Freitag, 13. Mai 2016

:)Rezension:): Das Bildnis des Dorian Gray

Grundwissen:


Titel: Das Bildnis des Dorian Gray (original: The Picture of Dorian Gray)
Autor/-in: Oscar Wilde
Erschienen: 1986 im Diogenes-Verlag; 1992 im Reclam-Verlag; 2004 im dtv-Verlag; 2012 im Anaconda-Verlag; 2014 im Insel-Verlag; original 1890
Seitenanzahl: 190-300 Seiten, je nach Ausgabe
Preis: siehe hier
Genre: Klassiker; Drama; Adult





Inhalt:


Realize your youth while you have it. Don't quander the gold of your days, listening to the tedious, trying to improve the hopeless failure, or giving away your life to the ignorant, the common, and the vulgar [...] Live! Live the wonderful life that is you!'' - Lord Henry (p. 19)


Jung, unschuldig und wunderschön. Schon seit Langem ist Dorian Gray aufgrund all dieser Eigenschaften die Muse des Malers Basil Hallward, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet. Doch nach einer Weile macht ihn Basil mit Lord Henry, einem engen Freund, bekannt. Dies wird Dorian zum Verhängnis, denn es ist ausgerechnet Harry mit seinen zynischen Gedankenexperimenten, der in ihm den Wunsch weckt, seine Jugend auf ewig beizubehalten. Und sein Wunsch tritt in Erfüllung: Während Dorian nicht mehr altert, treten die Spuren seines Lebens und seiner Taten nur in seinem Portrait auf und zeigen den wahren Dorian Grey in all seiner Selbstsucht, seiner Amoralität und Verdorbenheit.





Meine Meinung ...





zum Cover:





Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥♥
Deutsches Cover Nr. 1: ♥♥♥
Deutsches Cover Nr. 2: ♥♥♥









































Die Cover zu diesem Roman sehen eigentlich alle gleich aus: Da es um ein Portrait geht, wird auch häufig der Protagonist auf jenem dargestellt, sieht jedoch in den seltensten Fällen so aus wie der tatsächliche Dorian Gray. Dies mag allerdings auch der Verfilmung geschuldet sein, da der Darsteller Dorians dort ungefähr so aussieht wie die Person auf dem zweiten deutschen Cover, obwohl er eigentlich blond und blauäugig sein sollte wie auf der ersten amerikanischen Aufmachung. Aus dem Grund ist die zweite Ausgabe wesentlich interessanter anzusehen, da es Dorian Grays echte Persönlichkeit zeigt und dies auf nahezu keinem Cover als Motiv zu sehen ist. Obwohl es schöner aussieht, passt das erste deutsche Cover allerdings natürlich gar nicht, da die Palme keinerlei Bewandtnis besitzt. Schöner wäre es da gewesen, wenn man eine Blume genommen hätte, da dieser durchaus eine große Symbolik zukommt.
Der Titel hingegen ist sowohl im Deutschen als auch im Original perfekt gewählt.





zum Buch:




