Donnerstag, 20. Juli 2017

►Film-Review◄: To the Bone

Grundwissen:



Titel: To the Bone (original: To the Bone)
Idee: Marti Noxon
Regisseur/-e: Marti Noxon
Drehbuch◄: Marti Noxon
Produzent/-en: Bonnie Curtis; Karina Miller; Julie Lynn; Andrea Iervolino; Monika Barcadi
Produktionsfirma: Mockingbird Pictures; Sparkhouse Media; Foxtail Entertainment; AMBI Group; To The Bone Productions
Erschienen: Juli 2017 auf Netflix
Dauer: 107 Minuten (1 Stunde, 47 Minuten)
Altersfreigabe: FSK 16
Preis: -
Genre: Contemporary; (Jugend)Drama; Tabu-Thema




[Quelle: wikipedia.de]





Inhalt:




''Tell the voice to fuck off.'' - Dr. Beckham



Ellen ist 20 Jahre alt und hat statt mit Uniklausuren mit ihrer Magersucht zu kämpfen. Bereits vier Klinikaufenthalte hat sie hinter sich, und dennoch sind keine Besserungen zu sehen. Langsam weiß sich ihre Stiefmutter nicht mehr zu helfen und vermittelt sie an Dr. Beckham, der eine neue Form der Therapie ausprobieren möchte: Gemeinsam mit anderen Essgestörten soll sie in einer Wohngemeinschaft Zeit verbringen und unter ihren eigenen Bedingungen gesund werden.




Meine Meinung ...






zum Film:




Nach Thirteen Reasons Why mit seiner Thematik des Selbstmordes hat sich Netflix nochmals für die Veröffentlichung eines kontroversen Films entschieden, diesmal über Magersucht. Es wurde sogar eine Online-Petition gestartet, die noch vor der weltweiten Veröffentlichung für einen Rückzug von To the Bone eingestanden hat, aus Angst, er könnte junge Frauen und Männer triggern und diese seelische Krankheit beschönigen. Ähnlich sind die Vorwürfe auch bei der dreizehnteiligen Netflix-Serie; trotzdem wird eine zweite Staffel produziert. Wie steht es allerdings um dieses Jugenddrama? Sind die Befürchtungen gerechtfertigt? Geht der Film falsch mit dem Thema um und könnte etwas Schlimmes in den Köpfen der Zuschauer anrichten?

