Donnerstag, 23. März 2017

:)Rezension:): Untreue

Grundwissen:



Titel: Untreue (original: Adultery)
Autor/-in: Paulo Coelho
Erschienen: 2013 im Diogenes-Verlag
Seitenanzahl: 320 Seiten 
Preis: 19, 90 € (Hardcover); 11, 00 € (Taschenbuch); 8, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Drama; Contemporary




Inhalt:


''Going after a dream has a price. It may mean abandoning our habits, it may make us go through hardships, or it may lead us to dissappointment, et cetera. But however costly it might be, it is never high as the price paid by people who didn't live.'' - Linda's Ehemann (p. 239)


Linda hat eigentlich alles, was man sich wünschen könnte: Einen wundervollen Mann, tolle Kinder, einen gut bezahlten Job, die Möglichkeit, die Welt zu entdecken. Alles, was einen Menschen glücklich machen sollte. Doch seit einigen Wochen kriegt Linda den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass das doch nicht alles sein kann. Sie sucht verzweifelt nach einer Möglichkeit, ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben. Schließlich trifft sie auf Jacob, einen ihrer Exfreunde, der mittlerweile Politiker ist und den sie für ihre Zeitung interviewen soll. Doch es werden wesentlich mehr als Worte zwischen den beiden ausgetauscht, sodass Linda der Versuchung nach einer Affäre immer weniger widerstehen kann. Denn vielleicht wird ihr genau das aus ihrer Unzufriedenheit helfen?





Meine Meinung ...




zum Cover:




Deutsches Cover: ♥♥♥.♥
Englisches Cover: ♥♥♥.♥
Originalcover: ♥♥♥.♥




Die Cover sehen wie so häufig alle gleich aus und passen auch relativ gut zum Buch. Die Kirschen könnten hierbei für die Versuchung stehen, was natürlich zum Thema der Untreue passt. Allerdings geht es in diesem Buch nicht hauptsächlich ums Fremdgehen, weswegen der Titel zwar einen Teil dessen, worum es geht, beleuchtet, allerdings nicht alles. Das ist verdammt schade, weil der Aspekt des Fremdgehens eher nur ein Mittel zum Zweck ist.
Alles in allem allerdings ein schlichtes, klassisches Cover, das genau deswegen besticht!




zum Buch:




Paulo Coelho ist zwar ein Bestsellerautor, allerdings keinesfalls etwas für jeden. Denn in jedem seiner Bücher - zumindest in jedem, das ich bisher von ihm gelesen habe - spielen eher die Philosophie zu bestimmten Themen und vor allem seine Ansichten dazu eine größere Rolle als die Figuren oder die Handlung. Diese sind eher exemplarisch, werden dazu benutzt, die Message des Autoren rüberzubringen und sind folglich nicht sonderlich spannend oder interessant gestaltet. Normalerweise stört einen dies auch nicht unbedingt, da der Autor häufig sein Thema so gut mit Beispielen und Gedankengängen bestückt, dass dies den Leser stattdessen in den Bann ziehen und immer wieder belehren kann.
Untreue hingegen wird vonseiten vieler als sein bisher schlechtestes Werk kritisiert, und das über die gewöhnliche Kontroverse, die er schafft, hinaus. Ist diese Kritik denn nun berechtigt und hat Coelho wirklich nachgelassen?
In zumindest einem Fall kann und muss der Autor deutlich kritisiert werden, nämlich in seinen Ansichten zu Mann und Frau im Bezug auf das Thema Fremdgehen. Zwar zeigt er in Elf Minuten, einem Buch über Liebe und Sex, dass er Frauen nicht als zweitrangig ansieht, sondern im Gegenteil dafür einsteht, dass jeder seine Gefühle und Sexualität frei ausleben sollte, doch in Untreue scheint diese Einstellung zu kippen. Als könne er sein eigenes Geschlecht dadurch erklären, meint er sich herausnehmen zu müssen, für alle Männer zu sprechen und zu sagen, dass diese den Instinkt des Fremdgehens genetisch verankert hätten, während Frauen doch so viel mehr Selbstbeherrschung hätten und so der Ehebruch von Frauen nicht so häufig vorkäme. Dies ist allerdings bestenfalls Kindergartenpsychologie und kann und sollte nicht so pauschalisiert werden. Dieses Thema besitzt ein so großes Spektrum, da kann man einfach nicht sagen, dass generell Frauen sich selbst eher beherrschen können und Männer aufgrund ihres damaligen Daseins als Höhlenmenschen es gewohnt gewesen waren, einen Harem an Frauen um sich zu haben. Man besitzt wesentlich breiter gefächerte Gründe, und keines von diesen ist geschlechterspezifisch. Zwar hat der Autor nicht viele Einstreuungen solcher Art, jedoch ist in solchen Fällen schon ein Mal zu viel, denn wenn man etwas zur Bildung einer Meinung nicht braucht, dann sind es Stereotypen.
Eine ebensolche Schwäche des Buches ist, dass Coelho es nicht lassen kann, seine Themen in irgendeiner Weise mit Religion zu verknüpfen. Dies muss zwar nicht unbedingt schlecht sein, jedoch erscheint es im Zusammenhang mit dem Thema unpassend und zusammengeschustert. Natürlich könnte man das Thema Fremdgehen mit Gott verknüpfen, da es mit den Zehn Geboten und Nächstenliebe zu tun hat, allerdings scheint Coelho sich nicht tiefer mit den Verbindungen zwischen diesen Thematiken beschäftigt zu haben, sondern es in ein, zwei Kapiteln noch irgendwie, irgendwo dazwischenschieben zu wollen. Aus diesem Grund wird der Lesefluss etwas gehemmt, sodass der Leser sich fragt, warum Linda ausgerechnet jetzt über Gott nachdenkt, zumal sie kein sonderlich religiöser Mensch ist.
Abgesehen davon jedoch hat Untreue kaum negative Kritikpunkte zu bieten. Es verspricht einem anfänglich zwar eine andere Geschichte, als letztlich erzählt wird, allerdings kann man doch positiv davon überrascht werden, wie gut der Autor diesen anderen Weg beschreitet. Zu Anfang nämlich wird man mit einer ziemlich unzufriedenen Linda konfrontiert, die sich bemüht zu verdrängen, dass ihr etwas Entscheidendes in ihrem Leben fehlt und sie aufgrund dessen immer öfter in depressive Verstimmungen verfällt. Sie sinniert darüber, wie viele Wünsche sie früher als Teenager zu haben pflegte, wie die Menschen häufig die Sicherheit über ihre eigenen Freiheiten und Träume stellen, wie sie ihre Sehnsüchte unter dem Mantel aus grauem Alltag begraben und sich schließlich damit arrangieren, eine gleichgültige Miene aufzusetzen und im Geheimen zu leiden - und möchte dort raus, schafft es aber nicht, sich dazu aufzuraffen. In diesen ersten Kapiteln des Buches schafft es der Autor wirklich, einem die Tränen in die Augen zu treiben. Durch den schlichten Schreibstil ohne viele Besonderheiten - außer die bereits erwähnte große Portion Philosophie mit belehrendem Ton - wird diese Leere und Hoffnungslosigkeit Lindas unterstrichen, die den Leser komplett in ihren Bann zu ziehen und in eine ähnliche Stimmung zu setzen vermag. Denn Lindas Zustand beschreibt eigentlich jenen, vor dem die meisten Menschen furchtbare Angst haben: Das Gefühl zu haben, alles erreicht zu haben, und nun nur noch vor sich hin zu existieren, ohne wirklich zu leben. Man kann sich mit ihrem Schmerz und ihrer Ohnmacht sehr gut identifizieren, ebenso wie man nachvollziehen kann, warum sie ihrem Mann lange nichts davon sagt und diese Gedanken verdrängt. Denn wer würde schon gerne zugeben, dass er unglücklich ist, obwohl er alles hat, was man zum Leben braucht?
Dies ist auch ein Kritikpunkt vieler, die dieses Buch gelesen haben, nämlich dass Linda sich völlig undankbar verhält und diese Affäre nur anfängt, weil sie nichts anderes mit ihrem Leben anzufangen weiß. Zwar stimmt es durchaus, dass Linda sich auf dasjenige, was sie zu ihrem Problem macht, einschränkt, und davon abgesehen wenig Raum für einen breitgefächerten Charakter geschaffen wird, allerdings passt es in dem Kontext sehr gut zur Geschichte. Linda soll leer sein und sich in ihrem Alltag vollkommen verloren haben, und es ist nicht so, dass sie sich nicht darüber im Klaren wäre, dass sie diese Affäre aus egoistischen Gründen beginnt. Häufig erwähnt sie ihre Langeweile, das Gefühl, nichts Neues mehr an ihrem Mann entdecken zu können, ihre Lust auf Abenteuer, dass in ihrer Beziehung zu ihrem damaligen Exfreund widerstreitende Gefühle stecken. Doch genau dies ist der Punkt - sie versteht die Hintergründe ihres Handelns selbst nicht in Gänze, schwankt ständig zwischen einer neuen frischen Liebe zu dem Politiker und einer rein sexuellen Anziehung zu diesem, weiß nicht, was sie will. Und kann man dies einem Charakter wirklich zum Vorwurf machen, wenn Coelho doch die Geschichte genau einer solchen Figur erzählen wollte?
Natürlich kann man anmerken, dass die Handvoll Figuren, die er einführt, relativ flach sind, von dem philosophischen Aspekt mal abgesehen. Sie sollen eher Stellvertreter sein für eine Gruppe von Menschen, funktionieren in diesen Rollen jedoch so gut, dass einem die fehlende Ausarbeitung und Detailverliebtheit der Charaktere kaum etwas ausmacht. Wie bereits erwähnt, kann man Lindas Suche nach Glück, die sie glaubt, in einer Affäre zu finden, gut nachvollziehen, und auch Jacobs Motive, sich auf sie einzulassen, sind gut erläutert. Das einzig Enttäuschende an der Charakterzeichnung ist die von Lindas Mann, der nicht mal einen Namen hat. Denn da er ein wundervoller Mann sein soll, besitzt er auch keine Ecken oder Kanten, sondern verhält sich vor allem bezüglich des Ehebruchs so, wie es kein Mensch, egal ob Mann oder Frau, tun würde. Zwar bekommt er am Ende des Buches Raum geboten zu zeigen, wie er mit seinem Leben und dem, was daraus geworden ist, umgeht, allerdings hat die Konfrontation seiner Frau mit ihrer Untreue einfach gefehlt. Es hätte einen Knall geben müssen, wenigstens eine Meinungsverschiedenheit, denn so wäre die Geschichte noch realistischer geworden.
Denn trotz fehlender Details, die eine Geschichte wirklich lebendig machen, wirken die Geschehnisse relativ real. Coelho äußert in kleinen Häppchen seine Gesellschaftskritik an der digitalisierten Welt, die jeden Moment, in dem wirklich gelebt wird, aufzeichnet, und so den Moment nicht vollkommen erfasst, oder die an ihre Bildschirme geheftet sind, und so die kleinen Freuden im Leben nicht mehr wahrnehmen können. Doch nicht nur durch diese kleinen Details, die vermehrt auch an einige Denkanstöße aus Der Sieger bleibt allein erinnern, auch durch den Aspekt des Fremdgehens schafft er es, ein gewisses Verständnis für diejenigen aufzubauen, die ihren Partner betrügen. Zwar zeigt der Lauf seiner Geschichte, dass es niemals in Ordnung ist, dies zu tun, allerdings schafft er es durch die Ambivalenz von Lindas Gedanken, viele, für die Fremdgehenden plausible Gründe zu liefern, warum sie dieser Versuchung nicht widerstehen können. Zwar hätte dies noch etwas facettenreicher sein können, vor allem durch Gespräche zwischen Linda und Jacob, allerdings hat es auch so einen guten Einblick in das Thema geboten - wenn man von den oben erwähnten vollkommen steinzeitlichen Geschlechterrollen mal absieht.
Gegen Ende wendet Coelho die Geschichte wieder auf ihren Anfangspunkt, die Suche nach Lebendigkeit, zurück, und benutzt dazu auch andere Mittel als nur die Affäre, die ja auch häufig im echten Leben dazu genutzt wird, um seinem Leben neuen Pepp einzuhauchen. Die anderen Dinge, die der Autor anreißt, sind allerdings sehr schön beschrieben und zwar an einigen Stellen etwas sehr spirituell, doch keinesfalls unnachvollziehbar. Von der Gefühlswelt her ist man genauso aufgewühlt und darin gefangen wie noch am Anfang des Buches, diesmal allerdings ins Positive verkehrt - wenn man von den letzten zwei Kapiteln absieht. Zwar ist dieser Autor weltweit dafür bekannt, dass er die universelle Liebe als Antwort auf alles ansieht, jedoch waren diese letzten paar Seiten so schmalzig und kitschig und so übertrieben, dass man das Buch eher enttäuscht zuschlägt. Derart schwülstige, kariesverursachende Worte hätte man definitiv nicht gebraucht, zumal diese Antwort auf alle Fragen und Lebenslagen fast schon wie ein Allgemeinplatz wirkt und Coelho eigentlich alles andere als der Durchschnittsmensch ist.




