Donnerstag, 21. Juli 2016

♥Dankeschön♥

,,Irgendwann vielleicht, noch nicht morgen, schau ich diesem Schritt mit einem Lächeln hinterher.'' - Irgendwann vielleicht, Ambre Vallet


Eine Zeit lang ging es mir wirklich schlecht. Ich wollte mich nicht mehr sehen, ich wollte mich nicht mehr spüren, ich wollte, dass das Fleisch von meinen Knochen gefressen wird und ich diese Welt nie mehr würde sehen können. Klammerte mich an einem kleinen Detail fest, das mich in Wirklichkeit fraß und mich mich selbst noch mehr vergessen ließ. Ich habe mich gehasst, mich verhungern lassen, mich ausgekotzt und mich von anderen zuschneidern lassen wie eine Stoffpuppe. Zieh den Faden auf, und ich sage dir das, was du willst.
Dann kam eine Zeit, in der es ein wenig besser wurde, in der ich mich weniger hasste, aber schon mit mir abgeschlossen hatte. Den Schulabschluss machen, damit die Eltern stolz auf einen sind, und dann, ganz zufällig, irgendwo versinken und nie wieder auftauchen. Vorzugsweise sterben, denn innerlich war ich das ja so gut wie. Verbarrikadiert hinter Mauern lag ich da, konnte und wollte mich nicht bewegen, und konnte kein Licht mehr um mich herum sehen - außer dieses eine künstliche, das ich mir erschaffen hatte.
Und dann kamst Du. Durch so viele verschiedene Zufälle, dass ich zum ersten Mal in Erwägung gezogen habe, dass es so etwas wie ein Schicksal gibt. Es war nicht perfekt, wir haben beide Dinge gemacht, die den anderen verletzt haben, die uns teilweise auch fast zerstört hätten. Nicht, weil es zwischen uns nicht gepasst hätte, sondern weil wir als Puzzleteile das jeweilige Ende, an das wir gehörten, nicht fanden. Manchmal nicht finden wollten. Angst hatten, dass es passte, und dass es tatsächlich jemanden gab, der zu unserem Glück beitragen konnte.
,,Es gab heute drei Stunden, in denen ich mich wirklich lebendig gefühlt habe. Und die waren mit dir.''
Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Ich kann mich an sehr viele Dinge erinnern, die du gesagt hast, ausnahmsweise ganz stereotypisch mädchenhaft. Vielleicht ist dieser Text auch typisch mädchenhaft, wer weiß. Aber es muss raus, und ich hoffe, das hiermit tun zu können.
Ich weiß nicht, wann wir angefangen haben, uns zu lieben. Früher, als wir bereit dazu waren, das zuzugeben, und uns damit anzufreunden, dass wir jemanden hatten, der uns unterstützte, uns auffing, wenn wir fielen, uns zum Lachen brachte, und mit dem man eine Verbindung hat, die man fast als Seelenverwandtschaft hätte bezeichnen können. Ähnlich wie für mich war das auch für dich eine ganz neue Erfahrung, etwas so Intensives und Echtes zu fühlen.  Etwas, das einen so erfüllte und so glücklich gemacht hat, und doch nie in Abhängigkeit abgedriftet ist. Egal ob es das erste romantische Treffen war, in dem ich mehr Nähe - egal ob körperlich oder psychisch - zugelassen hatte wie seit Dekaden nicht mehr, ob du mich entlang der Tankstelle auf dem Bordstein an der Hand gehalten hast, als ich darauf balancierte, ob du mit mir durch die Straßen gerannt bist oder ob es nur eine Umarmung war, es hat sich gefühlt wie tausendfach intensiviert. Und das hat mich wahnsinnig erschreckt. Ich wette, du kannst dich noch daran erinnern, was für ein schlechtes Gewissen ich hatte, weil ich es zuließ, dass mir etwas in die körperliche Richtung gefiel, weil mir so viel Gegenteiliges eingetrichtert worden war. Wie ich dich mal habe liegen lassen und ins Badezimmer gestürzt bin, weil mir so schlecht wurde. Schlecht davon, dass etwas so gut war.
Für die Geduld, die du mit mir hattest, die vielen Hemden, in die ich geweint hab, dein sachtes ,,Komm her'' und deine zaghaften Berührungen und Worte, die mich wieder in die Realität geholt haben: Dankeschön.