Oscar Wilde ist bekannt für seine kurzen Geschichten, die allesamt einen märchenhaften Charakter haben: sehr schön, flüssig und mit hübscher Wortwahl erzählt, mit einer Moral am Ende der Geschicht und mit dramatischen bzw. teilweise auch brutalen Darstellungen. Doch dieses Werk ist wohl eines seiner kontroversesten, nicht zuletzt wegen Anspielungen auf Homosexualität und der unterschwelligen Kritik an der damaligen englischen Gesellschaft. Und zurecht erfreut es sich einer so großen Kontroverse und einer sehr großen Beliebtheit auch noch unter heutigen Lesern, denn egal aus welchem Jahrhundert dieses Werk stammt, es ist von der Schreibweise und von der Aussage her zeitlos.
An Oscar Wilde muss man vor allem seinen Schreibstil bewundern, der sich im Englischen nebenbei bemerkt noch schöner liest als im Deutschen. Dieser Mann schafft es, in nur wenigen Worten eine ganze Palette an Emotionen und Eigenschaften zu vermitteln, und obwohl seine Sätze manchmal sehr lang sind und es ein Kapitel hierin gibt, das sehr langwierig und detailverliebt ist, hat man doch nie das Gefühl, dass der Autor auch nur ein Wort zu viel verwendet. Man könnte von dem Ausdruck und all den Wortspielen, Metaphern und weiteren Stilmitteln wirklich jeden Satz aus diesem Buch zitieren, da sich jeder einfach nur klasse, blumig und wie aus einem Märchen anhört. Natürlich trifft dies nicht jedermanns Geschmack, jedoch findet es bei Anhängern von Stilmitteln und Rhetorik sicherlich sehr viel Anerkennung, sodass man regelrecht durch das Buch schwimmt und sich pudelwohl darin fühlt, obwohl die Geschichte an sich sehr tragisch und schrecklich ist. Vielleicht ist es auch genau dieser Kontrast zwischen Schönheit und Grauen, der den Leser dazu animiert, immer weiter zu lesen, sodass er es innerhalb weniger Tage verschlingen kann. Vor allem die vielen versteckten Lebensweisheiten, insbesondere aus dem Mund des Antagonisten, sind so zynisch und zugleich so wahr, dass man nicht anders kann, als diese in sich aufzusaugen und mit Lord Henry zu sympathisieren.
Dies zeugt ebenso von der gelungenen Charakterzeichnung Wilde's, denn obwohl Lord Henry als anfänglicher Gegenspieler sehr extreme und negative Züge aufweist, die ihn als Egoisten mit teilweise psychopathischen Zügen auszeichnen, da er es liebt, in den Gehirnen anderer rumzustochern, lebt er doch auf eine Weise, die für viele Menschen sicherlich die einfachere Variante von Leben wäre. Natürlich verflucht man ihn dafür, dass er den jungen Knaben so verdirbt und aus ihm regelrecht ein Monster erschafft. Dennoch tritt er dabei so charismatisch auf und agiert so passiv und zugleich so aktiv, dass man ihn für seine Genialität und seinen Zynismus einfach bewundern muss, auch wenn sein eigentliches Motiv wirklich nur die pure Langeweile an seinem eigenen Leben ist. Daher ist er eine sehr beeindruckende Persönlichkeit und wirkt ebenso einnehmend auf den Leser wie auf den jungen Dorian, dessen eigentliches Verderben er ist.
Das genau Gegenteil von ihm hingegen ist Basil Hallward, der das Moralische und Künstlerische verkörpert und für den Dorian Gray ein ähnliches Verderben ist wie Lord Henry für Dorian. Clever daran ist, dass an dem nachgiebigen und sanftmütigen Charakter Basils gezeigt wird, in welche Richtungen sich ungesunde bzw. toxische Freundschaften ausweiten können, denn während Basil an Dorian hängt, weil er ihn anfangs positiv beeinflusst und ihn inspiriert, weswegen er ihn um keinen Preis verlieren möchte, als er mehr Zeit mit Lordy Henry verbringt, und ihn aus dem Grund idealisiert und seine negative Veränderung gar nicht wahrnimmt, auch immer kleinbeigibt, wird Gray immer abhängiger von Lord Henry und übernimmt dessen Ansichten, sodass er sich um 360 ° verändert und nur noch Henry als Person tatsächlich achtet. Natürlich ist Basil insofern ein schwacher Charakter, da er sich von Gray abhängig macht, jedoch ist er dennoch der Menschlichste von den dreien und verfolgt zumindest ein edles Motiv, da er seinen teuren Dorian nicht verletzen will.
Dorian selbst hingegen ist regelrecht ein Anti-Protagonist. Zu Anfang alle Ideale verkörpernd, die ein junger Mensch besitzen kann, der dann in schlechte Gesellschaft gerät und bemerkt, dass ihm wie jedem anderen Menschen die Zeit davonläuft und er seine Makellosigkeit nicht ewig behalten wird. Aus diesem Grund kann man sich teilweise schon mit ihm identifizieren, da man ebenso ungern daran denkt, dass man später nicht mehr dazu imstande sein wird, das zu tun, was man heute tun kann oder plant zu tun, jedoch nimmt seine Selbstzentrierung wirklich monströse Züge an. Man beobachtet fasziniert und entsetzt zugleich, zu welchen Mitteln Dorian greift, um weiterhin unberührt vom Leben zu bleiben, hasst ihn regelrecht für seine Taten und seine Einstellung, insbesondere da er es immer schafft, seine Schuld auf jeden zu schieben außer seine Wenigkeit. Dabei bildet er das authentische Bild eines Menschen, der an sich selbst und seinem Streben nach Perfektion zugrunde geht und dabei jegliche seelische Schönheit verliert, die für seinen wahren Freund - Basil - das Einzige gewesen ist, was ihn so begehrenswert gemacht hat.