Insgesamt ein Buch, das zurecht kontrovers ist. In einer mit schlichten und doch atmosphärischen Worten verpackten Geschichte erzählt Coelho von einer Frau, die wie so viele den Sinn des Lebens verloren hat und diesen nun unbedingt wiederfinden möchte - durch den Beginn einer Affäre. Die Gründe für diese unergründbare Traurigkeit und fürs Fremdgehen legt der Autor recht ambivalent und plastisch dar, auch wenn das Buch vermutlich besser gewesen wäre, wenn er sich nicht nur so sehr auf die Untreue fokussiert hätte, sondern auch auf andere Methoden, die Menschen ergreifen, um ihr Leben zu verändern. Wie immer ist es eher archaisch und exemplarisch zu verstehen, weswegen weder die Charaktere noch das Setting sonderlich ausgereift sind. Dies stört allerdings kaum, da man das, was der Autor einem mit diesen sagen will, trotzdem klar wird. Was allerdings stört, ist, dass er sich, obwohl er doch gut zu dem Thema recherchiert zu haben scheint, an einigen Stellen in Allgemeinplätzen und Stereotypen verliert, was weder seinem penetrant erhobenen Zeigefinger noch den Nerven des Lesers guttut. Nicht sein bestes Werk, jedoch auch nicht sein schlechtestes und sicherlich etwas für alle, die ein wenig Inspiration, einen Ratgeber oder einen kleinen Einblick in dieses Thema möchten!




Ich gebe dem Buch:


♥♥.♥ Herzchen



Extra:



Andere Bücher von diesem Autor habe ich bereits gelesen. Wen diese interessieren, der soll bitte auf meiner Rezensionsseite unter C nachschauen :3


CU
Sana

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