Sonntag, 5. November 2017

:)Rezension:): Die Rote Zora

Grundwissen:




Titel: Die Rote Zora
Autor/-in: Kurt Held
Erschienen: original 1941; 2008 im Sauerländer-Verlag (Filmausgabe; Taschenbuch); 2015 im Fischer-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 413 Seiten ohne Interviews der Schauspieler zur Verfilmung
Preis: 7, 99 € (Kindle Edition); 7, 99 € (Taschenbuch); 19, 99 € (Hardcover) [Quelle: amazon.de]
Genre: Klassiker; Sozialdrama; Middle Grade



Quelle: © Fischer Verlag
Filmausgabe; Quelle: © Sauerländer Verlag
























Inhalt:




,,Aber ich will lieber hungern, als ein Knecht der Gesellschaft zu sein.'' - Der alte Gorian (S. 316)




Im kleinen Städtchen Senj am Adriatischen Meer lebt Branko Babitsch mit seiner Mutter Anka in Armut. Doch mit dem Tod Ankas sieht sich der Zwölfjährige mit der Grausamkeit der Gesellschaft konfrontiert, denn nicht einer möchte ein zusätzliches Maul zu stopfen haben. So hat Branko irgendwann keine andere Wahl als zu stehlen - und kommt damit prompt ins Gefängnis. Doch die Polizisten haben die Rechnung ohne die Rote Zora gemacht: kurzerhand befreit sie Branko und bietet ihm einen Platz in ihrer Bande an, die sich ,,die Uskoken'' nennen. So wird er Teil der berühmtberüchtigsten Bande aus ganz Senj ...





Meine Meinung ...




zum Buch:




