Freitag, 3. Juni 2016

:)Rezension:): Homo faber

Grundwissen:


Titel: Homo faber - Ein Bericht
Autor/-in: Max Frisch
Erschienen: 1977 im Suhrkamp-Verlag (Taschenbuch); original 1957
Seitenanzahl: 202 Seiten (ohne Anhang)
Preis: 15, 95 € (Hard Cover); 8, 00 € (Taschenbuch); 7, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Klassiker; Drama




Inhalt:


,,You're happy, aren't you? [...] Something very beautiful! D'you know what I mean? Something very young!'' - S. 182


Der fast fünfzigjährige Ingenieur Walter Faber hat bereits wahnsinnig viel in seiner Existenz erlebt. So viel, dass diese ihn nur noch langweilt und ihm nichts mehr bieten kann, was sein Herz höher schlagen lässt. Nur seine Arbeit, die Technik, Rationalität bietet ihm eine Grundlage fürs Leben. Doch auf dem Weg zu einer Konferenz muss seine Super Constellation plötzlich notlanden und markiert so den Anfang einer Reise in seine Vergangenheit, seine Jugend und seinen Willen zu leben - mit dem ein oder anderen überraschenden Begleiter.






Meine Meinung ...





zum Cover:




Deutsches Cover Nr. 1: ♥♥
Deutsches Cover Nr. 2: ♥♥
Englisches Cover: ♥♥♥♥♥






















Wie üblich sehen die Aufmachungen klassischer Lektüren nicht sonderlich ansprechend aus. Zwar passt inbesondere beim ersten Cover die dargestellte Person als Walter Faber  - auch wenn er nicht unbedingt wie ein älterer Herr aussieht - und der in der Ferne liegenden Super Constellation, mit der alles anfängt und auch alles abschließt, jedoch ist auch das Schiff auf dem zweiten Cover durch eine wichtige Begegnung auch nicht unbedingt ein falsches Motiv. Doch vor allem im Vergleich zum englischen Cover kann da keine deutsche Version mithalten: Nicht nur wird durch den Kopf des ,,mechanischen Menschen'' auf Fabers Charakter angespielt, sondern durch die darin eingefangenen Momente und die Schattierungen darin auch seine Veränderung innerhalb seiner Einstellung zur Kunst sehr plastisch dargestellt wurde und auch entscheidende Personen bzw. Szenen darin eingewoben wurden. Eine der herausragendsten und passendsten Aufmachungen für ein älteres Buch, das mir jemals untergekommen ist!
Homo faber als Titel ist allerdings auch sehr gut gewählt. Nicht nur taucht diese Bezeichnung für den Protagonisten einmal im Buch auf, sondern auch Fabers Art zu denken und die Welt zu sehen, sodass er den Homo rationalis auf ein vollkommen neues Level katapultiert, nämlich sein eigenes.
Insgesamt scheinen sich die Verlage außerhalb Deutschlands wesentlich mehr um eine ansprechende Aufmachung für ältere klassische Lektüren zu kümmern als das Herkunftsland selbst. Deutschland, schneide dir mal eine Scheibe ab!





zum Buch:




Kennt ihr das? Ein Buch hat eine wirklich gute Prämisse, stellt die Charaktere wirklich plastisch dar und prahlt förmlich mit seiner Tiefgründigkeit? Ein Buch, das einfach rührend und wie eine Ode an das Leben klingt, bei dem man am liebsten die Taschentücher vorsichtshalber bereitliegen haben sollte? Ein Buch, das all dies verspricht, allerdings überhaupt nichts davon rüberbringen kann? Ja? Dann herzlichen Glückwunsch, genau diese Alltagssituation eines Lesers liegt bei diesem Buch vor, das als ,,eines der wichtigsten Werke des 20. Jahrhunderts'' betitelt wird.
Diese Behauptung kann man auch durchaus nachvollziehen, denn es geht hier hauptsächlich um den modernen Menschen, der sich erheblich von dem damaligen von Romantik und Künsten geprägten Menschen unterscheidet und dementsprechend eine äußerst rationale und leidenschaftslose Sicht auf die Welt hat. Gleichzeitig hat Protagonist Walter Faber schon sehr viel gelebt und kann sich aufgrund seiner Sichtweise auch an nichts mehr tatsächlich erfreuen, wird zu einer Maschine, die existiert, aber nicht lebt, und darin scheitert, dies zu versuchen. Dementsprechend kann sich wahrscheinlich jeder Mensch mit dem Protagonisten identifizieren, denn jedem passiert es irgendwann mal, dass man seine Umgebung, seine Freunde, die Natur, seine Mitmenschen und alles, was zum Leben dazugehört, nicht so schätzt, wie all diese Dinge es eigentlich verdient hätten, da man fälschlicherweise annimmt, der Alltag sei nichts Besonderes. Sollte man selbst bereits in jungen Jahren solche Schwierigkeiten mit dem Genießen des Lebens zu haben wie Faber, dann weiß man, wie anstrengend es sein kann, sein Umfeld bewusst wahrzunehmen und die kleinen Dinge als ganz große wahrzunehmen. Das ist in der Tat etwas, was viel zu schnell verlernt wird und was heutzutage sogar als merkwürdig erachtet wird, wenn man sich zum Beispiel daran erfreut, wie wohltuend die frische Luft ist oder wie schön das Lachen des kleinen Kindes ist, das einem mit seiner Mutter gegenüber in der Bahn sitzt. Daher setzt sich Homo faber mit der Frage auseinander, was das Leben für den modernen Menschen überhaupt noch lebenswert machen könnte und wie breit gefächert dieser Begriff tatsächlich ist. Gegen Ende nehmen seine Pläne auch eine eher tragische und traurige Wendung, sodass man am Ende mit ihm mitfühlt und sich vielleicht sogar die ein oder andere Träne verdrücken muss.
Ebenso ist Faber ein relativ gut ausgearbeiteter Charakter, der zwar alles andere als sympathisch ist, da er in fünfundneunzig Prozent der Fälle negativ über eine Person urteilt, ohne diese zu kennen, allerdings einige Wahrheiten ausspricht, die den Leser doch relativ stark treffen können, insbesondere im Bereich der Technik und ihrem Verhältnis zur Natur. Seine Ansichten sind auch deswegen so interessant, weil sie derart rational sind, dass er einem einfach nur wie ein Monster erscheint, was ihm auch vielfach in diesem schmalen Buch vorgeworfen wird, vor allem von Frauen. Anhand der Art und Weise, wie die Geschichte aus seiner Sicht geschildert wird, erkennt man auch, wie er langsam an Menschlichkeit dazugewinnt und diese technisierte Rationalität in den Hintergrund seines Bewusstseins rückt, beispielsweise indem er in einer Wolke eine Blumenvase erkennt, obwohl er zu Anfang des Buches nur eine Wolke erkennen kann. Diese kleinen, aber feinen Veränderungen machen ihn etwas greifbarer für den Leser.
Allerdings ist es Faber, der einen auch im Laufe der Geschichte in den Wahnsinn treibt, denn er ist wirklich alles andere als angenehm. Von allem und jedem genervt, gefühlvolle Menschen als etwas Niederes betrachtend, und das Klischee eines Technikers. Als ob es nicht möglich wäre, gleichzeitig ein emotionaler Mensch zu sein und dennoch als Ingenieur zu arbeiten! Da hat es sich Max Frisch wirklich sehr leicht gemacht. Zugleich kommt Faber innerhalb dieser 200 Seiten tatsächlich auf Schnapsideen. Das ist keine Spontanität, das ist keine Abenteuerlust, das sind Hirngespinste, auf die er da kommt, und egal, was er tut, zufriedenstellen tut es ihn nicht. Bewegt man sich im Bereich der Klassiker könnte man sagen, er ist wie der Protagonist aus Goethes Faust, nur weniger besserwisserisch, was er jedoch mit seiner seltsamen Obsession bzw. ,,Liebe'' gegenüber einer bestimmten jungen Frau, die er trifft, wieder wettmacht. Insgesamt kann man ihn aufgrund dessen kaum einschätzen, was durch den Schreibstil hervorgehoben wird.
Dieser Schreibstil ist auch einer der anstregendsten, die einem unterkommen können. Wie im Titel des Buches angedeutet, handelt es sich hier um einen Bericht, und wenn man sich vorstellt, wie das Klischee eines Technikers einen Bericht schreibt, kann man sich eventuell zusammenräumen, was einen hier erwartet: Stichpunktartige Sätze, die auch einfach mal mit einem ,,-'' unterbrochen werden oder Zusammenhänge auf maximal vier Wörter herunterbrechen. So etwas wie ,,Sie zog ihre Jacke an, weil kalt'' sind in der Tat keine Seltenheit und hemmen den Lesefluss ungemein. Selbstredend soll es dazu dienen darzustellen, wie Faber denn nun ist, jedoch ist so praktisch jede Freude am Lesen weggeflossen, weil das wie eine Vergewaltigung an die deutsche Sprache ist. Dabei kann Max Frisch durchaus Emotionen beschreiben oder Situationen plastisch rüberbringen, warum also eine derart schreckliche Schreibweise wählen, um eine eigentlich sehr schöne Geschichte zu erzählen? Vielleicht ist dies auch der innere Konsument, der unterhalten werden möchte, aber wenn eine Geschichte derart zerstückelt und abgehackt erzählt wird, ebbt irgendwann die Lust ab zu Tode zu analysieren, was einem Faber eigentlich sagen möchte und worauf seine gebrochenen Sätze hindeuten sollen. Das verdirbt einem irgendwo auch das ganze Buch, insbesondere da es auch keine Handlung hat, die einen an die Seiten fesselt, da man die Schönheit des Momentes durch diese fragmentierte Schreibweise einfach nicht einfangen kann, man auch nicht bemerkt, wie die Beziehungen zwischen Faber und anderen Charakteren sich entwickeln, sondern einfach da sind, und das Ganze doch etwas an den Haaren herbeigezogen ist. Wenn man bedenkt, wie viele Zufälle es braucht, dass Faber zu dem Punkt kommt, zu dem er kommt, ist es nur noch unrealistisch und sehr zurechtgerückt, was zusätzlich mit der moralischen Verwerflichkeit, die durch die Beziehung Fabers zu einer bestimmten Frau zustandekommt, die Handlung doch ein wenig ins Lächerliche bzw. Unglaubwürdige zieht.




Alles in allem eine sehr schönen Idee mit einem wichtigen Apell an den Leser, womit die Geschichte selbst jedoch nicht mithalten kann. Der Protagonist kann, obwohl bestimmt jeder schonmal für zumindest eine Minute in seiner dauerhaften Situation gesteckt hat, einem sehr auf die Nerven gehen, ebenso wie die Handlung zwar einen abenteuerlichen Einstieg und einige Wendepunkte besitzt, die jedoch so an den Haaren herbeigezogen sind, dass man den Verlauf eher als konfuses Wunschdenken statt glücklichen Zufall bezeichnen kann. Zusätzlich nimmt einem die Schreibweise jegliche Freude am Lesen, sodass die Intention des Autors, den Leser dazu zu bringen, sich aufzuraffen und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, verschroben wird. Viel verschenktes Potential.






Ich gebe dem Buch:


♥  Herzchen (2.75)





Extra:


Für diejenigen, die Wissen über dieses Buch noch für den Unterricht brauchen, kann ich dieses Video empfehlen. Darin wird der Inhalt des Buches mit einem Theaterstück mit Playmobilfiguren zusammengefasst. Sehr unterhaltsam ^.^

CU
Sana

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