Mittwoch, 12. April 2017

:)Rezension:): Harpyienblut

Grundwissen:


Titel: Harpyienblut
Autor/-in: Daniela Ohms
Erschienen: März 2012 Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag (Hardcover)
Seitenanzahl: 429 Seiten
Preis: ab 0, 23 € (Hardcover); 10, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Fantasy; Young Adult; Romance




Inhalt:



Was für einen Sinn sollte es haben, wenn sie dem Plan folgte? Warum sollte sie nicht ihre eigenen Entscheidungen treffen, für Gerechtigkeit sorgen, wenn es die Bestimmung schon nicht tut?- S. 265



Lucie hatte es von Anfang an nicht leicht in ihrem Leben: Nicht nur wurde sie von ihrer leiblichen Mutter ausgesetzt, auch lebt sie seit einem Jahr bei ihrer Tante, da ihre Ziehmutter verstorben ist. Sie verschwindet nachts, schwänzt manchmal die Schule und hat große Probleme, ihrer neuen Familie zu vertrauen, angeblich wegen den Narben, die ihren Körper am Rücken und an der Brust verunstalten. Doch das Problemkind versteckt sich hinter dieser Unnahbarkeit, denn in Wahrheit ist sie ein Harpyienblut - halb Mensch, halb Harpyie; ein Geheimnis, das sie nur mit ihrer Ziehmutter teilte. Doch Sergej aus ihrem Volleyballteam scheint es entschlüsselt zu haben, und als sie auch noch beginnt, von einem geheimnisvollen Schmetterlingsjungen zu träumen, entwickelt sich aus Lucies geheimen Nachtflügen ein unfreiwilliger Pakt mit dem Tod ...






Meine Meinung ...




zum Cover:




Originalcover: ♥♥♥♥♥




Das ist doch mal ein echter Hingucker! Sowohl die düstere Farbgebung in den Farben des Gefieders einer Harpyie, als auch das Ei im Nest, aus dem mutmaßlich Lucie gerade schlüpft, ist einfach nur ein reiner Augenschmaus und mal etwas Anderes im Fantasy-Genre. Dadurch und auch durch den Titel weiß man auch direkt, auf welche mythische Kreatur man sich einlässt, ohne jedoch schon mit der Nase auf die Handlung gestoßen zu werden.
Rundum gelungen, gehört wahrscheinlich zu den Lieblingen in meinem Regal!




zum Buch:





