereotyp hätte man sogar etwas machen können, jedoch wirkt es in Fletchers Ausarbeitung plump und wenig durchdacht.
Außerdem versucht der Autor sich in Blutwerk ständig in Ekel und Gewalt selbst zu übertreffen. Denn natürlich wird Das Letzte Imperium der Menschheit von Anfang an so gezeichnet, allerdings ist bis auf Morgan - den jungen Gott - niemand in diesem Buch ein guter Mensch. Zwar gibt es ab und an Momente, in denen selbst die unsympathischsten Figuren einen Hauch Menschlichkeit zeigen, allerdings werden diese überdeckt von ihrer allgemeinen Großspurigkeit und Lust zu morden. Zwar kommt dadurch Morgans Entwicklung besser rüber, da er am Anfang die Reinheit in Person ist, allerdings hätte man ihm wenigstens einen Menschen zur Seite stellen können, der rationale Entscheidungen trifft und nicht nur sein Profit im Auge hat. Der Kontrast ist leider zu stark und hat so auch nicht den gewünschten Effekt beim Leser.
Als die Handlungsstränge alle zusammengeführt werden, kann der Autor allerdings das Ruder noch etwas herumreißen. Denn das Finale ist sehr spannend, sehr blutig und vor allem reich an Leichen. So schafft er eine neue Ausgangsposition für den zweiten Band, The Mirror's Truth, der den Leser doch neugierig macht, ob sich in dieser grausamen Welt nicht doch etwas tun kann.



Eine total geniale Prämisse mit durchaus interessanten, zynischen Fragen dahinter, allerdings irgendwann überschattet von Brutalität und Ekel. Wahrscheinlich wollte Fletcher mit dieser Überspitzung des Bösen, sowohl der Welt wie auch seiner Figuren, einen großen Kontrast zu demjenigen schaffen, der wegen seines unschuldigen Wesens zum nächsten Gott gekürt werden soll. Allerdings hat er dazu zu wenige Grautöne in die Geschichte gebaut, sodass Vieles nur plakativ und mehr gewollt als gekonnt wirkt. Er kann mit seinen Beschreibungen von Kämpfen und Morden wirklich überzeugen, dafür aber kaum mit seinem Charakteraufbau und deren Beziehungen zueinander. Vor allem dass es in der Mitte des Buches einfach nicht vorangeht, hat Chroniken des Wahns: Blutwerk seinen Kick genommen. Ziemlich innovative Ansätze, allerdings langatmig und grob ausgearbeitet. Sicherlich etwas für jene, die sich mal an wirklich dreckiger, Richard-Laymon-blutiger Fantasy mit schwarzer Atmosphäre probieren wollen, trotzdem nur eine eingeschränkte Empfehlung.





Ich gebe dem Buch:


♥♥♥ Herzchen


Extra:


Wann der zweite Teil auf Deutsch erscheint, ist bisher nicht bekannt. Allerdings geht es hier zur Kurzbeschreibung :)




CU
Sana

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