Du hattest selbst zwar keine Probleme mit Nähe, aber damit - ähnlich wie ich - rauszugehen in die Welt, Geschehnisse auf sich zukommen zu lassen und einfach spontan zu sein. Dankeschön, dass ich dich immer dafür begeistern konnte, mit mir hinauszugehen und dich an kleinen Dingen zu freuen zu lernen, auch wenn es die Weihnachtsbeleuchtung im Kino gewesen ist. Dafür werde ich dank dir wohl niemals mehr eine Amsel übersehen und bei jedem über mir fliegenden Vogel ,,Mäusebussard'' denken; dankeschön dafür. Du hattest oder hast Probleme damit, die Emotionen, die du fühlst, nach außen zu kehren und generell mit Emotionen umzugehen, denn sie sind sehr groß, sehr unkontrollierbar und überwältigend, egal ob Trauer, Schmerz, Lust, Glückseligkeit. Dankeschön dafür, dass ich dir zeigen konnte, dass es guttut, sie mal in die Welt zu entlassen, egal ob durch ein Ventil oder Tränen, und dir im Gegenzug dafür Dankeschön, dass du mich gelehrt hast zu unterscheiden, wann etwas die Tränen wert ist und wann nicht.
Ich habe durch dich mein Zimmer verlassen und Menschen vertraut. Habe den Wald wieder als das Paradies wahrgenommen, das er ist, die Menschen wieder als Individuen mit unterschiedlichen Eigenschaften, Eigenheiten, Vorzügen und Fehlern wahrzunehmen, und keine Henker, die nur darauf warten, mir ihre Axt in die Brust zu schlagen und mich ausbluten zu lassen. Dankeschön dafür, dass du meine Reiselust angefacht hast und der Anfangspunkt dafür warst, dass ich irgendwann die ganze Welt sehen möchte, dass ich am 1. Mai mit dir und deiner Maman wandern gewesen bin, dass ich neue Leute kennengelernt habe, dass ich mich auf der Berliner Mauer verewigt habe, dass ich schätzen gelernt habe, jedes Angebot in dieser Richtung anzunehmen, dass ich bekommen kann. Dass ich auf der Geburtstagsfeier deines Vaters an dich gelehnt sitzen und mich zuhause fühlen konnte, während die Musik um uns herum etwas von einer Straße nach Hause erzählte, obwohl ich nicht bei mir zuhause war. Im Gegenzug dafür Dankeschön, dass ich dir begreiflich machen konnte, dass du erst dann wirst auf ein schönes Leben zurückblicken können, wenn du es gelebt hast, und dem alten Mann in dir erst dann wirst das geben können, was er möchte: Schöne Momente, auf die er zurückblicken kann.
Dankeschön auch dafür, dass ich dir zeigen konnte, dass nicht alles perfekt sein muss, du nicht alles auf Anhieb richtig machen musst, auch wenn du darauf gedrillt wurdest und noch heute siebzehn Mal deinen Wortlaut überdenkst, bevor du den Mund zu öffnen anhebst. Dafür, dass du mit mir darüber sprechen konntest, was dich an deiner Familie väterlicherseits aufregt, dafür, dass du in der Dunkelheit meines Zimmers anfangen konntest, mit mir Adjektive auszusprechen, die sie beschrieben, während du meine Hand hieltst, ganz spontan, ganz leise, wie ein Geheimnis, das sich traut, hervorzukommen.
Du lerntest, deinen Mund sprechen zu lassen, während du mir beibrachtest, ihn essen zu lassen. Dankeschön dafür, dass du mich in die Küche geschleppt hast und mich immer wieder dazu aufgebaut hast, mich am Kochen zu probieren, obwohl ich so überzeugt war, ein absoluter Versager zu sein, dass du mir den Rücken streicheltest, wenn das Bratfett spritzte, dass wir das flüssigsten Kartoffelpüree überhaupt gemacht haben. Dafür, dass du mir die chinesische Küche zeigtest und in mir die Person wecktest, die das Essen liebt und alles ausprobieren möchte nach all den verpatzten Chancen, die ich dafür hätte nutzen können, aus meinen vier Wänden auszubrechen und etwas Brandneues in mich aufzunehmen. Dafür, dass du mich an diesem einen Abend aus dem Esszimmer geführt hast, als alles über mir zusammengestürzt ist und ich komplett überfordert mit der Situation war, obwohl mir niemand etwas Böses wollte.
