Sonntag, 18. Oktober 2015

:)Rezension:): Ich wünschte, ich könnte dich hassen

Grundwissen:


Titel: Ich wünschte, ich könnte dich hassen (original: Stolen)
Autor/-in: Lucy Christopher
Erschienen: 20.01.2011 im Chicken-House-Verlag
Seitenanzahl: 372 Seiten
Preis: 8, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Drama; Thriller; Young Adult; Survival





Inhalt:


''I guess it's a bit like us in the city, or the city itself ... dead to look at, but underneath it's tingling.'' - Ty (S. 174)



Als Gemma zu sich kommt, begreift sie nur langsam, dass sie entführt worden ist. Offenbar war ihre Zufallsbekanntschaft Ty doch nicht so freundlich wie sie dachte und hat sie ins australische Outback verschleppt. Ty meint es ernst. Er will für immer mit Gemma zusammen sein. Jedes Detail hat er bedacht, bis auf eines: Gemma will nichts von ihm. Sie versucht alles, um zu entkommen. Nach und nach entwickelt Gemma dann aber doch Gefühle für Ty – und bringt ihr Leben damit in höchste Gefahr.






Meine Meinung ...




zum Cover:



Amerikanisches Cover Nr.1: ♥♥♥♥

Deutsches Cover: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr.2: ♥♥♥♥




















Obwohl schlichte Aufmachungen allgemein in den seltensten Fällen nicht auch elegant sind oder das gewisse Etwas haben, doch in diesem Fall sind die Cover leider zu unauffällig. 
An dem deutschen Cover könnte man aufgrund all der wenigen Farben einfach vorbeigehen, auch wenn Tys Gesicht mit den intensiven blauen Augen wirklich passend ist und auch der Titel den inneren Konflikt der Protagonistin sehr gut widerspiegelt. 
Die amerikanischen Gestaltungen hingegen sind zwar auch sehr einfach gestaltet, jedoch haben sie beide wirklich schöne Motive für die Geschichte gefunden. Die Spinnweben auf dem zweiten Cover mit dem orangen Schmetterling besitzen einfach etwas sehr Düsteres und zeigen prinzipiell, wie eine Beute - Gemma - aus einem Spinnennetz - Ty - entkommt. Von daher ist das eine wunderschöne Metaphorik, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht erkennen kann. Jedoch ist das leuchtend rote Cover mit den vielen Sternen und Gemma neben der Hütte im Vordergrund das schönste von allen. Man kann sich darin verlieren, wenn man es lange ansieht, sodass man das Gefühl bekommt, den Zauber Australiens leibhaftig spüren zu können. Außerdem ist der Titel Stolen: A letter to my captor wirklich treffend, da sich Gemma mehrere Male genau auf dieses Wort bezieht, es mehrmals verwendet und der gesamte Roman ja in Briefform verfasst in. Insofern hätte man wirklich keinen besseren Titel auswählen können!





zum Buch:





Entführt und verschleppt zu werden ist wohl eine der größten Ängste, die ein Mensch zeit seines Lebens entwickeln kann, insbesondere Frauen, wenn sie bei Nacht unterwegs sind. Wer kennt das schon nicht, dass man den Schlüsselbund fester umfasst oder sein Handy immer wieder an der Tasche fühlt, um sich sicherer zu fühlen? Sich ins Gedächtnis zu rufen, ob jemand weiß, wo man gerade ist, damit man am richtigen Ort sucht, wenn man verschwindet?
So stellt man sich eine typische Entführung vor. Nachts, in Kälte und Dunkelheit, plötzlich daherkommend. Auch Gemma, Protagonistin, Briefschreiberin und Entführte dieses Romans, hat sich bestimmt etwas vollkommen anderes unter einer Entführung vorgestellt, als auf dem Flughafen angesprochen zu werden und nach einem gemeinsamen Kaffee mit dem Fremden zu merken, dass sie nicht mehr geradeaus denken und sich nicht wehren kann.
Mit diesem spannenden Einstieg in die Geschichte von Gemma und Ty gelingt es der Autorin, den Leser direkt an den langen, langen Brief, den Gemma an Ty schreibt, zu fesseln. Das Faszinierende hierbei ist, dass im Laufe des Buches äußerlich gesehen sehr wenig passiert. Man ist in der Wüste, isoliert von allen Menschen, ohne die Möglichkeit, irgendwie Kontakt aufzunehmen. Dementsprechende Monotonie und Ermangelung von Action kann man von diesem Buch erwarten, jedoch ist man dennoch von der inneren Handlung, den Veränderungen der Charaktere und allem, was zwischen den beiden passiert, so gefesselt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Dies kommt vor allem durch den wunderbar atmosphärischen Schreibstil zustande, der sehr poetisch ist, allerdings niemals zum Schwafeln neigt. Stattdessen bekommt man wundervolle Landschaftsbeschreibungen der australischen Wüste, ihren Lebewesen und vor allem vom Innenleben der Charaktere geliefert, und zwar auf eine sehr besondere und eindringliche Weise. Man kann die Hitze der Wüstensonne und die Ausweglosigkeit der Situation förmlich am eigenen Leib spüren. Zusätzlich dazu bewirkt die Briefform des Romanes auch eine gewisse Intimität zwischen Gemma und dem Leser selbst, da der Leser die Rolle Tys annimmt und man sich so immer direkt angesprochen fühlt. Dadurch entwickelt man eine noch größere Nähe zur Geschichte und fühlt sich trotz dieser unangenehmen Angelegenheit pudelwohl in der Haut, auch wenn man Gemmas anfänglichen Hass und ihr Misstrauen sehr wohl zu spüren bekommt.
Dies ist es auch, was das Buch so aus der Masse herausragen lässt. Denn in so vielen Jugendbüchern wird Stalking und Obsession als hochromantisch dargestellt, als seien die Betroffenen die besten Liebhaber der Welt und als sei dieses ständige Aufsuchen und Bedrängen des oder der Angebeteten vollkommen normal und sogar erwünscht. Edward Cullen aus Twilight oder Christian Grey aus Shades of Grey wären die besten Beispiele für solche männlichen Charaktere, die trotz ihrer Psychosen so idealisiert werden. Teilweise erwächst in einem selbst sogar die Theorie, dass Ty sich an diesen oder ähnlichen Personen ein Beispiel genommen haben muss, weil er sein Tun als vollkommen richtig empfindet und Gemmas Angst und Skepsis ihm gegenüber nicht begreifen kann. Alleine aufgrund dessen hasst man Ty zumindest so sehr wie Gemma und will ihn genauso schnell verlassen oder sich Mordpläne überlegen wie die Protagonistin. Zwar gibt es keinen Zeitpunkt, an dem er sie verletzt, jedoch kann man trotzdem einen Menschen, der einen anderen aus welchen Gründen auch immer entführt und ihn gegen seinen Willen abseits der Zivilisation festhält, nicht als sympathisch oder gesund bezeichnen. Insofern ist man in derselben Position wie Gemma, was sie trotz eher mangelnder Hintergrundgeschichte sehr greifbar erscheinen lässt. Man bewundert ihren nie schwindenden Mut, sich aus der Situation hinauszumanövrieren zu wollen, und schätzt ihren Kampfgeist und ihre teilweise auftauchende Cleverness. Zu keinem Zeitpunkt tut sie etwas nicht Nachvollziehbares oder etwas, was einen dazu verleitet, an ihrem Verstand zu zweifeln, trotz des bereits im Klappentext erwähnten Aspektes, dass ihr Hass für ihn nachlässt. Jedoch ist dies, so wie die Autorin es darstellt, wirklich verständlich und sehr gut gelöst, denn man spürt die Einsamkeit der Wüste mit Gemma, man hat niemanden außer diesem einen Jungen, der einiges durchmachen musste und der aufgrund all seiner vergangenen Probleme und seines Lebens keine Möglichkeit hatte, jemals zu lernen, wie man mit Menschen wirklich umgeht, und außerdem begreift man gemeinsam mit ihr, dass Tys Gründe, sie zu entführen, so makaber sie im ersten Moment auch klingen und auch keine Entführung legitimieren, vielleicht gar nicht so weltfremd sind.
