Freitag, 6. Mai 2016

:)Rezension:): Faust II

Grundwissen:


Titel: Faust II - Der Tragödie zweiter Teil 
Autor/-in: Johann Wolfgang von Goethe
Erschienen: erstmals 1832; 1986 im Reclam-Verlag
Seitenanzahl: 215 Seiten (Reclam-Ausgabe)
Preis: 3, 60 € (Taschenbuch); 1, 49 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Drama [Theaterstück; Tragödie]; Klassiker; Fantasy; Mythologie





Inhalt:


Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
Und abermals gewünscht und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt: erst groß und mächtig,
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
- Heinrich Faust


Nachdem Mephisto und Faust aus dem Kerker, in dem Gretchen das Leben genommen wurde, geflohen sind, müht sich der Teufel noch immer ab, seine Wette mit Gott zu gewinnen. Doch während Faust die Ergüsse des Mikrokosmos nicht  beglücken konnten, macht sich Mephisto nun daran, ihn durch Reisen in die verschiedensten Zeiten und der Annahme unterschiedlichster Tätigkeiten dazu zu bringen, ihm seine Seele zu übergeben und Gott endlich wenigstens ein einziges Mal zu besiegen.






Meine Meinung ...




zum Cover:




Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥
Deutsches Cover: ♥♥


Vor allem die erste ausländische Ausgabe zeigt, dass es in diesem zweiten Teil nicht gerade gewöhnlich zugeht und sich teilweise auf  Mythologie bezieht, alleine weil die Frauen so gezeichnet sind wie zu einer weit entfernten Zeit. Auch das zweite Cover für das Ausland hat keinerlei Bewandtnis für die Handlung des Theaterstücks, sondern erinnert wahrscheinlich eher an Goethes Schreibtisch, als er diesen letzten Teil der Dilogie geschrieben hat.
Nur diese eine deutsche Ausgabe besitzt wenigstens teilweise einen Bezug zur Geschichte, da Mephisto und Faust darauf zu erkennen sind und auch anhand ihrer Kleidung verdeutlicht wird, dass sie sich nicht mehr in ihrer Zeit des Mittelalters befinden, sondern zeitlos umherreisen, wobei natürlich Mephistos auffordernder Charakter und Fausts Jammerlappendasein subtil verdeutlicht werden.
Schön, dass man nicht darzustellen weiß, was in diesem Band passiert ist ... denn so genau kann das auch ich nicht zusammenfassen.





zum Buch:




