Dienstag, 5. April 2016

:)Rezension:): Der Kinderdieb

Grundwissen:


Titel: Der Kinderdieb (original: The Child Thief)
Autor/-in: Brom
Erschienen: 2010 im Knaur-Verlag (Hardcover); 2014 im Knaur-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 648  Seiten (ohne Nachbemerkungen des Autors)
Preis: ab 7, 18 € (Hardcover); 12, 99 € (Taschenbuch); 10, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Fantasy; Mystery; Horror; Adult





Inhalt:


Peter hatte recht: Wenn er nicht jetzt lebte - in diesem Augenblick -, wann dann? Ein zu großer Teil seiner Jugend war ihm schon gestohlen worden. Sollte er zulassen, dass sie ihm noch mehr wegnahmen? Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, sich selbst das eine oder andere zu nehmen. - Nick (S. 52)


Der vierzehnjährige Nick hat es momentan nicht gerade leicht im Leben. Seit seine Mutter in Kontakt mit Drogendealer Mirko gekommen ist, muss er sich täglich ihm und den Schikanen seiner Freunde stellen, die sogar in körperliche Gewalt übergehen. Verzweifelt läuft er von Zuhause weg - und wird von Peter gerettet. Peter mit den goldenen Augen und dem ansteckenden Grinsen. Peter, der ihm das Land Avalon verspricht, das Land, in dem Nick nie erwachsen werden muss und Kinder wie er endlich glücklich sein können. Peter, der Mirkos Gang vor Nicks Augen mühelos auseinandernimmt. Weil er nirgendwo sonst hingehen kann, folgt Nick dem Kinderdieb; schließlich hat er nichts mehr zu verlieren. Doch alleine schon bei dem Betreten des Nebels wird Nick lernen müssen, dass es immer etwas zu verlieren gibt, sei es seine Würde, seine Seele oder sein Leben.







Meine Meinung ...





zum Cover:



Deutsches Cover: ♥♥♥♥
Amerikanisches Cover: ♥♥♥♥























Obwohl die Aufmachung sehr subtil ist, vermittelt vor allem Peters schwebende Haltung eine gewisse Eleganz und mysteriöse Aura, die das Cover vor anderen Büchern herausstechen lassen kann. Da der Autor diese Zeichnung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch selbst angefertigt hat, wie alle anderen in diesem Buch, passt die Figur auch perfekt zu Peter, wie er im Buch beschrieben wird, insbesondere durch dieses Gefährliche, und doch Einnehmende, das er allein auf diesem kleinen Bild verkörpert. Die Gestalten des Nebels im Hintergrund lassen natürlich auch darauf schließen, dass die Geschichte einen düsteren Touch haben wird und sind auch hervorragend dargestellt. Mit dem sehr passenden Titel natürlich ein Cover, das sich sowohl im Regal sehen lassen kann als auch immer wieder schön zum Durchblättern ist, denn zu Beginn jedes Kapitels gibt es eine Bleistiftzeichnung, die das Thema des jeweiligen umfasst. Die Farbzeichnungen in der Mitte sind auch der absolute Knaller. Eins kann man wirklich sagen: Brom ist ein ausgezeichneter Grafiker und Zeichner!





zum Buch:




Nicht nur die Aufmachung dieses Einzelbandes mit all seinen vom Autor höchstpersönlich gefertigten Zeichnungen machen Der Kinderdieb zu einem besonderen Leseerlebnis, sondern auch die düstere, mit schottischer, nordischer und anderer Mythologie verknüpfte Neuerzählung von Peter Pan. Nicht an der Disney-Version mit dem süßen, schusseligen Elfenjungen, sondern an dem echten Peter Pan von James Berrie angelehnt. Alleine wegen dieser Kombination bietet Brom dem Leser in diesem dicken Buch eine unheimlich faszinierende und einfallsreiche Welt, die ebenso einnehmend auf diesen wirkt wie auf die Kinder zu Beginn der Geschichte, auch wenn Avalon etwas komplett Anderes ist, als ihnen von Peter versprochen wurde. Von fauchenden, aggressiven Pixies über schwarze Dämonenhunde bis hin zu Gottheiten, die trotz aller Verehrung sehr menschliche und unschöne Seiten aufzeigen, findet man ständig irgendwas Neues, was sich der Autor hat einfallen lassen, um seiner Geschichte noch mehr Substanz zu geben. Durch die Zeichnungen unterstützt Brom diese dunkle und magische Atmosphäre, die diese Insel verströmt, sodass man sich trotz allen Grauens und aller kriegsähnlicher Situationen, die Avalon umfassen, wünscht, diese Welt betreten zu können. Dadurch wird ein gewisser Suchtfaktor geweckt, sodass man das Buch trotz seiner Dicke relativ schnell beenden kann und danach lechzt zu wissen, was es mit Peters Vergangenheit auf sich hat und wie die gegenwärtige Handlung weitergespinnt wird, denn diese ist definitiv nichts für schwache Gemüter. Schon im Prolog wird der Leser mit Tabuthemen und hemmungsloser Gewalt konfrontiert, und im Laufe des Buches sind psychische und physische Gewalt ständige Leitmotive, die die Grausamkeit und den Horror von Avalon und Peters Situation, allerdings auch der Situation von verlorenen Jugendlichen ohne jede Hoffnung und Hilfe betont, jedoch nie so, dass es übertrieben wirkt, als hätte der Autor es nur darauf angelegt, so viele Tote wie möglich zu sammeln. Im Gegenteil, man könnte sich die Geschichte nicht ohne derart viel Gore vorstellen, so sehr scheinen diese Gewalt und die harten Themen, die der Autor aufgreift, zu der Prämisse der Geschichte zu gehören.
Aus diesem Grund besitzt das Buch auch derart viel Tiefgang, denn obwohl es dem Genre Horror zuzuordnen wäre - mittlerweile schaffen es nur noch wenige Horrorbücher oder -filme, den Begriff des Grauens mit der menschlichen Natur und zugleich mit viel Blut zu verbinden. Hier allerdings hat man mit sehr hartem Tobak zu kämpfen, denn die Figuren, die man kennenlernt, haben alle ihre guten und schlechten Seiten und eine Geschichte, bei der man sich wundert, warum sie nicht vollkommen daran zerbrochen sind. Nick ist dafür ein wundervolles Beispiel, da er zuhause gewaltige Probleme hat und ihm das sogar wortwörtlich in die Haut gebrannt wurde, obwohl er erst vierzehn Jahre alt ist. Daher kann man es ihm auch nicht verübeln, dass er so verzweifelt ist, dass er seine Mutter mit Marko und den anderen Schlägern alleine lässt, auch wenn es egoistisch ist. Jedoch kriegt er trotz seines zarten Alters eine unheimliche Charakterstärke zugesprochen, die ihn dazu bringt, selbst vor dem von allen vergötterten Peter alles infrage zu stellen und das durchsetzen zu wollen, was er wirklich will. Auch dieses grenzenlose Verlangen nach Freiheit und Selbstbestimmung muss man an Nick bewundern, sodass man ihn sehr gerne begleitet und diesen Mischmasch aus kleinem, verängstigten Jungen und hinterfragendem, willensstarken Krieger, der in der Geschichte wächst und auch die Freunde, die er findet, davon überzeugt, dass Peter, auch wenn er sie gerettet und ihnen die Welt versprochen hat, doch nicht so göttlich ist wie die Kinder annehmen. Diese lernt man zwar nicht so genau kennen, jedoch kann man durch ihre Vergangenheit verstehen, warum die meisten so ablehnend und zynisch sind und deswegen ihre neue Familie, die Peter ihnen mit der Gruppe der ,,Teufel'' gegeben hat, mit ihrem Leben zu verteidigen. Während Grille und Danny eher diese typischen Freunde eines Dreierpacks sind, sprich das taffe sarkastische Mädchen und der unsportliche humorvolle Junge, bieten vor allem Peters nächste Freundin Sekeu und Nicks unfreiwilliger Rivale Leroy sehr viel Raum für Charakterentwicklung und legen diese auch hin. Dabei lernt man etwas privatere Seiten von ihnen kennen und kann dadurch umso mehr verstehen, warum sie diesen Ort trotz all der Lebensgefahr und des Todes um sie herum so sehr lieben und an Peter hängen.
Denn obwohl Peter praktisch keine Moralvorstellungen hat, ist er für die Kinder ein Held, da er sie aus einer ebenso misslichen Lage in ein magisches Land gerettet hat, wie er sie als Kind vor über 3000 Jahren erlebt hat. Daher sympathisiert man schon mit ihm mit, da er sehr charismatisch ist und eine gewisse einnehmende Aura verströmt, bis zu so einem Grad, dass man versteht, warum Kinder ohne jegliche Autoritätspersonen oder ein Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen, eine Art Ersatzvater und Freund in dem Kinderdieb sehen, sich so sehr einspannen lassen. Zugleich jedoch muss man in Peter auch teilweise einen Antagonisten sehen, denn er hilft den Kindern nie interessenlos, sondern spannt sie für seine Zwecke ein, die im Zusammenhang mit Avalon und einer Person, die für ihn ebenso einen Anker darstellt wie er für die Kinder, steht. Widerwillig bewundert man ihn für diese Gerissenheit, Kinder als Krieger für seine Zwecke zu instrumentalisieren und über Leichen zu gehen, um an sein Ziel zu gelangen, andererseits erschreckt man, wenn man bemerkt, wie für ihn jeder Mord und jeder Schlag nur ein Spiel ist. Daher spielt der Autor auch sehr viel mit der Idee von Propaganda, insbesondere da man im Verlauf der Handlung erkennt, dass die jeweiligen Streitparteien die Situation vollkommen anders erfassen und es so keine klaren Fronten zwischen Gut und Böse gibt. Wunderbar, dass der Autor geschafft hat, dieses Konzept in jedem Charakter widerzuspiegeln, sodass sie alle greifbar und real wirken, auch wenn sie übernatürliche Wesen sind. Das steigert umso mehr die Lust darauf zu erfahren, was mit ihnen weiterhin passiert, insbesondere wenn man vor allem Peters Schwächen kennnenlernt, bei denen man ihnen kaum vorwerfen kann, dass sie so geworden sind, wie sie geworden sind. All das kann einen zu Tränen rühren und lässt Verständnis, und zugleich Unverständnis für die Streitparteien aufkommen, da man natürlich niemals das Leben von anderen als Preis für sein eigenes Leben einsetzen sollte. Doch Brom schafft es, dass man bei dieser Fragestellung doch schwankt - denn vielleicht heiligt der Zweck ja doch die Mittel?
Da der Autor selbst am Krieg beteiligt gewesen ist, wirken die damit verbundenen Gefühle von Verlust, Schmerz, Rachelust und Verlorenheit sehr real und fesseln den Leser an die Geschichte, die einige unerwartete Wendungen nimmt und überraschenderweise sogar irgendwann unterhaltsam und amüsant wird. Auch wenn sich das zu Anfang sehr unbarmherzig anhört, bei all dieser Amoralität, unterschwelligem Zynismus, einigen überraschend perversen Stellen und dem Aufeinanderprallen zweier verschiedener Welten muss man sich doch ab und an doch schlapplachen, weil man sich fragt, wie der Autor auf derart viele kranke Ideen kommt. Und dennoch hält er immer die Waage zwischen voranschreitender Handlung und all dieser Gewalt. Das ist definitiv etwas, was man bewundern muss. Deswegen bleibt das Buch auch durchgehend spannend, sodass einem die vorüberfliegenden Seiten nicht so bewusst sind und man hofft, dass diese Katastrophe, auf die scheinbar alles zuwandert, nicht Realität wird. Und eins kann man verraten: Brom hat keine Scheu davor, einem ebenso wenig Hoffnung auf ein gutes Ende zu lassen wie Peter, seine Teufel oder ihre Gegenspieler sie haben. So bleibt es packend bis auf die letzten Seiten und endet, wie man es nicht erwarten würde, sodass man nur dasitzt, vielleicht an den Fingernägeln kaut, auf und ab wippt und vor sich hin murmelt, dass das doch nicht sein kann, die Charaktere, insbesondere Peter, dazu auffordert, endlich etwas zu tun, damit sich etwas zum Guten wendet, so sehr ist man in der Geschichte gefangen.
Ein kleiner Kritikpunkt ist jedoch, dass diese Geschichte zwar atemberaubend spannend ist, allerdings nur einige Tage, höchstens ein halber Monat auf diesen Seiten zusammengefasst werden. Dies mag man kaum glauben angesichts von 650 Seiten, allerdings hat Brom eben einen ausschweifenden, wundervollen Schreibstil, der vor allem Umgebungen und Emotionen hervorragend darstellen kann. Daher kann einem das etwas langwierig vorkommen, wenn man solche langen Bücher nicht (mehr) gewohnt ist. Natürlich bietet er darin eine sehr fantasievolle Welt mit real wirkenden Kindern mitten im Kriegsgebiet und einem psychopathischen, charmanten Kinderdieb und Killer, jedoch fragt man sich doch ab und an, wann denn endlich mal der nächste Tag anbricht und ob die Handlung zumindest von der Seitenanzahl her schneller voranschreitet.




Trotz seiner Länge ist Der Kinderdieb eine wundervoll schreckliche Geschichte, die mit viel Tiefgründigkeit, pervertierender Gewalt und Spannung manch einen, der den Disney-Peter-Pan mochte, dazu zu bewegen, sich eher in diese schaurig-schöne Version zu verlieben. Es ist sehr rasant, sehr atmosphärisch, und untergräbt vor allem das Schwarzweiß-Denken des Lesers, da man sich nicht sicher ist, wer für einen tatsächlich den Antagonisten darstellt, denn alle haben gute Gründe, so zu sein, wie sie sind. Daher findet man vor allem in Nick einen Sympathieträger innerhalb der Geschichte, kann aber sonst keinen von den näher erläuterten Charaktere hassen, ohne wenigstens einen Hauch von Mitleid mit ihm zu empfinden Eine sehr originelle, unbeschönigte und vor allem fantastische Idee mit guter, wenn auch leicht langwieriger Ausarbeitung! Definitiv eine Empfehlung für Menschen, denen es High Fantasy und Horror angetan hat!





Ich gebe dem Buch:


Herzchen (4.67)





Extra:


Der Trailer zu diesem Buch ist ebenfalls sehr schön gemacht. Hier klicken, um ihn euch anzusehen :3


CU
Sana

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