Insofern gerät man in denselben inneren Konflikt, den Gemma durchläuft. Ist Ty wirklich nichts anderes als ein kranker junger Mann, oder ist er einfach nur gebrochen und sehnt sich nach einem Menschen, der ihn und seine Ansichten versteht? Ist er ein Monster, weil er sie entführt hat, ihr allerdings niemals körperliches Leid angetan, sie nie zu etwas gezwungen hat? Ist er hassenswert oder kann man vielleicht doch einige Funken Sympathie für ihn aufbringen? Selbst am Ende ist man genauso ratlos, wie Gemma es ist. Das beste daran ist einfach, dass es plausibel ist und sich auf diesem schmalen Grad zwischen Stockholm-Syndrom und wahren Gefühlen bewegt. Ist dies echt, was Gemma fühlt, oder fühlt sie dies nur, weil sie sonst niemanden hat? Will sie seine Nähe, weil sie seine Nähe will oder weil ihr Nähe generell fehlt? Mit wem würde man sich zusammentun, wenn man inmitten einer einsamen Wüste ist und niemanden sonst hat? Zu was wäre man bereit und warum wäre man es? All dies sind philosophische Fragen, auf die man keine klare Antwort findet, mit denen Gemma jedoch durch das Schreiben dieses Briefes versucht, umzugehen. Dieses Gefühlschaos ist wahrlich mal etwas erfrischend Anderes im Gegensatz zu all den Geschichten, in denen Charaktere nicht zusammen sein können, weil aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. In diesem Fall haben die Figuren echte Probleme und kein kleines Teenie-Drama, für das man ein ganzes Buch braucht.
Doch nicht nur damit setzt sich die Autorin des Buches auseinander, sondern prangert durch Ty auch noch massenhaft Kritik an der heutigen Gesellschaft an. Nicht nur, dass Entführer oder Menschen, die gegen das Gesetz verstoßen haben, immer als Ungeheuer dargestellt und deren Motive für ihre Taten zur Seite geschoben werden, auch das Leben in einer Stadt voller falscher Menschen, die Familie und Liebe in den Hintergrund rücken, um an das große Geld zu kommen, wird angesprochen und durch den fast schon anarchischen Charakter Tys deutlich gemacht. Es ist interessant, wie man ihm teilweise zustimmt, auch wenn eine Pauschalisierung dieser Lebensweise natürlich absolut nicht zutrifft. Man kann ihn jedoch verstehen, begreift langsam, warum das Leben abseits von Menschen so viel mehr für ihn zu bieten hat und kann sogar wie Gemma ansatzweise mit ihm sympathisieren. Insofern hat Lucy Christopher einen sehr vielschichtigen Charakter erschaffen, von dem man bis zum Ende nicht sagen kann, was man von ihm halten soll. Eins ist jedoch sicher: Er bringt Gemma dazu, andere Perspektiven einzunehmen, ihr früheres Leben zu hinterfragen und sich von Grund auf zu verändern. Von daher findet eine sehr schöne Charakterentwicklung statt, deren Auflösung man zwar nicht mehr mitbekommt, sich jedoch bis dahin an diesem ganzen Chaos beglücken kann. Denn selten war Chaos so zerbrechlich, so schön und zugleich so metaphorisch. Vor allem dieses eine Symbol in Form eines Tieres, das sich durch das gesamte Buch zieht ... wundervoll.
Ab und an hat dieses Buch zwar gewisse Längen, da es nur manchmal von seiner Monotonie abweicht durch Fluchtversuche Gemmas oder ganz spannende Wendungen, die sich gegen Ende der Geschichte ereignen, jedoch ist der Verlauf trotz der proklamierten Liebesgeschichte alles andere als vorhersehbar. Niemand kann sich eine Entführung vorstellen, niemand kann sich ausmalen, was dies für psychologische Schäden für das Opfer hat, und keiner kann einschätzen, wie man seine Tage unter ständiger Beobachtung und von Außen abgeschnitten verbringen würde. Dafür hat Christopher eine relativ originelle Story auf die Beine gestellt, die man sehr gerne mitverfolgt und die auf eine äußerst ruhige Weise sehr mitreißend. Vor allem die letzten fünfzig Seiten geleiten einen durch alle möglichen Emotionen, bis man schließlich das Buch zuklappt und einfach nur hingerissen und entsetzt zugleich ist. Denn es endet wirklich sehr offen, jedoch befriedigt es die den Leser trotzdem, weil er einfach sehr viele Möglichkeiten hat, sich ein eigenes Ende vorzustellen. Denn eben genau das sind Briefe: Sie fangen Momente ein, können aber nicht die ganze Geschichte erzählen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie enden, hört die Geschichte auf. Genauso wie ein Liebesbrief an eine Person nicht bedeuten muss, dass er noch immer aktuell ist oder dass das Paar für immer glücklich zusammen war. Und obwohl man so gerne wissen würde, welche Entscheidungen nach Beenden des Briefes gefällt werden, es hätte doch den harmonischen Aufbau der Geschichte zerstört. Insofern hätte man es gar nicht besser treffen können.




Insgesamt ein einfach nur fantastisches Buch, das bis auf einige Hänger wirklich überzeugen kann. Es ist die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle, ohne großartige Action vorzuweisen oder mit unerwarteten Wendungen zu überraschen. Es ist hochemotional, tiefgründig, packend und sehr philosophisch, was mit der vorwiegenden äußeren Ruhe und inneren Aufgewühltheit wirklich eine tolle Mischung ergibt. Das außergewöhnliche Setting des australischen Outbacks gekoppelt mit einem zauberhaften Schreibstil ergeben somit ein sehr gutes Jugendbuch, das unverfälschte Wahrheiten wiedergibt und definitiv manch einen ebenso zum Nachdenken bringen wird wie Gemma, die als sympathische Protagonistin, mit der man sich identifizieren kann, das Tüpfelchen auf dem i bildet.






Ich gebe dem Buch:


♥. Herzchen (4.67)





Extra:


Hier der englische Buchtrailer *klick*
Außerdem kann man noch sehr viele fanmade Trailer dazu finden, jedoch meistens und lustigerweise mit Nina Dobrev und Ian Somerhalder als Hauptdarsteller ... diese Idee kam mir während des Lesens wirklich nie xD



CU
Sana

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