Mittwoch, 27. April 2016

♥Albtraumschleife♥

3 Uhr morgens. Es ist tatsächlich 3 Uhr morgens.
Und ich sitze hier in meinem Bett und schreibe. Um 3 Uhr fucking morgens.


Ich bin ein Mensch mit einer sehr großen Fantasie, die sich logischerweise auch in Träumen widerspiegelt. Vor zwei Jahren habe ich ein Traumtagebuch geführt, dies auch einmal in einem meiner Posts angesprochen, aber ich habe irgendwann damit aufgehört, da ich zu ausführlich schrieb, die Träume nie forciert auf einen Punkt bringen konnte und es so immer unbequemer wurde, mit Tintenfüller und Büchlein auf der Couch zu sitzen und sich die Finger wund zu schreiben und das Handgelenk in einen blauen Fleck zu verwandeln, weil man damit ständig über die Seiten fährt. Da drin stehen ziemlich verrückte Visionen. Ein von Sirenen aufgefressener Alex Pettyfer inmitten des Pazifiks. Das Pokerspielen mit einigen meiner nächsten Verwandten auf einem Feld voller Exkremente der unterschiedlichsten Tierarten. Ein Freund, der überhaupt nicht aussah wie besagter Freund, es aber dennoch war, verfolgt mich in einem Krankenhaus und will mich mit einer Spritze in die Vene umbringen. Alles stammt aus meinem Kopf, mit einer unbewussten verdrehten Symbolik und auch einem Sinn dahinter.
Die Kehrseite davon habe ich gerade hinter mir.
Ich habe Angst, das Licht auszumachen. Seit 18 Minuten ist es an, und ich wage immer noch nicht, mich umzudrehen und das kleine Rädchen zu drehen, bis der kleinere der beiden Schirme mir kein Licht mehr schenkt. Ich zittere noch ein wenig, mein Atem geht eher flach, obwohl ich versuche, tief durchzuatmen. Ich fühle mich erhitzt, als hätte ich Fieber, aber weder bin ich krank noch bin ich verschwitzt in meinem kleinen Hemdchen. Da sitzt ein Kloß in meinem Hals, obwohl keine Tränen in meinen Augen stehen.
So ist mir das vorher noch nie passiert, und in mir sträubt sich alles dagegen, einfach Gras über die Sache wachsen zu lassen, weil das ein so neues Gefühl ist. Ich muss diese Gedanken aufschreiben, um mich zu beruhigen und vielleicht wieder einschlafen zu können. Kann man sich müde und hellwach gleichzeitig fühlen? Ich schwöre, das es mir gerade genau so geht.
Albträume sind bei mir nicht häufig, allerdings läuft es bei deren Auftauchen nach ein und demselben Schema ab. Die Träume sind häufig düster gehalten, meistens spiegelt sich die Handlung in der Nacht oder dem dunklen Raum wieder, in dem sich alles abspielt. Irgendwann wird mir innerhalb des Traums bewusst, dass es ein Traum ist, sei dies durch Verhaltensweisen von Personen, die sie nie an den Tag legen würden, durch eine irrationale Handlung oder durch das Auftauchen einer Figur, die mir nie begegnet ist. Denn ja, die obligatorischen kleinen Mädchen aus beliebten Horrorfilmen haben in meinem Kopf auch ab und an ihre Auftritte, und immer haben sie eine zerstörende Kraft. Jedenfalls wird ab diesem Moment, in dem ich mir meines Träumens gewahr werde, das gesamte Aussehen der Szenerie verändert. Ich befinde mich zwar immer noch am gleichen Ort, aber es ist so, als würde die Wahrnehmung dieses Ortes verzerrt. Als würde man auf einmal nicht mehr aus meiner Perspektive sehen, sondern aus der Froschperspektive, Vogelperspektive, durch plötzliches Licht oder auffällige Schatten, durch ein reißendes Geräusch und ein  verschwommenes Bild, als würde eine alte Aufnahme einer Videokamera abgebrochen; alles wird zu einem grauenerregenden Schwarz-Weiß-Film mit schrecklichen Effekten und surrealen Belichtungen.
Und dann schreie ich. Ich lege mich im Traum auf den Boden oder versuche, irgendwie eine Schlafposition zu finden, damit ich mich in meinen Körper hineinversetzen kann, und schreie, so laut ich kann. Oftmals werden dabei die Bilder vor meinem inneren Auge noch abgehackter. Ich schreie bis ich heiser werde und will in der Realität aus meiner Paralyse erwachen und in das Schreien meines Traum-Ichs mit einstimmen, um mich bewegen zu können, rausgerissen zu werden aus dieser perfiden Szenerie. Ich will spüren, wie sich mein Mund leicht öffnet und erst ein lautloser, und schließlich ein ganzer Schrei meine Kehle emporklettert und meine Lippen verlässt. Dann will ich mich bewegen, um um mich greifen zu können, die Sanftheit der Decke, die Kühle der Wasserflasche an meinem Bett, die steifen Leinen meines Kissens, die Unregelmäßigkeit meiner körnigen Wand, den glatten Stegreif der Lampe. An irgendwas will ich mich klammern, damit ich nicht wieder hineingesogen werde in diese absurde Dimension, damit ich in die Realität zurückfinden kann.
Dieses Unterfangen ist häufig so anstrengend und schockierend, dass ich an meinem ganzen Körper Schweißperlen herabrinnen spüre, als würde die Schlechtigkeit des Traums aus meinen Poren dringen, ebenso wie aus meinen Augen, und wenn ich denke, mich alleine nicht bewegen zu können, brülle ich um Hilfe, egal ob Richtung Elternzimmer oder durch das Handy.
Aber diesmal war und ist es anders. Und ich kann nicht umhin, mich zu wundern, was und ob dies etwas zu bedeuten hat. 
Es war kein verrückter oder inhaltlich schlechter Traum. Zu Beginn ist mir nicht mal aufgefallen, dass dies ein Traum war. Es war genau dieselbe Uhrzeit wie kurz bevor ich einschlief, und ich hatte den Blick auf mein Handy geheftet. Die ganz gewöhnlichen Sachen. YouTube durchstöbern, Goodreads nach Neuigkeiten durchsuchen, Nachrichten ansehen ... Whatsapp checken und mit Freunden oder anderen Leuten Nachrichten austauschen oder deren Status durchsehen. Wirklich nichts Besonderes, nichts, was einem Angst machen würde, wie man es normalerweise von einem Albtraum gewohnt ist. Nur ein Mädchen, das Probleme beim Einschlafen hat und deswegen in der Dunkelheit ihres Zimmers die Möglichkeiten der Mikrotechnologie nutzt. Stinknormal.
Doch dann merkte ich, dass einige der Statusmeldungen nicht stimmen konnten. Er würde nie so viele Emojis benutzen, dachte ich. Sie hat ausnahmsweise mal was Optimistisches und Lebensbejahendes in ihrem Status stehen?, fragte ich mich. Wie, nun ist KleinundHipster doch mit dem Kerl zusammengekommen, den sie wollte? Die Dummbratze aus dem Kurs gesteht in den wenigen erlaubten Zeichen im Status, wie häufig sie ihre Fotos bearbeitet?
Ich traf dann auf verstörendere Dinge. Hatte auf einmal wieder zu Personen Kontakt, die aus meinem Leben ausradiert waren. Drohnachrichten. Beschuldigungen. Eine Nachricht meines zehnjährigen Ichs mit viel zu vielen Ausrufezeichen und viel zu wenig Kommata. Ein Heiratsantrag von einem Mädchen. Enge Kontakte wurden gelöscht, sehr geringschätzige oder auch vollkommen unbekannte Kontakte nahmen zu, und so wurden die Nachrichten und Statusmeldungen immer abstruser und merkwürdiger.
Ich schaute mich um und wollte aufwachen. Das war eine Art Verstörung, wie ich sie in einem Albtraum nicht erlebt hatte. Ich steckte weder in unmittelbarer Gefahr noch jemand, den ich liebte. Doch es war wie das Erschaffen eines Paralleluniversums gegen meinen Willen, ein Universum, in dem ich nicht über mich selbst bestimmte.
Und ich dachte, ich wäre erwacht. Doch als ich nach der Wasserflasche neben meinem Bett griff, erinnerte diese nur haarfein an das Gefühl der erfrischenden Kühle. Ich streckte die Beine nach oben und spürte die Anspannung meiner Muskeln so leicht wie die März-Sonne auf der Haut. Ich knallte meinen Kopf gegen den Rahmen des Bettes, und ich spürte nur sehr dumpfen Schmerz.
Ich schrie noch einmal, aus Leibeskräften. Warf meinen Körper wild hin und her, schlug mit den Händen auf meine Matratze ein, ballte die Hände zu Fäusten.
Und ich dachte, ich wäre erwacht. Diesmal fühlte sich alles an, wie es sollte, vor allem im Vergleich zu vorher. Doch als ich aus dem Bett aufstehen wollte, um meine Mutter zu suchen, merke ich, dass meine Beine nicht mitmachten, als seien sie nicht da. Ich schlief immer noch. Ich zog mich mittels meiner Hände aus dem Bett und landete kopfüber auf dem nackten Boden meines Zimmers; ich fiel genau auf die Stelle, die mir neuerdings beim Aufstehen so wehtut. Diesmal nichts. Ich rappelte mich auf und versuchte, zur Tür zu stürmen, ich schrie nach meiner Mutter, aber es war nicht mal meine Stimme, die rief. Es war eine mir unbekannte Stimme. Und meine Beine. Meine Beine wurden hochgerissen, und ich hielt mich mit Leibeskräften an der Türklinke fest, fest entschlossen, sie zu öffnen. Doch der Geist, diese merkwürdige Kraft, die meine Fußgelenke umklammert hielt, zerrte fester, Wind kam auf, obwohl meine Fenster und Rollläden fest verschlossen sind, und reißt mich hoch, sodass ich mich nur mit einer Hand noch am Boden halten kann. Ich flehe und flehe, aber der Wind wird nur stärker, bläst mir meine zerzausten Haare ins Gesicht und mein T-Shirt über den Kopf.
Auf einmal ist die Schwerelosigkeit, das Geringe der Tür und des Geistes um meinen Körper um, und ich falle. Höre meine Zähne brechen, denn ich bin mit dem nach unten gerichteten Gesicht frontal auf nacktem massiven Boden gelandet. Blut läuft über mein Kinn, aber ich spüre die dazugehörige Wärme nicht. Mein Mund öffnet sich zu einem Schrei zwischen stummen Schluchzern.
Und hier sitze ich um mittlerweile vier Uhr morgens und schreibe diesen Eintrag, weil ich diese Erfahrung einfach so erschreckend finde. Eine scheinbare Endlosschleife, die ich nicht auf Anhieb zu durchbrechen fähig war, obwohl dies bei anderen Albträumen immer ganz gut geklappt hat, trotz der damit verknüpften Mühe. Es mag sich verrückt anhören, aber ich war so glücklich, als ich nach der Flasche gegriffen und erkannt habe, dass sie so kalt ist, wie sie sein sollte. Das Licht anzumachen und durchzuatmen, obwohl es verstörend viel Angst gemacht hat, weiterhin zu liegen.
Und deswegen sitze ich hier um vier Uhr morgens und schreibe diesen Eintrag.
Wenn ich ins Tiefenpsychologische gehen wollte, was soll mir dieser Traum zeigen? Meine Angst vor dem Verlust der Kontrolle über mich? Dass ich über meine Freunde, meine Zuflucht und über mein Tun bestimmen will? Oder zeigt es vielleicht, dass irgendeine kleine, tief in mir verborgene destruktive Seite inzwischen einen Weg über mein luzides Träumen hinaus gefunden hat, um mich in unangenehmen Situationen festzuhalten, aus denen es kein Entrinnen gibt?
Ich kriege Gänsehaut bei letzterer Vermutung.
Aber ruhig bleiben. Ich muss schlafen. Ich wollte mich schließlich mit diesem Eintrag beruhigen, nicht das Gegenteil davon.
Meine Augenlider sind auf einmal so schwer, aber ich will nicht auf das Gefühl der harten Tasten unter meinen Fingern verzichten. Sie fühlen sich so real an. Meine Finger sind so wunderbar verkrampft. Meine Nägel so scharf und kantig.
Ein. Aus. Ein. Aus. Ein Schluck Wasser.
Ich bin wach. Und so merkwürdig das sein mag, ich will nicht schlafen, obwohl ich das sollte. In weniger als 4 Stunden beginnt der Unterricht. Aber das hier ist so real, ich möchte nicht darauf verzichten und wieder in Gefahr geraten, nicht mehr unterscheiden zu können, was echt ist und was nicht. Ob ich wach bin oder nicht.
Vielleicht sollte ich nach Mitternacht keine tiefsinnigen Gespräche führen, die in Richtung Unabhängigkeit gehen.
Puh. Jetzt habe ich sogar noch Schluckauf. Ulkig in dieser Situation.
Wie dem auch sei, hinlegen und erstmal bewusst denken.
Ich bin da. Das ist echt. Du hast die Kontrolle darüber.

CU
Sana

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