Im Gegenzug Dankeschön dafür, dass ich diejenige war, die dir zeigen konnte, dass es überhaupt nicht schlimm ist, Kind zu sein und dies auch auszudrücken. Egal ob Kosenamen, Laute oder Kuscheltiere, es hatte in dir den kleinen Jungen geweckt, der früher auf großen Hunden geritten war und das du mit zwei Jahren tot geglaubt hattest, nachdem sich deine Eltern getrennt hatten. Es war wunderschön, ihn zu sehen und mich um ihn zu kümmern, weil er genau das verdient hat und auch genau das gebraucht hat. Ihn an mich gekuschelt zu spüren und auf ihn aufzupassen war eines der schönsten und mich schmeichelnden Gefühle, die ich bisher verspüren konnte, ebenso wie es für dich neu war, bei jemandem diese Art von Kindlichkeit oder Schwäche zu zeigen. Es war so schön, dass ich hoffe, dass er immer noch wohlauf ist und ich ihn irgendwann nochmal sehen kann, auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist, dass du ihn genauso gut behandelst, wie ich ihn behandeln konnte.
Dankeschön dafür, dass du mir gezeigt hast, in was für einem Käfig ich mich versteckt und verweigert habe, die Welt als das wahrzunehmen, was sie wirklich ist. Dass du mir gezeigt hast, dass ich keine Aufziehpuppe, keine Figur an seidenen Fäden bin, die man steuern und missbrauchen kann, sondern ein Wesen, das selbstständig und stark ist. Eines, das es nicht nötig hat, die Liebe von jemandem zu erkaufen, indem es sich die Haut abschält, Löcher in die Finger, die Beine, die Augen stechen lässt, damit sie mit der Liebe anderer Personen zu sich selbst gesteuert werden kann. Eine, die von Menschen genau so geliebt werden kann, wie sie ist und wie sie wird, mit deiner Liebe zu mir als strahlendes Beispiel dafür. Dafür, dass du immer hinter mir gestanden hast, selbst als du fort warst, wenn ich das Gefühl hatte, nicht allein mit den Menschen fertig zu werden, die mich, wie ich bin, nicht als die sehen wollen, die ich schon immer war.
Dankeschön im Gegenzug dafür, dass ich den Anfangspunkt dafür setzen konnte, dass du dich traust, deinem Feind die Stirn zu bieten und sich aus der Komfortzone fortzubewegen, auch wenn du eine höllische Angst davor hattest. Dass du von dieser Person ablassen konntest, die dich Nerven, Schlaf, für deine Verhältnisse manchmal Tränen gekostet haben. Dass ich bei dir sein konnte und dich habe vergessen lassen, dass die Person um dich herum ist, und dich dazu anregen konnte, diese zu verlassen. Oder gar mehrere Personen zu verlassen, die dir nicht mehr wohltaten und aus dir ebenso eine Puppe machen wollte wie die oben erwähnten Personen aus mir. Dass du mit mir in deren Gegenwart entspannter gewesen bist, dass ich eine Nacht zum Tag verwandeln konnte, dass ich einen verfluchten Ort weniger schaurig, weniger deprimierend gestalten konnte. Dass ich dich in manchen Fällen sogar beschützen konnte.
Weil das die Alphawölfe tun. Sie beschützen und lieben einander, sie fordern einander heraus und fördern einander zugleich, funktionieren im Team sehr gut, aber auch einzeln sind sie diejenigen, die die Natur sie bestimmt hat zu sein. 
Wir fanden es beide schade, dass es letzteres geworden ist und dass wir nicht mehr einem Rudel angehören. Wir haben beide geweint, haben beide nicht mehr recht gewusst, wer wir waren, wollten einander beide nicht so recht loslassen, weil wir einander mehr gezeigt, beigebracht, verstanden und geliebt haben wie sonst jemand in unserer beider Leben. So viele Erfahrungen, so viel Intimität, so viele Gespräche schweißen zusammen; du hast es sogar mal selbst gesagt: Unser Dasein als passendes Puzzlestück zu einem anderem hat neben uns selbst als Individuen zu unserer Identität gehört. Uns entscheidend geprägt und uns in die Richtung geschoben, in die wir immer gehen wollten.