Dieser Kinderklassiker des 20. Jahrhunderts ist vor allem für seine Sozialkritik bekannt, was für ein Buch für Jüngere mit genauso jungen Protagonisten recht ungewöhnlich ist. Normalerweise verbindet man Bandengeschichten doch eher mit Spaß, Abenteuern und einem gewissen Keck. Kurt Held hat jedoch eine andere Vision von einer Bande aufgebaut, nämlich eine, die, anders als die zum Beispiel die Wilden Hühner, nicht aus Spaß, sondern aus Verzweiflung und Hunger entsteht.
Insofern wählt der Autor ein sehr erwachsenes Thema mit einem wirklich ernsten Setting. Sehr ausführlich beschreibt er die Lebensumstände von Senj, sowohl in den ärmlichen als auch in den reicheren Vierteln, und möchte die Kontraste innerhalb dieses kleinen Städtchens darstellen. Schon ganz zu Beginn muss der Leser schlucken bei all der Kaltherzigkeit und Ablehnung, die die Bürger Branko entgegenbringen, obwohl der Junge vor einigen Stunden seine Mutter und so auch sein Obdach verloren hat. Man wird mit einer zynischen Gesellschaft konfrontiert, in der sich jeder selbst der nächste ist, egal ob reich oder arm. Man kann also mit keiner positiven oder abenteuerlustigen Atmosphäre rechnen, was zusätzlich mit der zähen Erzählweise verstärkt wird.
Kein Wunder also, dass die Kinder in ihrem zarten Alter dieses egoistische Verhalten schnell von den Erwachsenen abkupfern. So bringt Held auch immer wieder die Frage auf, ob man wirklich als Dieb bezeichnet werden kann, wenn man aus Verzweiflung Essen stiehlt. Insbesondere Branko hat damit seine Schwierigkeiten, weil er hin und her gerissen ist zwischen Hunger und schlechtem Gewissen. Am Ende verfasst der Autor sogar ein kleines Plädoyer zu dieser Thematik, die sehr schön zu lesen ist und die Sozialkritik auf die Spitze treibt.
Diese fast schon philosophischen Ansätze können einen also durchaus beeindrucken, allerdings wirken sie im Zusammenhang mit dem Schreibstil und dem Aufbau der Geschichte an sich nicht gut ausgearbeitet. Das Buch zieht sich an sehr vielen Stellen, weswegen es für Kinder schwer sein dürfte, der Handlung zu folgen, vor allem da die Thematik so ernst und schwierig ist. Es steckt nur wenig Leben in den Seiten, denn auch wenn das Beschriebene grausam ist, man empfindet nur selten Mitleid mit den Figuren oder schert sich auch nur einen Deut um sie. Der Autor schafft es leider überhaupt nicht, den Leser in seine Welt hineinzuziehen, weswegen man das alles mit viel zu großer Distanz betrachtet. Zwar sind seine Worte einfach zu verstehen, allerdings sind sie nicht einfach zu lesen wegen viel zu langgestreckten Beschreibungen oder Dialogen. Kurt Held hat nämlich ein Händchen dazu, in Dialogen wirklich alles wiederzugeben, was vor maximal einem Kapitel geschehen ist, obwohl es alles andere als komplex ist und man als Leser natürlich schon weiß, was Sache ist. An den Stellen hätte er einfach kürzen müssen, insbesondere die ganzen Nachfragen, die einfach nur mit ,,Ja'' oder ,,Nein'' beantwortet werden.
Lange fragt man sich auch, in welche Richtung diese Geschichte gehen soll. Denn wo es zu Beginn noch um das Leben der Bande geht, rückt sie immer mehr in den Hintergrund und macht Platz für einen ökonomisch-politischen Handlungsstrang. Da dieser aber recht spät eingeführt wird, begleitet man die Kinder eine Weile ziellos dabei, wie sie gemeinsam in ihrem Versteck leben, stehlen oder aber Unsinn machen, wobei vor allem letzteres einem den Nerv rauben kann. Dieser Unsinn besteht hauptsächlich daraus, sich bei diversen Leuten für die verschiedensten Dinge zu rächen und dabei immer einen Teufelskreis auszulösen, da sich die andere Partei natürlich revanchieren muss. Selbstverständlich kann man anführen, dass man mit 10-13 Jahren nicht so viel über seine Taten nachdenkt, allerdings müsste man nach einer Weile doch merken, dass sie ihr Rachedurst immer nur in Schwierigkeiten bringt. Nicht nur sie, sondern auch andere, in deren Namen sie manchmal auch Rache begehen. Das ist dauerhaft anstrengend zu lesen, insbesondere wenn die Kinder einfach nicht lernen wollen, dass sie ihre Situation mit jedem Rachefeldzug nur verschlimmern. Aus diesem Grund ist auch die angeblich so urkomische Situation am Ende des Buches eher als fragwürdig zu betrachten. Ganz abgesehen davon, dass Held es nicht ein einziges Mal schafft, den Leser zum Lachen zu bringen, auch wenn er sich sehr bemüht, Humor einzuführen, der leider eher wie mit dem Holzhammer wirkt.
Leider können einen auch die Figuren überhaupt nicht ergreifen, was angesichts dessen, dass der Autor tatsächlich mit einer Bande wie dieser zu tun hatte, merkwürdig ist. Branko ist mit seinem inneren Konflikt und seiner traurigen Situation noch der interessanteste, auch wenn man seine Persönlichkeit nicht wirklich umschreiben kann. Auch Zora sticht heraus durch ihre wahnsinnig feministische Ader und ihren Mut, den sie als stolze Uskokin immer vertreten will. Die anderen Figuren jedoch sind klischeehaft oder austauschbar, sowohl auf Bandenmitglieder als auch die Erwachsenen bezogen, wenn man vom alten Gorian mit seinem moralischen Kompass absieht. Bei einem so kritischen Thema wäre es aber notwendig gewesen, wenigstens einen Funken Empathie zu empfinden. So kann es dem Autor auch nicht gelingen, seine sowieso schon klischeehaft gezeichneten ,,Bösewichte'' als solche zu sehen, wenn man die Protagonisten selbst als eine Zeitlang als nervige und respektlose Bälger empfindet.




Letztlich ein tendenziell enttäuschendes Buch, das zwar gute sozialkritische Aussagen trifft, diese aber nicht mit der Story unterstreichen kann. Diese ist sehr ziellos und birgt auch kaum etwas, das junge Leser wirklich zum Weiterlesen zwingen könnte. Es würde eher als Roman für Erwachsene funktionieren, die anhand einer Kinderperspektive etwas über Ungerechtigkeit erfahren wollen - auch wenn der Schreibstil selbst für diesen Genrewechsel zu stumpf und leblos wäre, sowohl in handlungstechnischer, emotionaler wie auch in atmosphärischer Hinsicht. Gekoppelt mit den periodischen Rachefeldzügen und der Unfähigkeit der Kinder, selbst am Ende der Handlung etwas daraus zu lernen, macht es kaum Freude, dieses Buch zu lesen. Sehr schade und eher weniger zu empfehlen, insbesondere für die eigentliche Zielgruppe.




Ich gebe dem Buch:


♥.♥



Extra:



Das Buch wurde vor circa 10 Jahren auch verfilmt, zur Gelungenheit dieser Verfilmung kann ich persönlich jedoch nichts sagen. Hier der Trailer dazu :)

CU
Sana

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