Aus der Sicht einer ehemals Magersüchtigen, die noch immer gewisse Probleme mit Essen hat, nicht. Im Gegenteil, man zeigt relativ schonungslos, wie man enden kann, wenn man nicht rechtzeitig aus dieser Krankheit rauskommt. Schön daran ist, dass es nicht nur anhand Protagonistin Ellen gezeigt wird, die durch ihren Hunger stark abgemagert ist, sondern auch an ihren Mitbewohnern, häufig in Bereichen, die von anderen Werken über Essstörungen nicht unbedingt beachtet werden. Von einer Verharmlosung dieser Krankheit zu sprechen wäre also falsch. Immer wieder reißt man die Tricks solcher Menschen an, wie sie das Essen, das sie aufgenommen haben, loswerden können, egal ob durch Erbrechen oder exzessiven Sport. Auch Kalorienzählen oder unauffälliges Hin- und Herschieben des Essens auf dem Teller steht an der Tagesordnung, ebenso wie die krankhafte Überzeugung, dass man das alles noch unter Kontrolle hat. Daher werden die Essgestörten an sich ziemlich glaubwürdig dargestellt, zumindest in den Ansätzen, die von ihnen gezeigt werden.
Die Wohngruppe an sich ist nämlich eine ziemlich lustige Truppe, die nicht den Anschein erweckt, als hätte sie ein lebensgefährliches Problem. Im Gegenteil, es wird viel gelacht und gescherzt, fast schon Familienbände miteinander geschlossen. Das ist insofern schön, weil es zeigt, dass man auch mit einer solchen Erkrankung nicht aussehen muss wie der depressivste Mensch auf Erden und man daher in seinem Umfeld genauer hinschauen könnte. Denn seelische Krankheiten wie diese sieht man einem bis auf die Veränderung des Körpers nicht unbedingt an. Dies wird auch an einer Mitbewohnerin gezeigt, die zwar definitiv schmal gebaut ist, allerdings nicht krankhaft dünn aussieht. Zwar handelt es sich hier um eine Nebensache, jedoch zeigt dies, dass auch Normalgewichtige unter dieser Erkrankung leiden können. Davon abgesehen zeigen die Nebencharaktere allerdings nicht so viele Facetten, wie man es benötigt hätte. Bei ein, zweien von ihnen kann man sogar davon sprechen, dass sie nur durch ihre Krankheit definiert werden, denn viel mehr bekommt man von ihnen nicht mit. Da hätte man definitiv viel mehr draus machen können, vor allem da ja an Ellen gezeigt wird, dass man durchaus Ursachen und Hintergründe für diese Krankheit, aber auch diese Person entwickeln kann.
Mit wem allerdings noch weniger anzufangen ist, ist Luke, der einzige Junge in der Wohngemeinschaft und Ellens Love-Interest. Man legt, nach Ellen, den Fokus auf ihn, erfährt aber trotzdem nicht sonderlich viel über ihn, nicht mal, worunter genau er leidet. Stattdessen erfährt man nur, dass er eine Knieverletzung besitzt und dass er ein sehr merkwürdiger, aufgedrehter Tänzer ist - die Frage beantworten, was genau er mit einer Knieverletzung in einer Wohngruppe für Essgestörte sucht, tut es trotzdem nicht. Vielmehr wirkt er wie ein kleiner Augustus-Waters-Verschnitt (The Fault in Our Stars bzw. Das Schicksal ist ein mieser Verräter), der nur da ist, damit man noch eine kleine Liebesgeschichte in die Handlung einbauen kann. Das ist nicht nur verschwendetes Potential, sondern auch verschwendete Zeit, auch wenn die beiden durchaus zusammen funktionieren und den ein oder anderen süßen Moment haben.
Der Film lässt sich zu Beginn nämlich sehr viel Zeit, Ellen als Protagonistin einzuführen, ebenso wie ihre Familiensituation und den Schweregrad ihrer Magersucht. Daher ist sie mitunter die plastischste Figur, die durch ihre zynischen Kommentare auch den ein oder anderen Zuschauer zum Lachen bringen kann. Sie ist ziemlich mürrisch und hat alles andere als eine positive Einstellung, hat aber genau deswegen etwas sehr Erfrischendes und Einnehmendes. Auch die Szenen, in denen sie mit ihrer kaputten Familie interagiert, sind recht nett anzusehen und sorgen nicht nur für ein oder zwei Lacher. Im Gegenteil, der Film besticht damit, dass er sehr viele humorvolle Momente hat und sich nicht todernst nimmt, trotz Ellens immer näherrückendem Tod. Man bekommt ein paar Fakten zu Essstörungen geliefert, lernt sie innerhalb der Gruppe etwas genauer kennen, und muss öfters wegen dem schwarzen Humor schmunzeln. Damit hat To the Bone eine gute Weile lang eine gute Abwechslung von lustigen, traurigen und auch vor Leben und Hoffnung strotzenden Momenten, die auch optisch an einigen Stellen wirklich wunderbar anzusehen sind.
Doch nach dieser Weile verliert sich der rote Faden. Es geht eher um Ellen und Luke statt um Ellens Werdegang, auch wenn er für einige Wendungen darin verantwortlich ist. Trotzdem hätte die Zeit bis dahin besser genutzt werden können, denn nach einem großen Wendepunkt innerhalb der Handlung, der Ellen sehr erschüttert, scheint den Machern eingefallen zu sein, dass nur noch eine halbe Stunde übrig ist. Deswegen wirkt der Weg zu Ellens Veränderung reichlich holprig und in vielen Punkten nicht nachvollziehbar. Vor allem dadurch, dass der Film vorher knallhart ehrlich ist und alles andere als eine Rosarote-Zuckerwatte-Philosophie hat, wirkt das Ende ziemlich übertrieben und sehr konträr zu dem Rest des Films, der mal etwas anders ist, sowohl von der Atmosphäre als auch von der Philosophie her. Deswegen lässt einen das Ende doch eher unbefriedigt und teilweise verstört zurück, da er von einem originellen Start in eine sehr klischeehafte Richtung geht und man das überhaupt nicht kommen sieht.
Außerdem ist die große Schwäche dieses Werks, dass er zwar damit besticht, Ellen in neue Formen der Therapie einzuweisen, man allerdings kaum etwas davon mitbekommt. Wochenlang ist sie in dieser Wohngruppe, und man bekommt kaum etwas davon mit, wie genau der Heilungsprozess funktioniert. Eine Familiensitzung da, gemeinsames Essen - und das soll so besonders an dieser neuen Form der Therapie sein? Natürlich nimmt Ellen das Angebot hauptsächlich deswegen an, weil ihr angeboten wird, Vieles selbst zu bestimmen, allerdings sieht man davon nichts. Daher tritt der Film im Bezug darauf ziemlich auf der Stelle und legt das Augenmerk auf die falschen Dinge. Statt zu zeigen, was zwischen Ellen und Luke passiert, hätte man mehr auf die einzelnen Figuren und insbesondere Ellens Sinneswandel eingehen sollen. Denn dann wäre man in der letzten halben Stunde nicht in so eine eigenartige und im Kontrast zum Rest stehende Richtung gegangen. Wenn man schon sagt, man will etwas Neues zeigen, dann sollte man dies auch tun. Doch mit dieser Prämisse haben sich die Macher scheinbar selbst etwas übernommen und sind letztlich doch in die Richtung ausgewichen, die man in jedem anderen Film über Essstörungen erblicken kann.