Nur die wenigsten Leser wissen, dass Goethe einer der ersten Schriftsteller war, der keinen Einzelband, sondern tatsächlich eine Dilogie geschrieben hat. Gründe besitzt dies viele, denn weder wirkt der erste Teil offen genug um anzunehmen, dass man aus der Geschichte um Heinrich Faust und Mephistopheles noch eine Fortsetzung spinnen könnte, noch wird der zweite Teil jemals in den Bereich der Schullektüren an Gymnasien aufgenommen oder als abiturrelevant erklärt. Tut man damit jedoch Goethe unrecht oder hätte Faust wirklich eher ein Einteiler bleiben sollen?
Leider tendiert meine Antwort auf diese Frage eher zu letzterer Option, denn wenn dies eine Schullektüre wäre, würde man hoffnungslos versagen, wenn sie in einer Klassenarbeit angesprochen würde. Denn sollte man nicht das Wissen besitzen, was einen Menschen zu Goethes Zeit als einen Menschen der Klassik klassifizierte, welche bekannten und unbekannten Wesen der griechischen und nordischen Mythologie einen Gastauftritt haben könnten und welche politischen Gegebenheiten in den Jahrhunderten vor dem Mittelalter geherrscht haben, dann wird man ähnlich wie ich auf jeder Seite mindestens zwei Mal in den dicken Anhang blättern müssen - sollte man einen besitzen -, um zu begreifen, was Goethe einem mit einer auftauchenden Figur, einem bestimmten Reimschema oder sogar einem bestimmten Neologismus sagen möchte. Dies hemmt natürlich den Lesefluss ungemein und sorgt dafür, dass man schnell von all diesen kleinen Details genervt ist und nur weiterliest, um den Band endlich wegstellen zu können. Man sollte sich selbstredend bemühen, zu verstehen, was man liest, allerdings verliert man auf Dauer wirklich die Lust daran, vor allem da Goethe seinen roten Faden aus den Augen verliert. Denn während es im ersten Faust immer mitschwingt, dass all dies dazu dient, Faust seinen Moment des Friedens zu beschaffen, sodass der Teufel sich seiner Seele bemächtigen kann, gibt es hier derart viele Füllszenen voller Gestalten, die nur für eine Seite auftauchen, um sich vorzustellen, eventuell einige Anzüglichkeiten mit Mephisto auszutauschen und danach wieder zu verschwinden. Jede Szene wirkt abgehackt und hat nichts mit der darauf folgenden zu tun, da auch nie mehr Bezug auf das vorher Stattgefundene genommen wird. Außer im zweiten Akt, in dem sich die beiden Kumpanen in Fausts Stube befinden und dort einige schon aus dem ersten Band bekannte Charaktere auftauchen, scheint alles zusammenhanglos aneinanndergereiht zu sein, mit der einzigen Parallele, dass Faust sich ständig als ein neuer Mensch ausprobiert, neuen Ideen nachgeht und Mephistopheles sich währenddessen mit Figuren einer anderer Mythologie als seiner vergnügt. Daher hält sich der Spannungsbogen aufgrund all der Verständnisschwierigkeiten und der Aneinanderreihung von unbedeutenden Szenen und Interaktionen von Charakteren sehr klein, vor allem da Goethe die Stellen, die interessant gewesen sein könnten, immer verkürzt.
Daher entsteht eine sehr große Distanz zwischen dem Leser und dem Gelesenen, denn wenn ein Autor eines können muss, dann ist es, den Leser in die Geschichte mit einzubeziehen, sodass man sie versteht und sich vielleicht in einigen Punkten mit ihr identifiziert. Diese Momente der Unzufriedenheit, die Faust im ersten Teil besitzt, kennt zum Beispiel mit Sicherheit jeder, doch hier gibt es noch weniger Möglichkeiten zur Identifikation. Eher kommt man sich vollkommen ungebildet und dämlich vor, dass man der Handlung - wenn man davon sprechen kann - kaum zu folgen fähig ist, und bekommt eher den Eindruck vermittelt, dass dies für Gelehrte geschrieben wurde, die ein derart umfassendes Wissen besitzen wie die Philosophen des damaligen Griechenlands. Und so kreativ man mit seinen Ideen als Autor auch sein mag, man muss doch merken, wenn man mit seinem Werk die Leserschaft vor den Kopf stößt oder viel zu weit übers Ziel hinausgeschossen hat, denn all das, was hierin beschrieben und gesagt wird, hat die Grenze von Kreativität zu von der Realität losgelösten Hirngespinsten überschritten. Kein Wunder also, dass es nur eine Handvoll Aufführungen von diesem Stück gibt, denn selbst mit heutigen Technologien wäre dies selbst filmisch wirklich schwer so umzusetzen, dass sich der Zuschauer nicht an den Kopf fasst und sich fragt, ob ihm jemand Drogen in sein Getränk neben ihm gekippt hat.
Daher dient hier nahezu alles, was Fausts und Mephistos Weg kreuzt, als Zierde und Ausschmückung, um zu übertünchen, dass die Handlung und der rote Faden zum größten Teil verlorengegangen sind. Schade ist dabei auch, dass beide Charaktere passiver geworden sind als im ersten Band. Faust selbst ist ja schon in Faust I passiv, jedoch nimmt dies hier neue Ausmaße an. Ab und an versucht er sich zwar an unterschiedlichen Positionen, gründet auch eine Familie, arbeitet mal für den Kaiser der damaligen Zeit, etc., jedoch geht sein gesamter Charakter verloren, denn zuvor hatte er diesen definitiv, auch wenn er unausstehlich war. Hier jedoch kann man auf ihn nur neutral reagieren, da er als Protagonist sogar verhältnismäßig selten auftaucht und selten aktiv handelt. Eher ist es Mephisto, der ihm Vorschläge unterbreitet, jedoch ist auch er in den Hintergrund gerückt und amüsiert sich, während im Vordergrund Personen auftauchen, die nach spätestens einer Szene wieder untertauchen. Immer noch ist Mephisto mit Abstand der sympathischste Charakter innerhalb dieser Dilogie, vor allem da er sehr zynische Lebensweisheiten von sich gibt und einer dieser sarkastischen, kultivierten Bösewichte ist, die man einfach gern haben muss, doch mehr als diese kurzweilige Unterhaltung kann er sowohl dem Leser als auch Faust nicht bieten. Positiv auf die beiden Hauptpersonen hat sich dieser zweite Band also überhaupt nicht ausgewirkt, insbesondere da nur im letzten Akt mal irgendwelche Entwicklungen für den Plot stattfinden.
In der Gegenüberstellung lassen sich natürlich auch einige positive Aspekte an diesem Band finden. Mephisto, wie erwähnt, ist ein Charakter, der einem Lust auf mehr macht und einem mit seinen locker-flockigen Sprüchen sehr gut unterhalten kann, sodass man mehrmals laut lachen muss. Zudem ist er dazu fähig, an all diesen abstrusen Situationen, die er selbst erschafft, seinen Spaß zu finden und reagiert so wahrscheinlich wie ein menschliches Wesen normalerweise darauf reagieren würde, dass man beispielsweise Pirat spielen kann oder griechische Mythologie leibhaftig mitzuerleben. Es ist somit sehr witzig, dass ausgerechnet der Teufel selbst sich noch am menschlichsten verhält und aus seinem ewigen Leben das Beste macht, obwohl er immer von Gott besiegt ist und besiegt werden wird - was nebenbei den ,,Endkampf'' um Fausts Seele sehr lächerlich erscheinen lassen hat.
Zudem kann man an Goethes Dichtung als Hobbylyriker eigentlich nichts bemängeln. Es ist alles wesentlich hochgestochener und schwerer zu verstehen als im ersten Band, jedoch kommt dies eher durch die nicht-existente Handlung und das nicht-existente Allwissen des Lesers zustande als durch seinen Schreibstil an sich. Denn er wechselt so gekonnt zwischen verschiedenen Stilrichtungen hin und her, streut hier mal dieses, dort mal jenes Reimschema ein und schafft es sogar ab und an, mehr als nur einsilbige Reime zustandezubringen. Daher eine sehr schöne Ausdrucksweise, die vor allem zeigt, dass die abgehackte deutsche Sprache auch sehr gut klingen kann.
Letztlich besitzt Goethe ja auch keine wirklich schlechte Grundidee. Mikro- und Makrokosmus werden schon im ersten Band angesprochen, daher ist es nur logisch, dass Mephisto sich nun mit Faust auf eine Reise begibt, die kein Mensch je durchleben kann. Aus diesem Grund ist vorstellbar, dass dieses Drama zu seiner Entstehungszeit sehr modern gewesen ist, und auch heute mit seinen Zeitreisen und Fantasyelementen sicherlich als sehr originell angesehen werden könnte. Wenn Goethe sich denn mal auf die ursprüngliche Idee hinter Faust zurückbesinnt, dann gibt es auch einige kleine Szenen, in denen das Streben nach Glück und Frieden aufgegriffen wird und auch an einigen Handlungen Fausts hier deutlich wird, mit welchen Mitteln dieses sein Ziel erlangen kann. So wird zum Beispiel Familie angesprochen, die Ausübung seiner Berufung, die Schöpfung der Kunst etc. angesprochen, was einem auch Stoff zum Nachdenken und Interpretieren geben kann, sich jedoch nur auf wenige Stellen beschränkt.




