Samstag, 12. August 2017

:)Rezension:): funny girl

Grundwissen:


Titel♥: funny girl (original: funny girl)
Autor/-in♥: Anthony McCarten
Erschienen♥: 2015 im Diogenes-Verlag (Taschenbuch); 2014 im Diogenes-Verlag (Hardcover)
Seitenanzahl♥: 375 Seiten
Preis♥: 21, 90 € (Hardcover); 13, 00 € (Taschenbuch); 10, 99 € (Kindle Edition)
Genre♥: Coming of Age; Dramedy; Kultur




Inhalt:



,,Ob etwas in Ordnung ist, erkennt man daran, ob es erlaubt ist, darüber zu reden. Wenn es nicht mehr gefährlich ist, über etwas zu reden, dann ist das Werk getan. Dann ist die Zivilisation ein kleines Stückchen vorangekommen. Daran erkennt man es. Und da es für dich ja offenbar mit Risiken verbunden ist, über das zu reden, worüber du reden willst, ist es wohl notwendig, dass noch eine Menge Riskantes gesagt wird. Richtig?'' - Kirsten (S. 292)


Vor ein paar Tagen ist ein muslimisches Mädchen ums Leben gekommen. Vom Balkon ihrer Wohnung ist sie in die Tiefe gestürzt, angeblich ein Unfall. Doch Azime, die das Mädchen kannte, weiß, dass Differenzen zwischen ihr und ihrem traditionsbewussten Vater dabei eine Rolle gespielt haben. Auch bei ihr zuhause nehmen die Streitigkeiten zu, vor allem weil sich für Azime einfach kein passender Mann finden lässt. Als die Zwanzigjährige nun auch noch Komikerin werden und mit Burka auftreten möchte, ist das Maß voll - vor allem als Drohungen ihr gegenüber auftauchen.





Meine Meinung ...




zum Cover:



Deutsches Cover: ♥♥♥



Merkwürdigerweise ist das Cover des Originals irgendwie unauffindbar. Das deutsche Cover allerdings ist eben typisch für diesen Verlag: recht klassische Aufmachung, allerdings ist das, was drauf ist, nicht ganz unpassend. Zwar hat Azime keine roten Haare, jedoch sieht das schwarze Gewand durchaus einer Burka ähnlich. Der Titel ist leider etwas austauschbar, aber natürlich auch passgenau.




zum Buch:




Obwohl Anthony McCarten einen ziemlichen Bekanntheitsgrad in der Bücherwelt hat, ist das ein eher unbekanntes Werk von ihm. Kein Wunder, denn mit seinem Fokus auf ein muslimisches Mädchen, das das richtige Maß zwischen zwei Kulturen finden möchte, hat er eher einen Nischenroman geschrieben. Trotzdem hätte dieses Buch alleine durch die Kontroversen seiner Themen und wie sie miteinander verknüpft sind wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient.
Natürlich ist es in einer Zeit, die geprägt ist vom IS und ihren Terroranschlägen, recht schwierig ein Buch über Muslime zu schreiben. Muslime, die den traditionellen Glauben ausleben, Muslime, die Witze über ihre eigene Kultur und Religion machen, aber auch Muslime, die auf solche Witze mit Todesdrohungen reagieren. Trotzdem hat es McCarten geschafft, dabei niemandem auf die Füße zu treten ohne vollkommen auf Provokation zu verzichten. Immerhin ist alleine die Idee einer Komikerin mit Burka schon außergewöhnlich genug und lässt einen genauso skeptisch gegenüber Azime sein wie ihre ersten Zuschauer. Dennoch ist genau alles richtig portioniert. Der Autor lässt durchblicken, dass er diese Geschichte nicht hat ohne den ein oder anderen Witz aus der Sparte des schwarzen Humors schreiben wollen, allerdings nicht, um damit jemanden wütend zu machen. Stattdessen zeigt er, dass er sich mit der Kultur auseinandergesetzt hat und deren Vorteile und Schwierigkeiten versteht. Das spiegelt sich nicht nur in Azime wieder, die wegen ihrer eher modernen Einstellung ihre Eltern zur Weißglut treibt, sondern auch in ihrer kleinen Schwester, die mit dem Probetragen eines Kopftuchs viel Aufmerksamkeit seitens der Familie bekommt, und auch in ihrer Freundin, die als frisch verheiratete Muslimin nicht besonders gut von ihrem Ehemann behandelt wird. Dass Gemeinschaftsgefühl, Zusammenhalt, aber auch Abhängigkeit und Angst eine große Rolle in traditionsgeprägten Familien spielen und es weder für die Eltern noch für die Kinder leicht ist, in einem Umfeld zu leben, das dem komplett widerspricht. Statt einem Schwarz-Weiß-Bild, wo die Britin Azime als die Gute dargestellt wird und ihre kurdischen Eltern als die Bösen, trifft man hier eher auf Erklärungen zu der inneren Zerrissenheit derer, die in so einer Situation stecken. Und selbst wenn der Leser sich eher mit Azime identifiziert, ihre Eltern versteht man zu einem gewissen Teil auch, so verdreht ihre Rechtfertigungen vor sich selbst manchmal auch sind.
Das ist auch der Grund weshalb es dem Buch so gut gelingt ernst und witzig zugleich zu sein. Denn die Charaktere basieren vor allem zu Beginn der Geschichte sehr auf Klischees. In kurzen, knappen Sätzen beschreibt der Autor ihren Lebenslauf und ihre Eigenheiten, nur um ihnen später Tiefgang zu verleihen. Trotzdem trägt jede Figur zu einem Zeitpunkt etwas zum Witz von  funny girl bei, was sie auch trotz einer ungewöhnlicheren Sicht auf die Welt sympathisch macht. Azimes Familie und ihr bester Freund Deniz sind bunt gemixt und funktionieren so gut miteinander, dass man sich einfach nur in diese Chemie zwischen ihnen eintauchen lassen möchte. Vor allem letztgenannter ist mit seinen Sprüchen und seiner Art, negative Dinge in etwas verkorkst Lustiges zu verwandeln, einfach nur erfrischend und sehr ausgeflippt. Er ist es auch letztlich, der Azime neugierig auf Komiker macht und dadurch die Geschichte in Gang setzt. So kann man als Leser mitverfolgen wie Azime langsam lernt, woraus guter Witz eigentlich besteht und wächst über sich selbst hinaus. Natürlich gibt es auch Momente, in denen ihr der Druck und die Drohungen seitens Fremden und Familie zu viel werden, in denen sie unvernünftige Entscheidungen trifft oder einknickt, allerdings findet sie immer zu dem zurück, was sie eigentlich ist: eine unabhängige Frau, die frei heraus sagt, was sie denkt. Dadurch ist sie ein sehr angenehmer Hauptcharakter, der einen spätestens damit auf seine Seite zieht, wie sie Heiratskandidaten vergrault. 
Somit zeigt der Autor auch, dass er selbst sehr gekonnt mit Humor umgehen kann. Seine Schreibweise ist sehr abwechslungsreich, mal kurze, eher stichwortartige Sätze, und dann wieder lange, fast philosophische Abhandlungen, gekoppelt mit viel Slapstick, Sarkasmus und schwarzem Humor. Es vergeht kaum ein Kapitel ohne ein Schmunzeln, sei es wegen den Dialogen, einer Bemerkung des Erzählers oder eines Auftritts von Azime. Die konventionelleren Witze sind leider nicht wirklich charmant, allerdings könnte man das je nach subjektiven Vorlieben anders beurteilen. Die Palette ist jedenfalls ziemlich groß und dürfte für jeden Leser etwas bereithalten - vor allem für diejenigen, die sich nicht scheuen, Minderheiten auf die Schippe zu nehmen.
Durch die Schattenseiten von Azimes Aufstieg in Komikerreihen wird aber auch etwas Spannung zu ihrem Familiendrama aufgebaut und irgendwann auch schön miteinander verwoben. Zum einen wird der Fall um ihre verstorbene Freundin gelöst, zum anderen wird versucht herauszufinden, wer genau sie bedroht und sie zum Schweigen bringen will. Daher möchte man schon wissen wie es weitergeht, obwohl das Buch größtenteils sehr ruhig ist und linear abläuft. Man kann sich auf jeden Fall darauf gefasst machen, dass der Autor einen überrascht und einem zumindest bei einem der Fälle vor Augen führt, dass man nicht in Klischees denken sollte.
Nicht nur das gibt einem der Autor jedoch auf den Weg mit, sondern auch recht inspirierende Gedanken. So ist das Recht seine Stimme zu erheben und Tabus aufzubrechen nicht nur etwas, was man auf den Islam und seine heutigen Kontroversen beziehen kann, sondern auf jede Lebenslage. Daher kann man sich so Einiges aus diesem Roman mitnehmen und findet in Azime ein recht gutes Vorbild dafür sich seiner Redefreiheit zu bedienen, egal wer einen zum Schweigen bringen will.



Insgesamt ist funny girl ein witziges, spritziges Buch, das das Beste aus seiner Idee gemacht hat. Ohne es zu übertreiben bringt der Autor einem die Schwierigkeit näher, zwischen einer modernen und traditionellen Kultur aufzuwachsen und diejenige in der Familie zu sein, die sich ersterer zuwendet. Dabei begleitet man eine echt tolle Protagonistin, die mit viel Kampfgeist für ihre Meinung steht und dies durch Witze anderen nahebringen will, und wirft nebenher auch noch kurze Blicke über die Schultern ihrer Verwandten oder Freunde. Humor wird mit ernstzunehmenden Situationen verknüpft ohne je respektlos zu sein und sind auf unterschiedliche Weisen sehr einnehmend. Es wirkt nichts überdramatisiert, gestellt oder dämonisiert - sondern einfach realistisch. Mit der kleinen Botschaft darüber, wie wichtig Meinungsfreiheit ist, also ein sehr empfehlenswertes Buch!





Ich gebe dem Buch:



♥ Herzchen



Extra:



Wen andere Werke zu der Thematik ,,Clash of Cultures'' interessiert, der kann sich gerne meine Review zu East is East durchlesen. Das ist eine britische Komödie von vor 2000, die das Ganze ganz gut transportiert. Damals fand ich es ganz gut :)


CU
Sana

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