Wie man merkt, sind die Charaktere keine Sympathieträger, jedoch tut dies dieser Geschichte keinen Abbruch, da es zu der Struktur Wilde's passt und ebenso zu den Beziehungen, die die Charaktere zueinander pflegen. Alleine wegen dieser Dynamik funktioniert Das Bildnis des Dorian Gray so gut und wirkt so realistisch wegen diesen ungesunden Relationen. Daher ist es wirklich egal, ob man sich über Dorians Handlungen aufregt oder Lord Henry als Mistkerl beleidigt, da ansonsten der Plot nicht so lebhaft und passend wäre. Charaktere so gut zu schreiben, sie so mit Fehlern zu bestücken und es dennoch zu schaffen, dass der Leser nicht frustriert wird, während er die Geschichte in sich aufnimmt, ist wirklich bewundernswert.
Genauso bewundernswert sind auch die Themen miteinander verwoben, die Oscar Wilde hier aufgreift. Natürlich geht es primär um die Frage, ob die Schönheit tatsächlich einen so hohen Wert besitzt und wie diese überhaupt verstanden werden kann, jedoch auch um Jugend und dass man sein Leben in vollen Zügen genießen sollte, solange man diese noch besitzt. Gleichzeitig jedoch beschäftigt sich die Geschichte mit der Frage, was genau das Leben denn ausmacht und welche Mittel man verwenden sollte, um diese elementaren Dinge zu erleben. Wie weit darf der Egoismus gehen, bevor er anderen schädigt? Wie exzessiv darf man Künste und Nächte ausleben, bevor man danach süchtig wird? Wie viele Jugendsünden und schlimmere Sünden darf man begehen, wie viele davon sind wirklich unsere Schuld und wie geht man mit diesen Sünden um? Dorian Gray ist in dieser Hinsicht ein Beispiel, das absolut negativ sein soll, was insbesondere durch das Ende der Geschichte unterstrichen wird. Natürlich verhält er sich wie ein absoluter Narzisst, der nur sich selbst und sein Vergnügen im Sinn hat und den Kritik in den Wahnsinn treibt; auch wird er für relativ viele Menschen der Albtraum ihres Lebens, was in der unzensierten Fassung dieses Werkes wohl noch klarer zu erfassen sein sollte. Er widmet sich dem naiven Hedonismus, während Lord Henry diesen sogar fast in der Weise lebt, in der sie theoretisch aufgestellt worden war, und genau bei ihm gibt es durchaus einige Ansichten, die man so unterschreiben kann, auch wenn es einem eventuell nicht zusagt, da er der Dominostein ist, der das Böse ins Rollen bringt. Trotzdem findet sich wohl jeder hierin wieder, sodass die Aussage, dass man es mit der Befriedigung seiner Gelüste nie übertreiben sollte, da man ansonsten abhängig von diesen wird und anderen das Leben zusätzlich zur Hölle macht, anhand dieses extremen Beispiels sehr schön dargestellt wird und auch sicherlich in den Köpfen des Lesers haften bleibt. Es beeinflusst einen auf jeden Fall noch nach Beenden des Buches, da man sich selbst damit auseinandersetzt, was man bereit wäre zu tun, um seine eigene Jugend und Schönheit beizubehalten und ob vielleicht nicht in jedem von uns etwas steckt, dass so krank und verdorben ist wie Gray im Laufe der Geschichte wird. Treibt man es mit der Interpretation ganz weit, so kann man Lord Henry als die grausame Rationalität des Menschen begreifen, die es nur auf Selbstbefriedigung abgesehen hat und sich um nichts anderes außer die eigenen Bedürfnisse schert, während Basil den moralischen Teil des Menschen darstellt. Quasi wie ein gutes und ein böses Männchen auf der Schulter, daher sehr schön gemacht.
Auch wenn es in gewisser Weise klar ist, in welch einer Tragödie das hier enden wird, ist es trotzdem spannend, die Geschichte zu verfolgen. Bis auf das oben erwähnte 11. Kapitel wirkt nie eines der Kapitel langweilig, denn trotz seiner Ruhe geschehen sehr extreme Wendungen, die zwar nicht vollkommen unerwartet sind, dem Ganzen allerdings noch eine Portion Dramatik und Hässlichkeit geben. Die erwähnte Hässlichkeit ist es auch, die einen vorantreibt, da man sich ungeheuerlich für den Werdegang Grays und seiner Bekanntschaften interessiert und diese Geschichte von der Veränderungen innerhalb der Persönlichkeiten leibt und lebt. Natürlich hätte es für die heutigen Verhältnisse vor allem im Mittelteil detaillierter erzählt werden können, da Wilde sich sehr auf den Beginn, den großen Wendepunkt und das Ende fokussiert, und diesem Mittelteil nur ein einziges Kapitel geschuldet ist, jedoch ist es dennoch für die damalige Zeit sehr provokant verfasst und in den unzensierten Version sogar noch voller von Andeutungen auf ordinäre Aktivitäten. Das Ende kommt jedoch anders als erwartet und bietet glücklicherweise keinen Charakterbruch, sondern zeigt vollkommen und unverbesserlich, was die Selbstsucht mit einem Menschen anstellen kann. Daher ein rundum gelungener Abschluss.




Obwohl es wenige Passagen gibt, die sich strecken, kann man Oscar Wilde's Picture of Dorian Gray als Meisterwerk bezeichnen. Dieser Mann hat den wundervollsten Schreibstil, der mir je untergekommen ist, zeichnet seine Charaktere auf wundervolle Weise derart realistisch und doch passend zur Geschichte, dass man sich nicht an ihren Handlungen oder Einstellungen stört, ebenso wie an der Ruhe, deren Stärke sich in der Entwicklung der Charaktere auftut. Die Moral und die Werte, die hierin vermittelt werden, sind definitiv wertvoll und diese Geschichte etwas für jeden, da wir alle von Alter und vom Leben betroffen sind und der Umgang damit für die wenigsten leicht sein dürfte. Voller schöner Worte, reflektierten und teils zynisch formulierten Lebensweisheiten und perfekter Abrundung! Definitiv einer der besten, unterhaltsamsten und lehrreichsten Klassiker!





Ich gebe dem Buch:


♥♥♥Herzchen (4.67)





Extra:



Zu diesem kleinen Büchlein habe ich auch zwei Verfilmungen ausfindig gemacht, die eine, sehr alt aussehende hier, und die jüngere, allerdings qualitativ schlechter wirkende dort.


CU
Sana

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