Abschließend weiß man nicht so recht, was man von dem Film halten soll. Zwar hat To the Bone einen erfrischend dunklen Humor, ohne die Krankheiten jemals lächerlich zu machen, und ist bestechend ehrlich, allerdings verliert er dieses Besondere irgendwo auf halber Strecke. Es geht weniger um die Selbstfindung und die Bekämpfung der Krankheit als um die Beziehungen innerhalb der Wohngruppe, obwohl aus den darin lebenden Menschen auch nur wenig gemacht wurde. Einzig Ellen kann man als einigermaßen vielschichtig beschreiben, alle anderen Charaktere lernt man nur in Ansätzen kennen, was für das Kennenlernen spezifischer Fälle dieser psychischen Krankheit nicht fördernd ist. Zwar können einen einzelne Schicksale und Wendungen doch berühren, ebenso wie die Krankheit recht plastisch dargestellt wird, allerdings hätte man den Fokus viel mehr auf die Figuren und ihren inneren Kampf legen müssen, damit sich die Wirkung dessen voll entfalten kann. Ein starker Beginn und durch die Bank weg viele gute Ansätze, die den Film hätten besonders machen können - doch durch das Wählen eines stereotypischen und verschwommenen Endes hat man sich den Weg dorthin verbaut. Sehr schade, vor allem da es doch so in die Kontroverse ging.




Ich gebe dem Film:



♥♥ Herzchen



Extra:



Hauptdarstellerin Lilly Collins und auch die Regisseurin Marti Noxon litten beide unter Essstörungen in ihrer Vergangenheit. Daher wohl kein Wunder, dass die Krankheit so gut in diesem Drama dargestellt ist.
Hier redet Lilly Collins über ihr Abnehmen für diese Rolle, die nebenbei bemerkt freiwillig war.


Links zu den Quellen der im Beitrag verwendeten Bildern:


https://resizing.flixster.com/ivEAThbuLMZpM8xp0HVyHFpgMsk=/300x300/v1.bjsxNTk0MTE2O2o7MTc0MzM7MTIwMDs2OTA7Mzcx
http://cdn02.cdn.justjared.com/wp-content/uploads/2016/04/collins-dress-set/lily-collins-to-the-bone-white-dress-05.jpg
http://uproxx.files.wordpress.com/2017/06/tothebone.jpg?quality=100&w=650

CU
Sana

2 Kommentare:

  1. Hallo und guten abend. Hab mir den film letzte woche sngesehen und muss dir recht geben...den heilungsprozess fand ich wirklich sehr holprig und der klickmoment hat mich nicht wirklich überzeugt. Bei Luke muss ich dir ein bisschen widersprechen. Ganz so sinnlos ist er nicht und ich hab ihn auch nicht als überflüssig..oder nur als loverboy wahrgenommen. Er selber ist in der gruppe, da er bei der einweisung nur noch 49 kilo gewogen hat. Als tänzer erfolgreicher tänzer steht man auch als Mann unter einem starken druck was den körper anbelangt. Schlank ist erwünscht...sehr schlank! Die knieverletzung hat seine karriere beendet...wahrscheinlich spielte die magersucht dabei eine rolle, da sich ja irgendwann die muskeln abbauen und die gelenke nicht mehr unterstützt werden.
    Luke zeigt also, dass magersucht nicht nur ein frauenproblem ist und dass es eine karriere zerstören und nicht (wie gedacht) fördern kann. Zudem ist luke bereits weit fortgeschritten im heilungsprozess und ist somit das zugpferd für die anderen, er gibt neue impulse und denkanstösse, verleitet die anderen grenzen zu überschreiten. Zum beispiel die schokolade, das essen gehen...er kennt alle trigger und tricks von essgestörten und kann sich besser in die erkrankten hineinversetzen als der therapeut. Zudem wird durch in ersichtlich, wie egoistisch ellen ist...als er ihr zum beispiel sagt, dass er sie braucht (wahrscheinlich, weil er einen rückfall fürchtet). Ich finde er war neben ellen die wichtigste person im film.
    Lg nicky

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    1. Hi :3
      Vielen lieben Dank für deinen Kommentar, ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut :)*
      Gut, dass ich nicht die einzige bin, die das mit dem Heilungsprozess genauso sieht. Der Film wird ja regelrecht mit positiven Meinungen überhäuft, dann fühlte ich mich wieder etwas außen vor ^^
      Stimmt, wenn ich genauer darüber nachdenke, hast du bei Luke bei einigen Teilen recht. Ich glaube, ich hab das vielmehr übersehen, weil es sonst wirklich bei jedem ganz klar gesagt wurde. Und natürlich ist es nicht so, dass man alles auf dem Silbertablett braucht, aber ich glaube, wenn man es bei jeder Person so handhabt außer bei einer, dann fühlt man sich ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Trotzdem hätte man mehr über ihn erfahren können, finde ich, vor allem zur Entstehung seiner Krankheit. Darüber hat er mir zu wenig gesprochen, obwohl er nach Ellen der wichtigste gewesen ist.
      Gut finde ich natürlich ebenso wie du, dass gezeigt wird, dass auch Jungs von betroffen sind :)

      Liebe Grüße zurück,

      - Sana

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