Samstag, 20. Juni 2015

:)Rezension:): Frau Jenny Treibel

Grundwissen:


Titel: Frau Jenny Treibel
Autor/-in: Theodor Fontane
Erschienen: 27.07.2010 im Schöningh-Verlag; original im Jahre 1892
Seitenanzahl: 216 Seiten (ohne Hintergrundinformationen)
Preis: 5, 95 € (Taschenbuch)
Genre: Adult; Historical Fiction; Drama; Comedy; Klassiker





Inhalt:

,,Denn jede philanthropische Regung, weshalb man die Philantrophie schon aus Selbstsucht kultivieren sollte, bedeutet die Mehrung des Appetits.'' - Professor Wilibald Schmidt (S. 87)



In Berlin sind zwei Familien durch die sittsam verhüllte Vergangenheit der Kommerzienrätin Jenny Treibels und ihres Jugendfreundes Wilibald Schmidt seit Langem miteinander verbunden. Vor allem das Gedicht ,,Wo sich Herz zum Herzen find't'' hält die poetische und verträumte Jenny bei jedem Diner, das ihre Familie gibt, stets in Ehren. Jedoch kommen finstere Zeiten auf die Freundschaft zwischen den großbürgerlichen und gebildeten Familien zu, da Corinna, Wilibalds Tochter, gelangweilt ist vom Leben einer Professorentochter und nach Höherem strebt. Und wer könnte ihr dies besser geben als die wohlhabende Familie Treibel? Jenny jedoch hat andere Pläne für die Zukunft ihrer Söhne und zeigt mit eisernem Willen, wie gering ihre Bereitschaft für eine Schwiegertochter niederen Standes ist ...





Meine Meinung ...











zum Cover:




Deutsches Cover Nr. 1: ♥♥♥
Deutsches Cover Nr. 2: ♥♥♥






















Deutsches Cover Nr. 3: ♥♥
Deutsches Cover Nr. 4: ♥♥♥

























Generell besitzt dieser alte Roman durchaus schönere Aufmachungen als alle anderen Bücher, die ich für die Schule lesen musste und die etwa genauso alt oder älter als dieses Werk sind. Vor allem Cover Nr. 2 und Nr. 4 spiegeln insgesamt die vermeintliche Hauptfigur dieses Romans - Jenny - wirklich gut wider. Auf beiden Darstellungen wirkt sie eitel und wie die Bourgeois, die sie im tiefsten Inneren und hinter den Kulissen ist. Das letzte Cover gefällt mir jedoch noch einen Ticken besser, da sie dort wahrscheinlich gerade ihren Jugendfreund Professor Schmidt begrüßt, und diese Beziehung zwischen den beiden sowohl bereits in der Anfangsszene gezeigt wird, andererseits sie generell im Verlauf der Erzählung eine wichtige Rolle spielt. Insofern haben der Fischer-FJB- und Diogenes-Verlag in der Gestaltung gute Arbeit geleistet.
Aufgrund dieses schrecklichen Weinrotes gefällt mir das erste Cover eher mäßig, auch wenn das Motiv dem des letzten Covers gleicht.
Bei allen Aufmachungen gleichermaßen finde ich allerdings den gewählten Titel eher unpassend. Jenny ist zwar jemand, der das Geschehen beeinflusst und der wohl die Figur ist, die Fontane noch am meisten kritisieren will, aber ich finde nicht, dass man sie wirklich als Hauptfigur bezeichnen kann. Wo sich Herz zum Herzen find't, was der Alternativtitel ist, finde ich viel schöner, weil das vorher erwähnte Gedicht von Schmidt eine große Symbollastigkeit hat und außerdem zeigt, wie Liebe wirklich sein sollte.






zum Buch:





Frau Jenny Treibel bzw. Wo sich Herz zum Herzen find't ist ein Roman aus der Zeit des Königreichs Preußen. Eine Zeit, in der Deutschland das Industrieland war, in der der Kapitalismus an Macht gewann und sich eher Geldsack zum Geldsack gefunden hat, was auch hervorragend an den beiden Familien gezeigt wird, die uns Fontane näherbringt. Und obwohl diese Zeiten ziemlich weit weg erscheinen, so dürfte dieser Roman doch dem gleichkommen, was man heute an zeitgenössischer Literatur zu bieten hat. 
Man könnte sogar behaupten, es handle sich bei dieser Geschichte um eine ähnliche, wie sie damals über Romeo Montague und Julia Capulet von Shakespeare verfasst worden war. Aber eben mit viel weniger Dramatik und einem ganzen Stück weniger romantischer Liebe. Denn bis auf Leopold kann man eigentlich von keiner Figur sprechen, die so etwas überhaupt empfindet.
Generell zeichnet sich dieser Roman vor allem durch seine Kritik an der Gesellschaft aus, die sich nicht nur auf die damalige, sondern auch heutige beziehen lässt. So ungern man es zugibt, soziale Stände bzw. Klassen spielen noch immer eine wichtige Rolle im Leben eines jeden und beeinflussen dieses auch auf gute oder schlechte Weise. Unter meinen Altersgenossen ist dieses Standesbewusstsein vor allem an Markenklamotten festgemacht worden: Wer keinen Hollister-Pullover besitzt, der ist gleich raus. Insofern könnte dieser Roman unter gewissen Bedingungen auch im Deutschland der heutigen Zeit spielen. Fontane prangert an, dass selbst das Bildungsbürgertum, das sich durch sein Wissen und seinen lehrhaften Ton und vor allem das Streben nach geistig ,,Höherem'', nur daran interessiert ist, in der Gesellschaft aufzusteigen, auch wenn dieses die Bourgeoisie verachtet. Am besten erkennt man dies noch an Gesprächen zwischen Wilibald und seinen Freunden, die sich allen Ernstes darüber unterhalten, ob denn nun Hummer oder Krebse besser sind. Fontanes Verachtung für diese Menschen lässt sich sehr gut anhand der Überspitzung der Szenen und durch das Vorführen der Widersprüchlichkeit einzelner Personen ausmachen, doch zugleich schwingt auch eine gewisse Note von Verständnis mit, vor allem gegenüber Corinna. Dennoch bleibt Fontane grundlegend negativ zu diesem Streben nach höherem Einkommen, großen Villen und Brillantohrringen eingestellt, was die Kritik an seinen Hauptfiguren umso schärfer erscheinen lässt. Dazu erzählt er die Geschichte zwar wirklich ausführlich und man muss sich durch die ersten 50 - 70 Seiten aufgrund all des Small-Talks und der Unwichtigkeiten in diesen durchquälen, jedoch wirkt auch eine gewisse Frische in seinen Worten amüsierend auf den Leser, sodass die Geschichte zwar prinzipiell nichts Besonderes ist, Fontane ihr aber doch einen gewissen Pepp verleihen kann. 
Dies ändert aber nichts daran, dass mir weniger detaillierte Gespräche zwischen diesen Blubberköpfen bestimmt eher gefallen hätten, als ihrem verlogenen Gerede über Literatur und ihren ach so philosophischen Sprüchen zuzuhören, vor allem wenn man sich selbst nicht mit den Werken auskennt, die dort besprochen werden. Man fühlt sich aufgrund dessen wirklich wie ein Kleinkind, das noch keine Silbe sprechen kann und Erwachsenen bei ihrem unverständlichen Gerede zuhört. Insofern ist dieser Roman teilweise wirklich anstrengend, da man keinen blassen Schimmer hat, worüber diese Personen dort reden und das Informieren über diese Themen viel zu lange dauern würde. Noch schlimmer ist es allerdings dadurch, dass man mit all diesen Personen - eventuell mit Ausnahme von Professor Schmidt - nicht warm wird. Selten habe ich so unsympathische und heuchlerische Charaktere kennengelernt, wobei einer schlimmer ist als der andere. Jenny Treibel hängt einem schon von Anfang an zum Hals raus, weil sie so nostalgisch ist und poetisch tut, obwohl sie nicht das Geringste davon versteht und letztlich doch selbst nicht weiß, was sie möchte: einerseits ist sie eifersüchtig auf Menschen, die in schlechteren Kreisen leben als sie, auf der anderen Seite verachtet sie sie und sonnt sich darin, dass sie von jenen beneidet wird. Eine vollkommen irrationale Frau, die außerdem noch einen gewaltigen Kontrollwahn hat und hierbei das Weicheier-Dasein ihres Mannes und ihrer Söhne für ihre Zwecke ausnutzt. Generell erschien mir die Treibelsippe widerwärtig und selbst Leopold, der an sich genau dieses romantische Denken hat, das seine Mutter zu denken vorgibt, ist aufgrund seiner Passivität und fehlenden Selbstbehauptung auch nichts mehr als ein Mann, der große Töne schwingt, jedoch nichts dafür tut, um sich ein eigenes Leben aufzubauen.
Die Freunde Schmidts und seine Familie sind auch nur im geringen Maße weniger abstoßend. Bei ihnen kommt man noch weniger in Gesprächen mit, und auch das ständige Schmachten der Haushälterin über ihren verstorbenen Ehemann geht einem dann doch auf den Geist. Von daher kann man verstehen, warum Corinna aus diesem Haushalt fliehen will und sich in Sicherheit darüber wiegt, dass der naive Leopold ihr dafür Tür und Tor öffnen wird. Von der nüchternen Seite aus betrachtet, kann man sie für dieses kombinatorische Geschick loben, aber sich an jemanden zu binden, um dem eigenen Schicksal zu entfliehen, empfinde ich doch als relativ schwach und auch von Verzweiflung geprägt. Letzten Endes tut sie einem zwar schon Leid, jedoch wünsche ich mir auch beim besten Willen nicht, dass es nach ihrer Nase läuft.
Grundlegend haben aber all diese unsympathischen Figuren etwas Gutes - sie haben Tiefe. Deswegen können sie mir noch so unsympathisch sein, Fontane hat eigentlich eine relativ gute Arbeit geleistet, sodass man ihm nicht vormachen kann, dass seine Charaktere zweidimensional wären. Vor allem die Geschichte zwischen Schmidt und Jenny ist eigentlich recht traurig und zeigt, wie ungerecht die Gesellschaft sein kann. Und nimmt man nicht immer in Kauf, auf Personen zu stoßen, die man nicht leiden kann, wenn man sich einen gesellschaftskritischen Roman zur Hand nimmt?
Was man jedoch auch nicht sonderlich loben kann, ist der Verlauf der Geschichte. Zwar hat mich das Ende überrascht, da es sehr realistisch ist - hätte mich in der Epoche des deutschen Realismus eigentlich nicht wundern müssen -, jedoch braucht Fontane unheimlich lange, um den Wendepunkt der Geschichte einzuführen. Bis dahin tritt das Geschehen des Romans eher auf der Stelle, was wegen den Charakteren und deren oberflächlichen Gesprächen umso schlechter zu ertragen ist. Auch kurz nach dem Wendepunkt passiert eigentlich kaum etwas, da man hauptsächlich eine Art Urteil abwartet, das nicht kommen will. Insofern besitzt das Buch alles andere als einen gelungenen Spannungsbogen.




Alles in allem ein eher durchschnittliches Buch, das man auch hervorragend auf unsere heutige Zeit übertragen kann. Zwar sind die Kritik und der Schreibstil Fontanes nicht zu verachten, ersteres sogar sehr wohl und spitz angeprangert, sodass der emotionale Grad der Geschichte trotz dem Fehlen von Liebe in einer ,,Liebesgeschichte'' sehr hoch ist, jedoch fehlt es an Sympathieträgern oder sonstigen Faktoren, die dazu beitragen, dass man weiterlesen will. Sollte man auf träge und vorhersehbare Handlungen und einen groben Plot stehen, so wäre dieser Roman bestimmt empfehlenswert. Ansonsten ist er jedoch durchschnittlich und auch kein Meisterwerk der deutschen Klassiker, das man lesen müsste.





Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen






Extra:


Sollte es jemanden interessieren, so lässt sich hier eine gelungene Zusammenfassung der Personenkonstellation finden, die ab und an aufgrund der Fülle an Charakteren doch etwas schwer zu erfassen ist.


CU
Sana

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