Mittlerweile erwecken viele Bücher im Fantasy-Bereich, auch in Kombination für Jugendliche, den Eindruck, als könnte das Rad nicht mehr neu erfunden werden. Ein normales Mädchen oder ein durchschnittlicher Junge treffen auf eine neue, geheime Welt, die sie total toll finden, gleichzeitig aber immer schwerer macht, normal zu sein. Diese Grundstruktur ist gefühlt so alt wie die Welt - muss die Anlehnung an ein altes Schema denn unbedingt schlecht sein, wenn die Idee aber trotzdem gut ausgearbeitet ist?
Harpyienblut ist der Beweis dafür, dass alte Schemata auch heute noch gut funktionieren können, wenn man denn bereit ist, geistig genug in seine eigene Geschichte zu investieren. Dies hat Daniela Ohms definitiv, denn nicht nur verwendet sie Figuren der Mythologie, die auf dem Buchmarkt nicht sonderlich weit verbreitet sind, auch macht sie sich eine Menge aus ihnen und investiert viel Zeit darin, sie dem Leser zu erklären. Vor allem, dass sie sich nicht auf eine Beschreibung dieses Wesens festgelegt hat, sondern all die verschiedenen Überlieferungen einfach als verschiedene Arten von Harpyien interpretiert hat, ist sehr gut und überzeugend gemacht. Gespannt erfährt man mit Lucie Stück für Stück mehr über die Kreaturen, von denen sie abstammt, und findet sich sehr gut darin zurecht. Es gibt keine auffälligen Logiklücken oder Einzelheiten, die extra so gedreht wurden, damit etwas funktionieren kann, und ist generell einfach nur stimmig. Auch wie Lucie sich verändert und die Grenzen zwischen ihrer Menschlichkeit und ihrer animalischen Seite verschwimmen, ist sehr interessant und packend, weswegen man trotz der ruhigen Stimmung sehr mit ihr mitfiebert.
Denn obwohl Lucie seit ihrer Geburt Flügel besitzt und fliegen kann, ändert sich doch so Einiges in ihrem Leben, als sie auf Sergej und den ,,Schmetterlingsjungen'' Jean trifft. Sie lernt, was ihre Bestimmung als Harpyie ist, schwankt zwischen der Welt der Lebenden und Toten und wird aus diesem Grund bis zu einem gewissen Grad wahnsinnig. Zu sehen, wie ihr sowieso schon mürrischer und einzelgängerischer Charakter an ihrer unfreiwilligen Aufgabe zerbricht, ist sehr ergreifend und überraschend ernst ausgestaltet. Vor allem die Komponente der Freundschaft mit Emilia, die sie immer wieder belügen muss, fügt dem Ganzen noch zusätzlich einen Schuss Dramatik hinzu, beigemischt zu einer sehr glaubwürdigen platonischen Basis zwischen zwei Mädchen. Daher ist Lucie ein ziemlich interessanter Hauptcharakter, der praktisch seit dem ersten Atemzug ihr wahres Ich verbergen muss und nun mit den Konsequenzen leben muss, wenn es unkontrolliert ausbricht. Sie ist zwar nicht sonderlich aufgeweckt oder interessiert sich sonstwie für das, wofür sich Mädchen in ihrem Alter normalerweise interessieren, jedoch ist genau das so erfrischend an ihr. Denn woher sollte sie die Zeit nehmen und woher die Lust, sich für menschliche Beschäftigungen zu interessieren, wenn sie doch von Tag zu Tag unmenschlicher wird? Das ist wirklich gut auf den Punkt gebracht und macht sie zu einem glaubwürdigen Charakter.
Auch die anderen Figuren sind, wenn auch nicht auf den ersten Blick, ziemlich interessant und haben alle ihre Schwierigkeiten und Geschichten. Insbesondere bei Jean schlägt sich das nieder, denn von seiner Persönlichkeit her bietet er einem kaum etwas Neues, dafür aber eine Fülle an Ereignissen, die ihn geprägt haben. Auch Sergej und Emilia findet man halbwegs sympathisch und kann ihre Handlungsweisen recht häufig nachvollziehen. Die Beziehungen zueinander sind glaubhaft und in einigen Fällen auch authentisch dargestellt, und genau deswegen stört man sich auch nicht an dem aufkommenden Liebesdreieck. Ab und an fühlt es sich zwar schon etwas überzogen an, ja, doch durch das World-Building und die Einfühlsamkeit der Autorin gegenüber ihren Figuren kann man es nachvollziehen. Notwendig wäre es für die Geschichte definitiv nicht gewesen, genauso wie es manchmal - animalische Triebe hin oder her - manchmal doch etwas sehr häufig um Sex geht, allerdings hat man so was wirklich schon viel schlimmer erlebt. Vor allem Lucie jammert einfach nicht über ihre Situation, zwischen zwei Männern zu stehen, und stellt sich auch nicht an wie ein triebgesteuertes Naivchen, das nie in ihrem Leben eine Entscheidung getroffen hat.
Die Geschichte beschränkt sich sehr auf das Kennenlernen der Harpyienwelt und auf die vierköpfige Clique. Deswegen können sich einige Passagen durchaus strecken, sind aber trotzdem nicht unbedingt langweilig. Man erlebt mit, wie Lucie geholfen wird, ihr wahres Ich im Zaum zu halten, welche Geschichten erfunden werden, damit ihre Familie nicht misstrauisch wird, und wie sich die Konstellation bei den einzelnen Charakteren ändert. Daher gibt es schon immer etwas, das einen weiterlesen lässt, vor allem wenn tiefgründige, philosophische Gespräche geführt werden. Diese verändern Lucie auch schließlich und sorgen dafür, dass die Handlung ein wenig in Schwung und eine bestimmte Richtung geht. Diese ist auch vor allem in den letzten Kapiteln spannend ausgestaltet und folgt auch keinem 0815-Schema.
Leider sind diese letzten, spannenden Seiten zugleich ein wenig enttäuschend. Denn Daniela Ohms hat etwas Neues aus einem alten Schema gemacht, ohne jemals in die Klischeekiste zu greifen. Warum also muss sie dies gegen Ende verändern? Nicht, dass das Ende nicht gut wäre, es ist sinnvoll und wird die meisten Leser wohl zufriedenstellen, aber man hätte sich vor allem wegen den längeren Passagen im Mittelteil ein längeres Finale erwartet. Stattdessen wird es verhältnismäßig schnell abgefrühstückt und kommt mit einem Ende daher, das eher erzwungen happy wirkt. Daher geht man zwar nicht unzufrieden aus der Geschichte, doch man fragt sich eben, warum alles auf einmal so schnell gehen musste und das Ende so konträr zum ganzen restlichen Buch ist.



Alles in allem ein überdurchschnittlich guter Urban-Fantasy-Roman für Jugendliche, der durch die Stimmigkeit seiner fantastischen Elemente und eine tolle Ausarbeitung der Mythologie besticht. Ebenso sind einige Charaktere mal etwas anderes, und deren Alltag mit Lucie als Harpyie mitzuverfolgen, ruhig und stimmungsvoll erzählt. Zwar ist genannte Stimmung oft düster, allerdings wundert einen das bei den Thematiken, die hier aufgegriffen werden, auch nicht. Besonders geeignet ist das Buch für diejenigen, die mal sehen wollen, dass Fantasy auch mal anders geht und das, selbst wenn in die Kiste der typischen Bestandteile gegriffen wird, diese gut sein können, wenn aus ihnen was gemacht wird. Nur am Ende scheint die Autorin dieses Talent nicht mehr genutzt zu haben, was dem Buch ein wenig seinen Kick genommen hat.




Ich gebe dem Buch:


♥♥♥♥ Herzchen



Extra:



Auch wenn dies Daniela Ohms' Debüt war und es nicht unbedingt erfolgreich war, aufgehört zu schreiben hat die gute Dame nicht. Die Insel der Nyx ist eine zweiteilige Fantasy-Reihe, die ihr hier einsehen könnt, ebenso wie ihre Contemporary-Geschichte Winterhonig.




CU
Sana

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