Obwohl ich weine, während ich diese Zeilen tippe, bin ich glücklich. Ich bin so glücklich wie ich noch nie im Leben war, und angefangen hat das durch dich. Erschüttert wurde es durch die Entfernung zu dir, und ich habe viel gearbeitet, um all das, was ich mit deiner Hilfe gewonnen hatte, nicht zu verlieren. Selbstwert, Selbstliebe, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Kampfgeist. Du sagtest mal, du wolltest mich behandeln, wie eine Prinzessin, weil ich dir so viel bedeute, und ich sagte ,,Ich will keine Prinzessin sein. Ich möchte eine Kriegerin sein, die sich ehrlich erkämpft, was sie verdient.''. Und genau so hast du mich auch behandelt, genau auf die Art, wie ich es wollte, auch wenn ich dich in der Zeit der Entfernung fast dafür gehasst habe, vielleicht sogar hassen wollte. Auf meiner Seite verhielt es sich genauso, und genau deswegen ist es so schwer, dich loszulassen, uns loszulassen. Alphawölfe, Liebende, Liebhaber, Freunde, Kriegskameraden, Leute, die sich aus dem Dreck emporschaufeln mussten und zusammen die Faust in die Höhe gereckt haben - wir waren all das zusammen. Und wir sind das heute noch immer -getrennt. Das war und ist wunderschön, und auf eine so reine Schönheit zu verzichten, die sich aus allen Gefühlen und Erlebnissen zusammensetzt, die man haben kann, ist beängstigend. Ohne die Hand von jemandem zu halten durch den Sturm zu laufen und dabei nicht hinzufallen, Dinge ohne die Person auszuprobieren, die einen erst dazu gebracht hat, etwas auszuprobieren. Das ist wie ohne Krücken zu laufen, obwohl man sie nicht mehr bräuchte: Verwunderung und Angst davor, dass man etwas alleine bewerkstelligen kann, auf etwas nicht mehr angewiesen zu sein, obwohl man es für eine wunderschöne und wertvolle Selbstverständlichkeit gehalten hat, es immer bei sich zu haben. 
Aber vielleicht war genau das nötig. Vielleicht hätten wir uns sonst die Beine gebrochen, um selbst keine Anstrengung mehr in seine Ziele und die Überwindung seiner Schwächen und Hindernisse stecken zu müssen. Aber das machen Krieger nicht.
Aus diesem Grund Dankeschön.
Dankeschön, dass wir uns gezeigt haben, wie das Leben funktioniert, obwohl wir beide so wenig davon kannten.
Dankeschön, dass wir zusammen alles tun konnten und es, auch wenn wir hingefallen waren und wieder aufstehen mussten, immer Spaß und Erfolg gebracht hat.
Dankeschön, dass wir uns durch die Zeit zusammen näher kennengelernt haben und eher zu den Personen geworden sind, die wir wirklich waren.
Dankeschön, dass wir zu anderen Personen geworden sind, die wir zuvor gewesen sind, wie Asche zu einem Phönix wurde.
Dankeschön, dass wir so viele verschiedene Erste Male hatten, ob das Erste Mal, das Erste Mal Wasserachterbahn fahren, das Erste Mal Kochen, das Erste Mal einen Popsong von Demi Lovato mögen, das Erste Mal einen Urlaub gemeinsam verbringen, das Erste Mal einen Adventskalender und ein Plastikherz für jemanden basteln, das Erste Mal die Stirn bieten, das Erste Mal von Sünden berichten, und dass wir werden diesen Begriff miteinander verbinden können.
Dankeschön, dass wir unsere Fäden gegenseitig gekappt haben und zu dem wurden, was Pinocchio nie ohne Zielstrebigkeit geworden wäre.
Dankeschön, dass wir um 4 Uhr morgens auf dem Parkplatz gesessen haben und Wenn die Engel fallen von Lyriel zusammen gesungen haben, während die Sonne aufging. 
Dankeschön, dass wir so streng und liebevoll miteinander umgegangen sind.
Dankeschön, dass wir alles sein konnten, was wir wollten, und das heute ohne das Beisein des anderen können.
Dankeschön, dass wir Knuffel, Knuffelwölfe, Knuwwel, Knubbel, Knuffel und Knuffeline gewesen waren, und auch wenn wir sie beide gerne behalten hätten, so wird das nie vollständig verschwunden sein.
Denn wenn wir einander nicht getroffen hätten, dann wären wir nichts als Staub auf der Erde oder ein hängender Körper von der Decke geworden. Und ob ich dich deswegen werde je als gewöhnlichen Freund oder du mich nur als gewöhnliche Freundin betrachten können, ist schwer zu sagen, weil wir alles andere als gewöhnlich waren und sind.
Doch egal, ob wir einander aus den Augen verlieren werden, ob wir einander noch sehen werden, ob wir noch Erste Male miteinander erleben werden, ob wir einander unterstützen werden, ich wollte nur das von Herzen sagen und von meiner Brust loswerden, was du mir auch bei dem Ablegen der Krücken gesagt hast und was ich jetzt genau so verstehe, wie du es gemeint hast:
Dankeschön.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen