Samstag, 22. April 2017

:)Rezension:): Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Grundwissen:



Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. (original: Before I Go To Sleep)
Autor/-in: S. J. Watson
Erschienen: Oktober 2012 im Fischer-Taschenbuch-Verlag
Seitenanzahl: 397 Seiten
Preis: 9, 99 € (Taschenbuch), 9, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Mystery; Drama; Thriller




Inhalt:



,,[...] wir verändern dauernd Tatsachen, schreiben unsere Geschichte neu, um Dinge einfacher zu machen, um sie unserer bevorzugten Version der Ereignisse anzupassen. Wir machen das automatisch. Wir erfinden Erinnerungen. Unbewusst. Wenn wir uns oft genug einreden, dass irgendetwas passiert ist, glauben wir es irgendwann und können uns schließlich sogar richtig daran erinnern.'' - Dr. Ed Nash (S. 232/233)



Als Christine Lucas aufwacht, entdeckt sie einen Fremden neben sich. Ein One-Night-Stand, denkt sie zunächst. Doch als sie sich im Spiegel entdeckt, stellt sie mit Entsetzen fest, dass sie zwanzig Jahre älter ist als sie annimmt. Nicht nur das, auch der Fremde stellt sich als ihr Ehemann Ben vor und erzählt ihr, sie habe seit einem Autounfall Amnesie. Unfähig, sich an ihre Vergangenheit zu erinnern und neue Erinnerungen zu bilden, begibt sich Christine heimlich in Dr. Nashs Behandlung. Mithilfe eines Tagebuchs soll sie alles, was ihr erzählt wird, festhalten - doch das, was sie in Erfahrung bringt, stimmt oft nicht miteinander überein. Kann Christine dem trauen, was man ihr erzählt?





Meine Meinung ...




zum Cover:




Deutsches Cover: ♥♥.♥
Originalcover: ♥♥




















Also aufgrund ihrer Cover sind diese Bücher bestimmt nicht auf die Bestseller-Listen gewandert. Das deutsche Cover könnte jeder x-beliebige Thriller auf dem Markt sein, genauso gut wie der Schmetterling einfach überhaupt nichts mit dem Thema des Buches zu tun hat. Denn weder der Butterfly-Effect noch Hannibal Lecter - wie ein Arbeitskollege witzigerweise von mir dachte - hat etwas mit diesem Werk zu tun. Der Titel ist allerdings nicht schlecht, auch wenn Christine den Gedanken, sich am Schlafen zu hindern, nie explizit äußert und sich auch nicht davon abzuhalten versucht.
Das Originalcover sieht sogar noch grausamer aus. Nicht nur, dass es nichts mit dem Inhalt zu tun hat und viel zu frostig aussieht, was soll dort überhaupt vermittelt werden? Der Titel ist ähnlich gut wie der deutsche, allerdings auch nichts Spezielles.




zum Buch:




Wie bewertet man ein Buch, das ein absoluter Pageturner, allerdings nichts Besonderes ist? Diese Frage spukt einem während des Lesens von Ich. Darf. Nicht. Schlafen. im Kopf herum, denn ebenso gespannt wie Christine jeden Morgen ihr Tagebuch liest, um ihr Gedächtnis auf den neuesten Stand zu bringen, genauso fliegt man selbst durch die Seiten.
Der Großteil dieses Buches ist in Tagebucheinträgen geschrieben, die Christine zur gleichen Zeit liest wie der Leser. Wer befürchtet, dass man dadurch eine zu große Distanz zur Geschichte bekommt, der kann gleich beruhigt werden, denn die Einträge sind sehr ausführlich und hautnah beschrieben. Natürlich könnte man hier anführen, dass dies die Einträge unglaubwürdig macht, da man sich wohl kaum so detailgetreu an jedes Gespräch erinnern könnte, allerdings wird das wieder durch die Tatsache aufgewogen, dass Christine früher sehr gerne schrieb. Dazu noch werden einem Erklärungen zu den verschiedenen Arten der Amnesie gegeben und darin erläutert, dass es ganz natürlich für Menschen ist, Lücken in Erinnerungen durch etwas Ausgedachtes, doch Plausibles zu füllen. Daher fühlt man sich doch sehr wohl in der Erzählweise und kann auch feine Unterschiede feststellen, wenn die Handlung wieder in die Gegenwart zurückkehrt. Generell ist der Schreibstil ein stetiger Wechsel zwischen kurz angebundenen und sehr ausschweifenden Sätzen, weswegen man schnell vorankommt. Obwohl nicht viel passiert und alles auf sehr klaustrophobischem Raum stattfindet, nimmt man Christines Suche nach ihrer Vergangenheit und ihrem Leben als sehr spannend wahr. Auch dass ihr Alltag - wenn man ihn als solchen betiteln kann - recht eintönig ist stört das Gesamtbild überhaupt nicht. Denn welche aufregenden Dinge außerhalb des eigenen Hauses sollte eine Person erleben, die jeden Tag aufs Neue ihre Erinnerungen und ihre Identität verliert?
Diese Thematik verleiht dem Buch auch eher die Stimmung eines Dramas statt Thrillers, denn man lernt die Geschichte einer gebrochenen Frau kennen, die sich an nichts klammern kann. Schließlich auch noch zu erkennen, dass die Geschehnisse, von denen ihr erzählt wurde, nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, lässt einen mit ihr mitfühlen und bringt einem auch ihre bedrückte Stimmung näher. Der Autor schafft es, dass man Christine trotz oder vielleicht wegen ihrer Bruchstückhaftigkeit und fehlenden Identität als echten Menschen wahrnimmt, was gar nicht mal so leicht zu schaffen ist. Ihre Gedankengänge und Emotionen sind immer sehr nachvollziehbar, weswegen man sich sehr gut in ihre grauenhafte Lage hineinversetzen kann. Vor allem ihr wechselseitiges Verhältnis zu Ben, dem sie sich einerseits in Liebesdingen verpflichtet fühlt, weil er ihr Mann ist und sich seit Jahren um sie kümmert, andererseits nichts mit diesem Fremden anzufangen weiß, ist gut beschrieben und teilweise wirklich herzzereißend.
Leider kommen die anderen Figuren ein wenig kurz, insbesondere Dr. Nash als Christines Therapeut. Außer dem Leser Informationen über die Arten von Amnesie näherzubringen und Christine jeden Tag anzurufen, damit sie ihr Tagebuch findet, hat er nur sehr wenig zu tun und wirkt häufiger wie ein Fähnchen im Wind. Denn obwohl er meint, über sie recherchiert und gezielt nach ihr gesucht zu haben, richtet er sich immer nur nach ihren ,,Erinnerungen'' bzw. dem, was Ben Christine erzählt und was sie demzufolge nacherzählt. Angesichts dessen, dass ihr Fall aber ein wenig Medienreichweite erlangt hat, ist das nicht besonders realistisch. Ebenso schade ist es, dass man zwar Bens Trauer und Verzweiflung wegen seiner Situation mitbekommt und um ihn herum immer eine gewisse Schwere in der Luft liegt, allerdings erfährt man kaum etwas über die vergangenen Jahre oder wirklich etwas, was mehr als nur Mutmaßungen seitens Christine wären. Dabei wäre es bei diesem Thema mehr als vorteilhaft, wenn man seine Gefühlslage breit beleuchtet hätte.
Denn was Erinnerungen mit Menschen tun und weshalb sie so wichtig sind, hat S. J. Watson breit ausgefächert thematisiert. Dass er zwei verschiedene Arten von Amnesie kombiniert, ist nicht unbedingt toll, weil man merkt, dass er dies nur so gemacht hat, damit Christine als unzuverlässiger Erzähler funktioniert, aber die Umgangsform damit wirkt dafür umso realistischer. Sowohl Christine als auch ihr Umfeld können nur schwer damit klarkommen, es kommen Fragen auf, inwiefern Beziehungen zueinander noch gelten, wenn die Momente mit diesen Personen praktisch verschwunden sind. Ebenso die Fragen nach Emotionen in diesem Zusammenhang und auch ob es nicht vielleicht besser wäre, all das Schlechte von dem Amnesiepatienten fernzuhalten, regen zum Nachdenken an und fügen der Geschichte eine gewisse Tragik hinzu.
Wäre dieses Buch dem Genre Contemporary mit einem guten Schuss Drama zugeordnet worden, so wäre es sogar ziemlich gut. Doch da es überall als Thriller deklariert wird, wird man während des Lesens in seiner Begeisterung doch ein wenig gedämpft. Denn man rutscht zwar durch die Seiten, allerdings ist es fast von vorneherein klar, worauf der Autor hinauswill. Zwar ist die ständige Suche nach Christines wahrer Vergangenheit gut gemacht, allerdings kann man sich sofort denken, warum Ben ein solches Trara darum macht. Man muss nur an die offensichtlichste Lösung denken, und genau diese ist es. In die Irre führen kann Watson einen also nicht, auch wenn er sich sichtlich Mühe gibt. Auch Christines plötzlich auftauchende Erinnerungen wirken immer öfter sehr konstruiert, genauso wie ihr auf alles andere als kluge Weise versucht wird, ihr sie auszureden. Da hätte der Autor wesentlich mehr Mühe hineininvestieren müssen, genauso wie in das Finale. Selbst wenn Christine verwirrt ist, es gibt keinen Grund, warum sie sich so leichtsinnig verhalten sollte. Daher ist das Finale zwar recht spannend, endet allerdings in einem viel zu gewollten Happy End, was angesichts der düsteren Stimmung im restlichen Buch einem Stilbruch gleichkommt. 




Insgesamt ein Buch, das einen sehr zwiegespalten zurücklässt. Denn wäre es als Drama vermarktet worden, wäre diese Schwermütigkeit innerhalb der Geschichte viel positiver im Gedächtnis geblieben, ebenso wie die starke Konzentration auf Christines Entwicklung. Ihr fühlt man sich auch recht nahe und liest ihre Einträge sehr gerne, vor allem weil sie als unzuverlässige Erzählerin funktioniert, allerdings hätte man viel mehr aus den anderen Figuren machen können. Genauso wie die Erinnerungen hätten spezieller sein und nicht ganz so ex machina daherkommen können, da der Autor zunehmend konstruierter schreibt und deswegen vor allem das Ende und die Erklärungen dazu recht ungeschliffen wirken. Als Thriller kann man also nicht wirklich behaupten, dass es mehr als nur durchschnittlich ist, auch wenn man sich ständig gezwungen sieht, weiterzulesen. Vielleicht für diejenigen eine Empfehlung, die in das Genre Thriller einsteigen wollen, für alle anderen hingegen nur eingeschränkt.




Ich gebe dem Buch:


♥♥ Herzchen


Extra:



Verfilmt wurde dieser ,,Thriller'' unter demselben Namen, unter anderem mit Nicole Kidman. Der Trailer sieht zumindest ganz nett aus.


CU
Sana

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen