Samstag, 12. September 2015

:)Rezension:): Alles muss versteckt sein

Grundwissen:


Titel: Alles muss versteckt sein
Autor/-in: Wiebke Lorenz
Erschienen: 2012 im Karl-Blessing-Verlag
Seitenanzahl: 340 Seiten
Preis: 15, 95 € (broschiert); 7, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Thriller; Mystery; Drama; Horror; Adult




Inhalt:


Ich war stolz, stolz auf mich, richtig stolz, dass der Kobold in meinem Kopf mich diesmal nicht unterkriegen, mich diesmal nicht in die Flucht schlagen oder in Panik versetzen konnte. - Marie (S. 181)


Ihre Gedanken sind mörderisch, ihre eigene Angst davor unaussprechlich: Nach einem Schicksalsschlag erkrankt Marie an aggressiven Zwangsgedanken, betrachtet sich als Gefahr für sich selbst und andere. Monatelang kämpft sie gegen die grausamen Mordfantasien an, die wie Kobolde durch ihren Kopf spuken, ständig verbunden mit der Panik, sie könne diese furchtbar realen Fantasien eines Tages nicht mehr kontrollieren und in die Tat umsetzen. Und dieser Tag kommt, als Marie neben ihrem toten Freund erwacht, der mit einem Messer auf grausamste Weise niedergemetzelt wurde. Am Ende eines Gerichtsprozesses wird sie aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit zum Maßregelvollzug in der forensischen Psychiatrie verurteilt. Dort sucht Marie verzweifelt nach Erinnerungen an die Mordnacht, denn für Marie selbst sind die Geschehnisse wie ausgelöscht. Nur ihr Arzt Jan scheint sie zu verstehen und ihr helfen zu wollen. Aber schon bald wächst in Marie der Verdacht, dass in Wahrheit vielleicht nichts so gewesen ist, wie es scheint... 



*Quelle: amazon.de





Meine Meinung ...





zum Cover:



Deutsches Cover: ♥♥♥♥♥



Nicht nur sieht man diesem blutigen und düsterem Cover an, das es sich um einen Thriller handelt, sondern auch die verschränkten Hände und das Kleid der Frau sagen im Prinzip schon aus, dass sich dieses Buch auch teilweise mit Kindern beschäftigt und die Protagonistin eine Kindergärtnerin ist. Außerdem wird so die düstere und irreale Atmosphäre mit diesen dunklen Tönen perfekt wiedergegeben. Abrunden tut dies der Titel, der die Thematik der Kinder, auf die sich Maries Zwangsgedanken richten, anschneidet und außerdem ihren Wunsch, dieses Monster in sich zu verstecken und ihre Gedanken niemals zu Taten werden zu lassen. Was außerdem auch interessant ist, ist die Tatsache, dass Marie sich oft an kleine Sprichwörter oder Singsang klammert, die typisch für Kinder sind, wozu Eckstein, Eckstein, Eckstein - alles muss versteckt sein ja gehört. Insgesamt wundervoll und nicht zu bemängeln!






zum Buch:





Die Frau, die bekanntlich nur klischeehafte, kitschige Frauenromane mit ihrer Schwester schreiben kann - gibt es da auch nur den Hauch einer Chance, dass sie einen guten, packenden und unter die Haut gehenden Thriller verfassen kann?
Und wie. Schon so lange hat dieses Buch auf meiner Wunschliste gestanden, und das Warten hat sich wirklich gelohnt. Denn nicht nur bietet es eine interessante und verstrickte Geschichte, die auf den ersten Blick simpler erscheint als sie ist, sondern auch die Darstellung einer wirklich faszinierenden Erkrankung, die wirklich jeden treffen könnte und die in ihren Ausmaßen sehr variabel ist.
Dies kann Lorenz vor allem mit ihrem Schreibstil sehr gut rüberbringen. Alles, was sie beschreibt, wirkt sehr bruchstückhaft und ruft daher eine Art verzerrtes Bild von der Handlung und der Situation hervor, weswegen man selbst als Leser manchmal daran zweifelt, ob eine Vorstellung Maries nun in die Realität umgesetzt wurde oder nicht. Das kommt vor allem dadurch zustande, dass der Schreibstil der Autorin sehr flüssig ist und man kaum je wegen diversen Formulierungen oder der Wortwahl stockt. Hierbei hat sie es geschafft, philosophische und deprimierende Gedankenansätze geschickt mit konsequenter Grausamkeit und einem kleinen Funken Hoffnung zu verbinden, weswegen man trotz der eher gängigen Sprache in diesem Buch sehr viel Abwechslung vorfindet. Man schwimmt deswegen quasi durch die Geschichte und kann nicht umhin, ein Kapitel nach dem anderen zu lesen.
Da die Autorin die Gesamtlage und Maries Gemütszustand somit sehr gut beschreiben kann, kann man die Protagonistin dieses Romans wirklich gut verstehen und sich teilweise in sie hineinversetzen, und zwar nicht nur, wenn man selbst von Zwangsgedanken oder sonstigen Psychosen verfallen ist. Denn wer hat nicht schon Angst, dass in einem selbst ein Monster steckt, das nur darauf wartet, entfesselt zu werden und zu zerstören? Wer hat keine dunkle Seite, die in Gedanken schon schlimme Dinge angerichtet hat, versucht ist, moralisch und ethisch Falsches zu tun, einfach um den Kick zu spüren und herausfinden zu wollen, wie es sich anfühlt, böse zu sein? Denn in jedem Menschen existiert etwas, was man nicht einschätzen kann und niemals vollkommen verstehen wird. An der Figur von Marie wird jedoch außergewöhnlich gut gezeigt, wie sehr dieses Unwissen einen plagen kann, denn prinzipiell ist Marie eine sehr ruhige und auch freundliche Frau, etwas zu zurückhaltend und vielleicht auch naiv. Hätte sie ihre Krankheit nicht, so hätte ich sie garantiert als langweilig empfunden, da sie einfach ist wie eine Durchschnittsfrau. In ihren Sitzungen erkennt man jedoch, was sich hinter dieser blonden Gestalt verbirgt, was sie alles erleiden und verlieren musste, und wie sie letztlich das Gefühl bekommt, auch sich selbst verloren zu haben und stattdessen fremdgesteuert zu werden. Diesen Einblick in ihre Psyche zu bekommen ist schlichtweg faszinierend und kann auch aufgrund dem Handlungsverlauf wirklich motivierend und kräftigend sein, wenn schon eine scheinbar so schwache Persönlichkeit es schafft, Klarheit in das Ganze zu bekommen. Ihre Entwicklung ist wirklich schön mitzuverfolgen, und auch wenn sie nicht die scharfsinnigste ist und man wichtige Hinweise einige Seiten vor ihr registriert, so ist sie dennoch ein Charakter, mit dem man sich identifizieren kann und für den man nach und nach immer mehr Respekt hegt für den Kampf, den er zurücklegt.
Doch abgesehen davon, dass man Maries Vergangenheit kennenlernt und ihr beim Wachstum zusieht, herrscht immer noch die große Frage, was nun in der schicksalhaften Nacht geschehen ist, dank der Marie eingesperrt wurde. Schon von Beginn an ist einem klar, dass da etwas faul ist und einige Dinge nicht zusammenpassen. Es tauchen so viele Fragen auf: Warum hat Marie keine Erinnerungen an ihre Tat? Welche Motive hätte sie? Hat irgendjemand eine Falschaussage gemacht? Was hätte ihren Freund zur Zielscheibe gemacht? Dies bringt Lorenz den Lesern zum einen durch die Erinnerungen Maries näher, in denen man sie innerhalb ihrer Beziehung zu Patrick und anderen Menschen außerhalb der Klinik kennenlernt, jedoch auch mit diversen Konfrontationen, die Marie mit den Mitmenschen innerhalb der Klinik hat, beispielsweise als ihr Exmann Christopher auftaucht. Man erlebt mit, wie alles in sich zusammengefallen ist wie ein Kartenhaus, versucht aber, in diesem Chaos die Ursache dafür zu finden und nimmt dabei jeden Nebencharakter unter die Lupe. Sie alle erscheinen auf den ersten Blick wie Stereotypen oder wie nichts Besonderes, doch im Laufe der Geschichte bekommt jeder von ihnen einen außergewöhnlichen Anteil an der Geschichte und trägt dazu bei, dass sich die Puzzlestücke langsam zusammenfügen. Und bis man dieses Puzzle gelöst hat, wird man mit Personen konfrontiert, die es wirklich in sich haben. Vor allem Maries Mitbewohnerin Hannah erscheint durch ihre multiple Persönlichkeit sehr vielschichtig und spielt eine wichtige Rolle dabei, dass Marie sich und anderen wieder vertrauen lernt. Die Szenen zwischen den beiden Frauen strahlen eine gewisse Ruhe und Vertrauensseligkeit inmitten all der Scherben, die ihrer beider Leben bildet, aus, weswegen es sehr entspannend ist, den beiden zu folgen. Doch auch die Familie Gerlach, mit der Marie überwiegend Kontakt außerhalb der Klinik gehegt hat, bildet einen abwechslungsreichen Haufen, der zwar in sich stimmig ist, die Autorin es jedoch darauf ausgelegt hat, den Lesern zu zeigen, dass dort etwas im Busch ist, vor allem bezüglich Felix und seiner Beziehung zu Maries Freund Patrick. In solchen Abschnitten merkt man, wie schnell die Autorin von Ernst zu Ausgelassenheit, von Feierlaune zu Feindseligkeit, von Normalität zur Anormalität hin- und herspringen kann, ohne den Leser dabei aus der Bahn zu werfen. Man entwickelt mit der Zeit genau dieselben Theorien wie die Charaktere und meint, die Antwort bereits zu kennen, nur damit die Autorin einem die rosarote Brille abnehmen und einem teuflisch lachend zeigen kann, dass man sich in falscher Sicherheit wähnte, ebenso wie Marie.
In Verbindung mit dieser Tiefgründigkeit der Figuren und der hohen Spannung wegen dem ständigen Spinnen von Theorien ist die Atmosphäre jedoch das, was einen am meisten fesselt. Alles muss versteckt sein ist eines dieser Bücher, die zwar von den äußeren Handlungen her sehr ruhig sind, in denen jedoch viel innere Entwicklung stattfindet und Veränderungen eher schleichend antreten, sich an den Leser heranpirschen wie ein Mörder mit einem Messer, ebenso wie Marie von ihren Gedanken heimgesucht wird. Es ist gruselig, ohne dass Dunkelheit, Puppen oder sonstige übliche Horrorelemente verwendet werden müssen, denn das Unheimliche ist doch, dass alles Brutale, was sich ereignet, sich doch nur in Maries Kopf ereignet. Von daher passt sich die Handlung des Buches in Prinzip auf die Gedankenwelt der Protagonistin an und schafft es so, den Leser durch gedachte Taten, gedachte Morde und gedachte Verschwörungstheorien zu packen und es dabei bis zum Ende zu schaffen, dass man Unsicherheit darüber verspürt, ob bestimmte Ereignisse wirklich geschehen sind oder bloß so dargestellt worden, als seien sie es. Es klingt sehr kryptisch und verzweigt, aber genau das ist das Besondere an diesem Buch: Man kann sich niemals sicher sein. Man verdächtigt so ziemlich jeden. Man könnte alles als in einem anderen Licht dargestellt sehen, als es tatsächlich ist. So wie die Autorin mehrfach betont, es ist alles nur eine Kopfsache - wobei der Bezug auf Andreas Bouranis Lied, der hergestellt wid, einen immer wieder zum Schmunzeln bringen kann.




Alles in allem ist Wiebke Lorenz mit diesem Thriller ein außergewöhnliches Werk gelungen. Nicht nur werden bestimmte Krankheitsbilder und damit verbundene Gedanken wunderbar realistisch und verständlich dargestellt, nein, auch ist es sehr spannend, in Maries Vergangenheit zu blicken und sich selbst zusammenzureimen, was nun eigentlich geschehen ist und ob sie tatsächlich schuldig ist oder doch etwas vollkommen anderes eingetreten ist, als man zunächst denkt. Marie ist zwar nicht der originellste Hauptcharakter überhaupt, jedoch muss man sie für ihre Entwicklung und ihre Kampfeslust einfach bewundern; Menschen, die selbst nicht über sich hinauswachsen können, können hierbei durchaus ein Vorbild für die eigene Weiterentwicklung gefunden haben. Auch die restlichen Charaktere können einen immer wieder überraschen, ebenso wie die Handlung und das mörderische Ratespiel. Doch vor allem zeigt die Autorin eines an diesem Roman - dass jeder Mensch eine dunkle Seite hat, es aber einzig und allein in unserer Macht liegt, wie wir mit uns selbst umgehen. Auf seine ruhige Weise wirklich schauderhaft unheimlich, psychisch ergreifend und auf kranke Weise motivierend! Eine Empfehlung für alle Thrillerfans!




Ich gebe dem Buch:


♥♥♥♥.♥  Herzchen (4.58)





Extra:


Da ich Frauenromane nicht sonderlich gerne lese, verweise ich mit diesen Links nur auf zwei weitere Thriller dieser Autorin, die hoffentlich einen eben solchen Wert haben wie Alles muss versteckt sein.






CU
Sana

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