Samstag, 2. Juli 2016

:)Rezension:): Die Hassliste

Grundwissen:


Titel: Die Hassliste (original: Hate List)
Autor/-in: Jennifer Brown
Erschienen: August 2010 im dtv-Verlag (Hardcover); August 2011 im dtv-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 456 Seiten
Preis: 8, 95 € (Taschenbuch); 6, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Contemporary; Drama; Young Adult




Inhalt:


In his eyes I saw hopefulness and knew, with some amount of certainty, that despite what we might have said to one another we would both eventually forgive each other. Even if we could never forget. All it would take was time. - Valerie Leftman (p.394)


Fünf Monate ist es her, dass sich das Leben der Schüler der Garvin High School grundlegend veränderte. Seit die Garvin High täglich in den Medien war und bekannt wurde als die Schule, die einem Amoklauf zum Opfer fiel. Seit Valerie Leftmans Freund Nick die Pistole gezogen und seine Mitschüler für den Rest ihres Lebens gezeichnet hat, um sich danach selbst das Leben zu nehmen. Doch diese Mitschüler waren keine zufälligen Zielobjekte - sie standen ganz oben auf der Hassliste. Einer Liste, die Nick erweitert, doch Valerie erfunden hat, mit all den Personen, die ihnen jahrelang das Leben zur Hölle gemacht haben. Ein klarer Fall für die Öffentlichkeit: Valerie trägt eine Mitschuld an dieser Misere! Kein Wunder also, dass sie der Perspektive, in die Schule zurückzukehren, skeptisch gegenübersteht. Doch hat das junge Mädchen tatsächlich Schuld an der Sache? Kann man diese Schuld überhaupt jemandem zuschieben, wenn Hass nicht das Problem eines einzelnen, sondern einer ganzen Gesellschaft ist?






Meine Meinung ...





zum Cover:




Deutsches Cover: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥♥



Leider bin ich persönlich kein Fan solcher Cover mit eher abstrakten Zeichnungen eines Gesichts, insbesondere wenn so sehr mit den Kontrasten übertrieben wird wie auf dem deutschen Cover. Das sticht einem ja praktisch in die Augen, weswegen das Originalcover mit dem gleichen Motiv wesentlich angenehmer anzusehen ist. Auch ist es optisch ansprechender, dass der Titel innerhalb von der Träne eingearbeitet wurde statt oben rechts, weil diese Hassliste eben genau daraus entstanden ist: aus Tränen.
Das erste amerikanische Cover wirkt aufgrund dieses blassen Giftgrüns etwas kränklich, allerdings passen die beiden dargestellten Personen ganz gut zu Valerie und Nick sowie der sepiafarbene Hintergrund. Trotzdem ein leicht befremdliches Gefühl, sich das Cover anzusehen.
Insgesamt also eine Aufmachung, die dem Inhalt nicht gerecht wird.






zum Buch:



Ein Buch, das nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland seine Wellen geschlagen hat, als es erschienen ist. Angesichts des sehr kontroversen Themas auch kein Wunder - doch bedeutet kontrovers gleich gut?
In diesem Fall zumindest schon. Dies liegt vor allem an der sehr weitreichenden Auseinandersetzung mit der Thematik des Amoklaufs, der in den Tabuthemen einen sehr hohen Rang hat und selbst in Büchern, die sich Tabuthemen widmen, selten davon die Rede ist. Daher trifft man in der Hassliste auf ein Juwel, was die Auseinandersetzung mit der Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit angeht, da man es selten in einem Jugendbuch erlebt, dass Grauschattierungen und das strikte Ablehnen eines Schwarz-Weiß-Denkens so groß geschrieben werden. Teilweise ertappt man sich selbst dabei, wie man sich hinter einen der Charaktere stellen möchte, um zu sagen, dass man mit ihr sympathisiert und befürwortet, was er oder sie im Laufe des Buches tut und von sich gibt, jedoch gibt es niemanden, der eine reine Weste besitzt und den die Schießerei an der Garvin High nicht innerlich aufgeschürft hat. Dadurch wirkt jede Figur, selbst die Mobber von Nick und Valerie, die in anderen Büchern sehr gerne als das pure Böse dargestellt werden, sehr realistisch, sodass sich sicherlich für jeden Leser eine Person finden lässt, mit deren Wesen man sich im Ansatz identifizieren kann. Selbst die Nebencharaktere sind sehr plastisch und erwecken wegen ihrer Veränderung und ihrem Umgang mit diesem tragischen Ereignis Respekt im Leser, obwohl jeder es individuell auf seine Weise auslebt; der eine verändert sein Denken und möchte dazu beitragen, dass die Gemeinschaft zusammenrückt, andere - wie auch Protagonistin Valerie - kapseln sich ab und können mit all den Veränderungen nicht umgehen. Besonders gut gelungen ist Jennifer Brown allerdings die Rolle der Medien, die genau das tut, was so viele Personen sehr gerne tun: genau das Schwarz-Weiß-Denken anwenden, das Jennifer Brown so strikt ablehnt. Die Opfer weinen durch die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfahren ist, Schimpftiraden auf den Mörder werden losgelassen, die Schule rückt zusammen und erschafft ein eigenes kleines perfektes Reich, in dem jeder den anderen lieb hat und alles Friede, Freude, Eierkuchen ist - und wenn dies die Bevölkerung glaubt, dann wird sich sofort einem anderen Thema zugewandt und die Neuigkeit ruhen gelassen. Brown zeigt hingegen, dass der Amoklauf mehr ist als eine Schlagzeile, in der es Helden und Bösewichte gibt, sie zeigt, dass der Mörder zugleich ein Opfer ist bzw. war und einige, wenn auch nicht alle Opfer Täter sind, da sie den Mörder in eine bestimmte Richtung getrieben haben, dieses Attentat zu vollführen, oder aber unterlassen haben, diesen wieder auf den richtigen Weg zu geleiten. Dies so schamlos darzustellen und richtigzustellen, dass es bei so etwas keine eindeutigen Rollen gibt, sondern alles wesentlich komplexer und schwerer ist als die Medien gerne darstellen und die Menschen gerne annehmen würden, um ihre Trauer und Wut gegen jemanden richten zu können. 
Dadurch, dass Valerie zumindest an der Entstehung der Hassliste beteiligt gewesen ist, wählt Brown auch eine sehr prekäre Situation als Ausgangslage, da sowohl Valerie den Fehler begeht, gegen die Darstellung von ihr als Komplizin in den Medien richtigzustellen, als auch ihre Freunde und weitere Schüler und Eltern sie an den Pranger stellen, ohne ihre Version der Geschichte zu hören. Selbst die Polizei und ihre eigenen Eltern wollen nur das sehen, was sie sehen wollen, sodass Valerie einen Stempel aufgedrückt bekommt, der es ihr erschwert, mit ihrer Trauer über den Verlust einer geliebten Person und ihren Schuldgefühlen, dass sie nicht bemerkt hat, dass mit Nick etwas nicht stimmt, umzugehen und an der Situation zu wachsen. Die Autorin beschreibt die Verzweiflung und den Ärger in ihr wegen diesen Vorurteilen, fehlendem Vertrauen und ihrer eigenen Unaufmerksamkeit sehr gut, man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen, auch wenn man nicht alles befürwortet, was sie tut. Man versteht jedoch ihre misstrauische Haltung gegenüber anderen und ihre Hilflosigkeit darüber, dass ihre eigenen Eltern ihr nicht mehr über den Weg laufen können. Dadurch ist sie eine sympathische und sehr runde Protagonistin, für die man nur das Beste wünscht und die man gerne bei ihren Aufs und Abs innerhalb der Geschichte begleitet. Man empfindet es zu keinem Zeitpunkt als nervig, wenn sie sich über ihre Situation beschwert oder einigen Personen im Laufe des Buches nicht vertrauen kann, da man insbesondere im Zuge ihres Elternhauses und ihrer früheren Erfahrungen mit einigen Personen verstehen kann, warum sie so handelt und sich so schwer tut, etwas für eine Verbesserung zu tun.
Dies lässt sich allerdings auf nahezu alle Charaktere, die man näher kennenlernt, beziehen, da man jede Reaktion nachvollziehen kann, so dramatisch, gemein oder traurig diese auch sein mag. Man versteht den Kontrollzwang von Vals Mutter, man versteht, warum einige Mitschüler sie hassen, man versteht sogar, weshalb Valerie Androhungen erhält, und man versteht, warum eine Schülerin, der eine Kugel direkt ins Gesicht geschossen wurde, direkt aus dem Klassenraum rennt, als Val diesen betritt. Vor allem im Bezug auf familiäre Probleme hat Brown also großartige Arbeit geleistet, ebenso wie mit den Beziehungen untereinander, wobei insbesondere die zwischen Nick und Val wirklich realistisch wirkt und man merkt, warum Val anfangs nicht glauben kann, dass er - und damit auch sie - für diese Ereignisse verantwortlich ist.
Außerdem ist das Buch nicht nur wunderbar geschrieben, sondern hat auch eine reichlich düstere Atmosphäre, die nur selten von so etwas wie einem Hoffnungsschimmer durchzogen wird. Man muss also tatsächlich in der Stimmung für ein ernstes Buch sein, auch wenn es natürlich auch unterhält, jedoch fällt einem persönlich auch auf, dass insbesondere im Sommer die Stimmung des Buches doch recht bedrückend ist und man so die Lust daran verlieren kann. Trotzdem passt dies sehr zur Geschichte, da abgesehen vom Amoklauf auch andere Probleme wie Mobbing, Depression und Suizid behandelt werden und es so natürlich unangebracht wäre, daraus ein typisches Sommerbuch zu machen. Es ist sehr fesselnd, Browns Worten zu folgen und Kapitel um Kapitel zu lesen, vor allem wenn es sich um die Berichtsabschnitte einer Zeitung handelt, die über die Opfer der Schießerei spricht. Dennoch ist vor allem der zweite Teil des Buches dadurch, dass erst stückchenweise und später alle Erinnerungen an die Schießerei auf einmal beschrieben werden, etwas gestreckt, sodass man das Gefühl bekommt, als hätte die Autorin nicht so recht gewusst, wann sie all das hätte einbauen sollen, ebenso wie die Geschichte an einigen Stellen vor sich hinplätschert.




Ein Buch mit einer sehr großen Aussage, nämlich dass es im Leben und bei tragischen Ereignissen kein Schwarz/Weiß gibt und man alle Seiten anhören sollte, bevor man die Entscheidung trifft, jemanden zu verurteilen. Dadurch sind alle Figuren sehr realitätsnah und nicht ohne Makel, was die Message der Autorin großartig unterstützt. Ebenso ist es sehr flüssig geschrieben und ist ein richtiger Pageturner trotz des düsteren Themas, das einen vor allem gegen Ende, wenn die Geschichte langsam aber sicher eine große Wende genommen hat, zu Tränen rührt und sicher den ein oder anderen auch nach dem Lesen noch begleiten wird. Eine klare Empfehlung!




Ich gebe dem Buch:


♥  Herzchen



Extra:


Ein englischer Buchtrailer *klick mich!*

CU
Sana

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