Sonntag, 9. Oktober 2016

:)Rezension:): Lolita

Grundwissen:


Titel: Lolita (original: Lolita)
Autor/-in: Vladimir Nabokov
Erschienen: 1955 im Olympia Press Verlag; 1958 im G. P. Putnam's Sons Verlag; 1999 im rororo-Verlag
Seitenanzahl: 510 Seiten (ohne Anhang; rororo-Verlag)
Preis: 29, 95 € (Hardcover); 11, 99 € (Taschenbuch) [Quelle: amazon.de]
Genre: Drama; fiktive Autobiographie; Klassiker




Inhalt:


[...] wer weiß, vielleicht beruht die Anziehungskraft, die die Unreife für mich besitzt, nicht so sehr auf dem offenbaren Liebreiz reiner, junger, verbotener Feenkindschönheit als vielmehr auf der Sicherheit einer Situation, in der grenzenlose Vollkommenheiten die Lücke zwischen dem kleinen Gegebenen und dem großen Verheißenen ausfüllen - dem großen rosagrauen Nie-zu-Erlangenden. - Humbert Humbert (S. 436f)


Kurz vor seinem Prozess vervollständigt Humbert Humbert seine Lebensgeschichte, die sich zum Großteil nur um ein Mädchen dreht: Dolores Haze. Seine Lolita, die ihn vom ersten Augenblick an unendlich fasziniert. Seine Lolita, die Tochter der Besitzerin seines Wirtshauses in Amerika. Seine Lolita, die erst zwölf Jahre alt ist und dennoch einen unfassbaren Reiz für den Pädophilen hat und ihn in eine lebenslange Obsession stürzt ...





Meine Meinung ...




zum Cover:


Englisches Cover Nr. 2: ♥♥♥
Englisches Cover Nr. 1: ♥♥♥♥



Deutsches Cover: ♥♥♥



Die Cover zu diesem Roman haben durch die Darstellung der Protagonistin alle eine gewisse Ähnlichkeit, sehen in den meisten Fällen aber nicht schlecht aus.  Vor allem die Darstellung des Mädchens auf dem ersten englischen Cover passt optisch und auch von ihrer Ausstrahlung her sehr gut, vor allem weil das Model etwas Geheimnisvolles und Kindliches an sich hat. Das zweite englische Cover ist ein wenig dunkel geraten, passt allerdings natürlich irgendwo auch, da das Buch sich nicht unbedingt mit einem leichten Thema beschäftigt und nur der Deckmantel zu Beginn rosarot und nach einer tragischen Liebesgeschichte aussieht. Das Covermädchen bei der deutschen Ausgabe hingegen zeigt die verwöhnte und nach Erwachsenwerden strebende in der Protagonistin, was Humbert erst dazu verleitet hat, überhaupt einen Blick auf diese Nymphette zu werfen.
Insgesamt also passable bis gute Gestaltungen, auch wenn sie alle zusammengefasst wohl den Kern des Romans am besten treffen könnten!




zum Buch:




Man kann den Skandal, den dieses Buch Mitte der 1950er Jahre ausgelöst hat, wohl mit ,,Büchern'' wie Shades of Grey oder der After-Reihe vergleichen, denn in allen drei Fällen sind die sexuellen und teils auch verpönten Inhalte dasjenige gewesen, was die meisten Leser wohl dazu animiert haben dürfte, den Hype hochzuschaukeln und kontrovers zu machen. Doch während sich bei den aktuellen Erotikromanen nichts hinter der dicken Luft verbirgt, ist der Aufschrei bei Lolita gerechtfertigt, und das aus vielen verschiedenen Gründen.
Zunächst die offensichtliche Parallele mit den beiden zuvor herangezogenen Büchern, die allerdings nicht so detailreich ist, wie sich das manche bei dem Thema Pädophilie vorstellen können. Es gibt nur wenige explizite Szenen, und sollten diese mal auftauchen, so sind sie weder erotisch noch so geschrieben, dass sie den Leser erregen könnten, vor allem durch den verträumten, leicht surrealen und blumigen Schreibstil Nabokovs. Zumindest wäre es doch sehr verwunderlich, wenn es jemand erregend fände, wenn davon die Rede ist, dass ein zwölfjähriges Kind ,,das Zepter'' eines Vierzigjährigen hält. Dennoch wirken die Szenen zwischen Lolita und Humbert Humbert sehr intensiv und faszinieren und widern den Leser gleichermaßen an, vor allem weil die Dynamik dieser beiden Charaktere durch den Schreibstil sehr gut vermittelt wird. Zusätzlich dazu ist die Atmosphäre des Buches so dicht, dass man sich ihr kaum entziehen kann, denn obwohl das Buch so dick ist, kommt man doch relativ schnell mit dieser Geschichte durch und kann sich ihr nur schwer entziehen, auch wenn der Autor einer der Sorte ist, der selbst ein Tennis spielendes Mädchen über fünf Seiten beschreiben kann, es aber trotzdem schafft, dass man dies nicht langweilig findet und einfach überspringt. Nabokov schafft es, aus jeder Situation und jeder Beschreibung etwas Besonderes und Eigenes zu machen; manchmal hat man tatsächlich das Gefühl, man würde seine Worte selbst dann noch gebannt verfolgen, wenn beschrieben wird, wie Erbsen gezählt und in ein Einmachglas gestellt werden. Vor allem bei den vereinzelten Roadtrip-Elementen innerhalb dieses Buches kommt die dichte, verträumte, teils auch gemütliche Atmosphäre sehr gut zur Geltung, ebenso wie die idealisierenden Beschreibungen Lolitas, die zeigen, wie obsessiv Humbert ihr gegenüber ist. Zwar sind die Schwächen der sehr ausschweifenden Ausführlichkeit nicht zu verkennen, ebenso wie es anstrengt, alle paar Seiten in den Anhang zu blättern, damit man Humberts Parodie oder Anspielung auf andere literarische oder lyrische Werke begreifen kann, jedoch ist das Gesamtpaket so überzeugend, dass man das verschmerzen kann.
Ebenso einnehmend ist, dass der Autor sowohl Humbert als auch Lolita sehr vielschichtig darstellt. Beide entwickeln sich zu schrecklichen Menschen, die über Leichen gehen, um an ihr Ziel zu gelangen, und sind auch keine Ausgeburten an Tugend, allerdings gehören sie doch irgendwo zu der Kategorie Charaktere, bei denen man es liebt, sie nicht zu lieben, in vielen Fällen sogar zu hassen. Auch wenn man über Lolitas Alter hinaus ist, so kann man doch - auch wenn man kein verwöhntes Gör ist wie sie - verstehen, weshalb sie sich von Humbert angezogen fühlt und ihn als Möglichkeit benutzt, alles zu bekommen, was sie sich nur wünscht, was in ihrem Alter doch tatsächlich der Traum eines jeden Mädchens ist und vielleicht sogar als hochgradig romantisch angesehen werden kann, auch wenn man natürlich sagen muss, dass das Mädchen sich prostituiert, um das zu erreichen, und dadurch verdirbt. Aus diesem Grund hasst man Humbert, der ihr die Möglichkeiten, ihre eigenen Wege zu gehen, nach und nach nimmt und sie ihrer Kindheit, letztlich sogar ihres Lebens beraubt, vor allem weil er die Schuld an dieser Angelegenheit gerne seinem Opfer zuschiebt und der festen Überzeugung ist, immer das Richtige zu tun. Trotzdem lugt man ihm bei seinen Worten gerne über die Schulter, da er ein sehr unzuverlässiger Erzähler ist, einige Dinge verdreht und generell eine andere Sicht auf bestimmte Themen hat als der Durchschnittsmensch. Auch wenn es merkwürdig klingt, so fühlt man sich in seinem kranken Kopf doch wohl und in einigen Fällen seinen Überzeugungen so ausgeliefert, dass man nur schwer drum herum kommt, kein Mitleid mit ihm aufgrund seiner unerwiderten Liebe zu empfinden. Dies trotz einer solchen Verkommenheit und Verderbtheit seines Charakters und der kleinen Welt, die er für sich und seine Lolita erschaffen hat, ist wahrhaftig ein Kunststück und zeugt deutlich von dem Talent Nabokovs.
Begleitet von Psychoterror, Manipulation und Erpressung nimmt das Buch auch Wendungen, die man an sich nicht erwartet, weswegen es in gewisser Weise genreübergreifend ist. Wenn man sich hiervon eine bloße Erotikgeschichte und ein Versteckspiel beider Beteiligter erwartet, so bekommt man definitiv viel mehr. Zwar hat das Buch keine handfeste Message und bis auf einige Bezüge zu älterer Literatur, in der von pädophilen Neigungen berichtet wird, nichts, worin man etwas hineininterpretieren könnte, aber doch gibt es wesentlich mehr her als eine Liebesgeschichte, eben weil dies eine pervertierte Form einer solchen ist und immer abstruser wird, je länger sie andauert. Nicht nur wird die Pädophilie ausführlich besprochen, ebenso wie die Ausreden, in die sich der Protagonist flüchtet, sondern so auch Träume kleiner Mädchen aufs Korn genommen und so auch hinterfragt, ob ein Leben voller Glamour um jeden Preis seinen eigenen Körper wert ist. Zusätzlich dazu tauchen vereinzelte Elemente eines Thrillers auf, die dieser dramatischen Erzählung eine gewisse Aufregung verleihen und die beiden einander verhassten Liebenden in brenzlige Situationen bringen. Es passiert in den paar Jahren an Handlung nicht so viel auf rein äußerlicher Ebene, dafür aber ist das Innenleben der beiden so interessant, dass es die an einigen Stellen fehlende äußere Handlung fast ausgleicht. In den letzten hundert Seiten ist die Luft aufgrund eines bestimmten Ereignisses sogar ein wenig raus, allerdings wird dies mit den letzten Kapiteln gut vom Autor übertüncht und schafft einen runden Abschluss für diese liebeskranke, abstruse und toxische Geschichte.




Insgesamt ein Roman, der die Welle, die er geschlagen hat, nicht ohne Grund ausgelöst hat. Ohne besonders explizit zu sein schafft es der Autor, einen in die Geschichte zu saugen und ebenso in das Geflecht zwischen Humbert Humbert und Lolita zu verstricken wie die beiden selbst es sind. Dies liegt vor allem an dem außergewöhnlichen Schreibstil, der es schafft, einen immer auf Trab zu halten und danach gieren zu lassen, wie es weitergeht, auch wenn an äußerer Handlung mehr hätte geschehen können. Zudem sind die Charaktere so wahnsinnig interessant und vielschichtig, dass man den beiden gleichsam den Tod als auch einen heilen Ausweg aus ihrer Situation wünscht. Die Ausführlichkeit und Blumigkeit, mit der Humbert häufig seine Gedankengänge beschreibt, dürften wohl nicht jedermanns Sache sein, ebenso wie die vielen Verweise auf andere Werke nervig auf einige Leser wirken könnten. Für jeden, der ein Freund großer Worte und Tabuthemen ist, geschockt werden will, ohne schockierende Darstellungen dazu zu brauchen, und etwas über eine zerstörerische Bindung lesen möchte - dem ist dieses Buch definitiv zu empfehlen!




Ich gebe dem Buch:


♥♥♥.♥  Herzchen


Extra:


Nabokovs berühmtestes Werk wurde bisher zwei Mal verfilmt. Hier könnt ihr euch die Verfilmung von 1997 auf YouTube ansehen.

CU
Sana

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