Freitag, 3. Juli 2015

►Film-Review◄: Swing Kids

Grundwissen:


Titel: Swing Kids (original: Swing Kids)
Regisseur: Thomas Carter
Produktionsfirma: Hollywood Pictures
Erschienen: 1993
Dauer: 112 Minuten (1 Stunde, 52 Minuten)
Altersfreigabe: FSK 12
Preis: 7, 99 € (DVD; erschienen: 2.05.2013)
Genre: Drama; Historisch











Inhalt:



Swing Heil!


Während des Dritten Reichs erwacht in Peter, Thomas und Arvid die Begeisterung für Jazzmusik. Sie zählen sich zu den ,,Swing-Kids", die trotz Verbots zu den Klängen von Benny Goodman tanzen. Als Peter wegen eines Vergehens der Hitler-Jugend beitreten muss, folgt ihm sein Freund Thomas. Doch anders als Peter lässt sich Thomas schnell für die Ideale des Nationalsozialismus begeistern. Als der behinderte Arvid von Nazi-Schlägern zusammengeknüppelt wird, verschärft sich der Konflikt zwischen den einstigen Freunden.





Meine Meinung ...





zum Film:




Es mag vielleicht vorurteilsbelastet oder engstirnig klingen, jedoch habe ich noch nie von einem Film über das Dritte Reich und Nazis gehört, der nicht in Deutschland produziert wurde. Denn, wie auch immer man es nun dreht und wendet: Wenn es um das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit und die filmische Inszenierung dessen geht, ist Deutschland ein sehr guter Produzent. Von daher betrachtete ich Swing Kids bereits von Anfang an mit einer gewissen Skepsis, die sich jedoch als nicht notwendig herausgestellt hat.
Was in allen Nazi-Filmen, die ich bis jetzt gesehen habe, immer wunderbar funktioniert hat, ist die Interaktion zwischen den Schauspielern und die damit sehr glaubhaft dargestellte Grausamkeit und Anziehungskraft der Nazis. Denn man kann sagen, was man möchte, auch wenn die Nazis sehr verdrehte und kranke Vorstellungen hatten und wahrscheinlich die schrecklichsten Menschen überhaupt waren, man kann ihnen nicht verwehren, dass sie sehr
geschickt darin waren, Menschen für ihre Sache zu begeistern. Und dies kommt in diesem Drama sehr gut rüber, dieser schleichende Prozess des Einsetzens dieses rassistischen Denkens, das einem das Gefühl gibt, zu einer Gruppe dazuzugehören und nicht sinnlos zu leben. Vor allem anhand von Peter und der zerbrechenden Freundschaft der jungen Männer wird dies deutlich, insbesondere wenn sie realisieren, dass die Swing-Jugend und die HJ auf Dauer nicht miteinander zu vereinen sind. Das führt nicht nur eine Verschlechterung der Verhältnisse untereinander, sondern auch zu einer drastischen Änderung des Charakters, der sich vor allem in Gewalt und Sturheit äußert.
Diese Entwicklung der Geschichte findet man insbesondere wegen der lang gewählten Exposition so schlimm, denn der Regisseur lässt dem Zuschauer viel Zeit, etwas über das Schicksal der jungen Protagonisten zu erfahren, sodass man ihren Alltag, ihren sozialen Hintergrund, ihre Familie und vor allem ihre Leidenschaft kennenlernt. Die Veränderung all dessen wird aus diesem Grund natürlich umso drastischer, auch wenn zugegeben werden muss, dass die Charaktere sich nur bis zu einem gewissen Grad voneinander unterscheiden
lassen. Arvid fällt hierbei offenkundig durch sein Hinken und sein streberhaftes Aussehen aus dem Rahmen, was durch seine Art zu denken und seine etwas friedlicher gestimmte Art noch unterstrichen wird. Peter und Thomas und auch alle anderen Swing-Kids und Hitler-Jungen, die man kennenlernt, sind hingegen nicht so leicht auseinanderzuhalten, vielleicht aufgrund der Uniformität ihres Aussehens und ihres nach und nach vereinheitlichten Denkens, vielleicht auch aufgrund der ähnlichen Ausdrucksweise oder dem Aggressionspotential, das in diesem Film äußerst hoch ist; es vergehen keine zwanzig Minuten bis zum Ausbruch einer Prügelei. Insofern empfindet man zwar schon Mitleid mit den Figuren, vor allem mit Peter, der seinen Vater verloren hat, und Thomas, der von seinen Eltern nicht beachtet wird, jedoch reicht die Beziehung, die man zu ihnen aufbaut, nicht für mehr aus. Sie alle, auch Arvid, haben eine sehr kratzbürstige und temperamentvolle Ader, die sich auch darin ausdrückt, dass man den physisch leicht Behinderten der Freunde öfter einfach nur zum eigenen Vergnügen auslacht und hänselt; unter Freunden und im Spaß gemeint wäre dies vollkommen in Ordnung gewesen, aber man hat doch immer wieder gemerkt, dass derjenige, der seine Späßchen macht, für alle Anwesenden im Raum eine Grenze überschritten hat. Von daher ist es schwer, die Charaktere einzuschätzen, auch wenn sie sich im Laufe der Geschichte einer großen Entwicklung unterziehen und am Ende nichts mehr so ist wie am Anfang.
Von daher können die Produzenten sehr mit der eigentlichen Plotline punkten. Es herrscht zwar in jedem Film über Nationalsozialisten dieses Leitmotiv der Jugend, die in das Ganze hineingesogen wird - zumindest verlaufen alle Nazi-Filme, die ich kenne, nach diesem Schema -, jedoch ist durch den Aspekt des Swing und durch eine Art Feindschaft zwischen den Überläufern der Swing Kids und der Swing-Jugend selbst ein wenig Frische in das Ganze gekommen, sodass man den Handlungsverlauf gerne mitverfolgt hat. Vor allem ist es schön gewesen zu sehen, dass nicht nur die HJ, sondern auch die Swing Kids äußerst anziehend auf Jugendliche wirken können, was uns in diesem Drama an einem Mädchen dargestellt wird, das ansonsten nur Disziplin und Zurückhaltung gekannt hat. Auch die
daraus resultierenden Tanzszenen sind wirklich eindrucksvoll und können den Zuschauer begeistern, auch wenn der Musikgeschmack ein anderer sein sollte. Es ist einfach schön, die Jugendlichen bei ihrem Hobby ausspannen zu sehen und eine Zeit der Freude zu empfinden, obwohl Krieg herrscht und viele junge Leute auch zwangsrekrutiert werden. Wem bricht es bitte nicht das Herz, einen kleinen Jungen in Uniform zu sehen, der den Hitlergruß macht?
Somit kann der Film von der emotionalen Seite her den Zuschauer anrühren, was durch die tiefgründigen Gespräche der Charaktere und einen ganz ausgefallenen Darstellungsstil der Charaktere unterstrichen wird. Nicht nur die Situationen bei den Jungen zuhause sind dramatisch, sondern auch die allgemeine Plotline, die immer weiter bröckelnde Verteidigung gegen die Nazis und der immer stärker in den Vordergrund rückende Gedanke, dass diese Sache, für die man sich begeistert, sei es nun Swing oder Nazitum, doch nicht so gut ist, wie man immer geglaubt hat. Man begleitet Peter dabei, wie er die Befehle des Gestapo-Offiziers Knopp hinterfragt und schließlich auch einen Blick in die Pakete wirft, die er ausliefern, ein Auge bei den Leuten zudrückt, die er bespitzeln soll. Auch das Ereignis, das zu dieser Rückbesinnung Peters führt, ist wahnsinnig überraschend gewesen und hat zu einer Kette von Ereignissen geführt, die sich am Ende dieses Filmes in alles andere als ein Happy End ausweiten. Es herrscht so viel Tragik, Wut und Verständnislosigkeit, die einen mitreißen und den Film trotz einiger Längen vor allem zu Beginn von Swing Kids genießen lassen.
Teilweise jedoch kann der Film für einige Leute durchaus ein wenig kompliziert sein, vor
allem da man manche Verhältnisse, wie die von Peters Mutter zu Knopps, nicht versteht oder aber sehr viel nachdenken muss, um beispielsweise zu verstehen, warum einige Charaktere sich als Hitler-Freunde präsentieren, obwohl sie dies nicht sind - denn das hat weitaus mehr Gründe als die offensichtliche Bespitzelung selbst von Freunden und Familienmitgliedern. Außerdem wirken einige Szenen aufgrund ihrer Häufigkeit auch eher repetitiv, zum Beispiel die Razzien der Swing-Clubs, die mit einem Ausnahmefall niemals böse für die Personen enden, auf die sich die Geschichte fokussiert.
Außerdem ist es schwer, diesen Film als ein wirklich besonderes Werk zu sehen, denn der stereotypische historische Verlauf bleibt trotz der Originalität, die der Swing mit sich bringt, dennoch vorhanden, weswegen man, sollte man solche Filme mögen, das Gefühl hat, man hätte etwas Derartiges schon einmal irgendwo gesehen. Auch die drei Jungs sind von dem Aufbau ihres Charakters her, wie schon oben erwähnt, nicht die innovativsten Figuren und können einen deswegen nicht so ganz mitreißen. Zwar sind die meisten recht nett und bleiben auch nicht statisch, aber dennoch fehlt etwas, was den Funken auf den Zuschauer überspringen lässt.




Insgesamt kein schlechter Film, vor allem aufgrund der gelungenen Tanzinszenierungen und all den Emotionen, die auf den Zuschauer überfärben können. Man wechselt geschickt zwischen Dramatik und kleinen Momenten des Glücks und zeigt die Wirksamkeit der Gehirnwäsche der Nationalsozialisten wirklich sehr gut auf. Es fehlt jedoch das gewisse Etwas, was vielleicht an der eher mangelnden Atmosphäre, an gebrauchten Ideen, die versucht wurden, frisch verpackt zu werden, oder an den Stereotypen liegen, die den Hauptcharakteren trotz einer glaubwürdigen Entwicklung und einer Geschichte zugrunde liegen. Wenn man sich speziell für Swing begeistern kann, so könnte der Film passend für einen sein, ansonsten würde ich behaupten, dass es bessere Filme gibt, die den Nationalsozialismus thematisieren.





Ich gebe dem Film:


♥♥.♥   Herzchen (3.42)




Extra: 


Wer sich für das Thema Nationalsozialismus ebenso interessiert wie ich, er sollte einen Blick auf den Trailer zu dem deutschen Film Napola werfen, denn der zählt zu den besten deutschen Filmen und den besten Filmen über Nazis, den ich je gesehen habe.


CU
Sana

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