Obwohl der erste Teil nicht allzu schlecht ist, kann Faust II definitiv nicht damit mithalten. Man kann sich mit niemandem identifizieren und auch die Handlung in den wenigsten Fällen verstehen oder nachvollziehen, sodass man Goethes Kreativität eher als Hirngespinste abstempelt als eine philosophische Ausarbeitung der Frage, was dem Menschen den seelischen Frieden geben kann. Was soll es auch schon ausdrücken, wenn Mephisto mit Vogelweibern flirtet, die ihm ihre Brüste präsentieren, oder Faust mit einem Kind zu sehen, das innerhalb von einer Szene zum jungen Mann heranwächst und somit seine Familie, die er gründet, von einer Szene auf die eine zu zerschlagen, weil er annimmt, er könne fliegen und deswegen einen Felsen herunterfällt? Es wirkt komplett zusammengewürfelt und zusammenhanglos, obwohl die Ansätze und Grundidee natürlich nicht schlecht sind. Ab und an kann man zwar einige Szenen auch ohne Geblätter verstehen, noch seltener mal lachen, jedoch trieft jeder Handlungsstrang, jede Szene und jede Figur von Bedeutungslosigkeit. Eventuell ein Buch für jemanden, der sich für den Sohn der Medis hält und eine Geschichte nur aufgrund des Schreibstils toll findet, alle anderen dürften daran ebenso verzweifeln wie meine Wenigkeit und sich penetrant fühlen wie ein Dreijähriges mit Down-Syndrom bzw. Goethe für ebensolches zu halten.





Ich gebe dem Buch:



♥♥♥  Herzchen (2.58)





Extra:


Sollte jemand dennoch angefixt sein, dies zu lesen, sei es aus persönlichem Interesse oder für die Schule, dem empfehle ich die dtv-Ausgabe, die beide Teile beinhaltet, da der Anhang sehr ausführlich ist und man das Buch auch relativ billig ergattern kann.
Hier könnt ihr es bestellen!

CU
Sana

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