Montag, 15. Juni 2015

:)Rezension:): Das Parfum

Grundwissen:


Titel: Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders
Autor/in: Patrick Süskind
Erschienen: 1985 im Diogenes-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 320 Seiten
Preis: 10, 90 € (Taschenbuch)
Genre: Adult; Drama; Thriller





Inhalt:


Er würde einen Duft kreieren können, der nicht nur menschlich, sondern übermenschlich war, einen Engelsduft, der [...] übermenschlich war, einen Engelsduft, so unbeschreiblich gut und lebenskräftig, dass, wer ihn roch, bezaubert war und ihn, Grenouille, den Träger dieses Dufts, von ganzem Herzen lieben musste. Ja, lieben sollten sie ihn, wenn sie im Banne seines Duftes standen, nicht nur ihn als ihresgleichen akzeptieren, ihn lieben bis zum Wahnsinn, bis zur Selbstaufgabe, zittern vor Entzücken sollten sie, [...] wenn sie nur ihn, Grenouille, zu riechen bekamen! - S. 198


Im 18. Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden.
Jean-Baptiste Grenouille wird von seiner Mutter im Jahre 1738 inmitten des Fischmarktes von Paris auf die Welt gebracht und erlebt eine harte Kindheit. Doch der unscheinbare Junge hat eine einzigartige Gabe: Er kann jeden noch so außergewöhnlichen und feinen Geruch wahrnehmen. Diese Fähigkeit beschert ihm in seinem Leben manches Gute, doch sie macht ihn am Ende auch zum Mörder.



*Quelle: amazon.de



Meine Meinung ...





zum Cover:




Deutsches Cover: ♥♥♥
Amerikanisches Cover: ♥♥♥






















Leider finde ich beide Aufmachungen nicht sonderlich schön, weil sie zwar subtil, allerdings auch wenig aussagekräftig sind. Bei den Covern von Diogenes stellt sich mir generell oft die Frage nach dem ausgesuchten Motiv, und bei dieser nackten und im Bett liegenden Frau ist es mir nicht anders ergangen, auch wenn natürlich nach dem Lesen des Buches klar ist, warum es an sich passt. Dennoch lässt sich über die Schönheit dieses Gemäldes von Antoine Watteau streiten. Der Titel ist jedoch sehr schön gewählt und hat auch einen mysteriösen und knackigen Klang.
Die amerikanische Aufmachung ist sogar noch schlichter gehalten, jedoch finde ich den Schein mit dem Titel des Buches sehr schön gemacht und auch das Thema des Buches - Gerüche - ist durch die Darstellung der Nase ganz gut getroffen.





zum Buch:




Selten kann man älteren Werken, vor allem als Schüler, etwas Positives abgewinnen. Wenn es nicht der Schreibstil ist, der sehr ausschweifend ist (Fontane), oder Ungetüme von Sätzen, die jeden Grammatikkenner ins Schwitzen bringen (Kleist), so ist es vielleicht die etwas merkwürdige Handlung oder auch die zumeist vorherrschenden religiösen Vorstellungen, mit denen man sich mit Abnahme der Wichtigkeit von  der Kirche kaum noch identifizieren kann. Dabei fallen die Rezensionen auf diesem Blog hier sogar noch für die meisten der Bücher mit einer Wertung von 3 oder 3.5 Sternen aus, wenn man denn darüber hinwegsehen kann, dass es damals eben andere Zeiten und andere Vorstellungen waren und sich darauf einlassen kann.
Warum aber unterscheidet sich Süskinds Debüt so sehr von den anderen Romanen und Erzählungen, die üblicherweise in Schulen zu lesen sind und traurigerweise selten außerhalb in Betracht gezogen werden?
Zum einen unterscheidet sich Patrick Süskinds Schreibstil sehr von denen aus vergangenen Jahrhunderten, was natürlich auch daran liegt, weil es ein Buch ist, das in der Postmoderne entstanden ist. Dennoch erzählt der Autor auf sehr geduldige und atmosphärische Weise die Geschichte des jungen und grausamen Grenouille, der gefangen ist in einer Welt, die von dem Durchschnittsmenschen wahrscheinlich noch am wenigsten wahrgenommen wird: Die Welt der Gerüche. Man wird aufgrund all der Beschreibungen verschiedener Gerüche und dem Vergleichen dieser Gerüche mit verschiedenen Situationen und Grenouilles Faszination darüber wirklich in die Geschichte gerissen und fühlt sich wie in einem vollkommen harmonischen Land, auch wenn nicht alle Gerüche himmlisch sind und das 16. Jahrhundert in Frankreich mit einem ,,kaum vorstellbaren Gestank'' (S. 1, Z. 18) versehen war. Es nimmt einfach ein, weil man sich an Gerüche gewöhnt, bis man sie überhaupt nicht mehr wahrnimmt, und dies kann sowohl mit dem Geruch seines Lieblingsgerichtes als auch mit dem Geruch des Partners passieren. Zu lesen, inwiefern sog. Nasen wie Grenouille davon jedoch bereichert werden, ist eine wunderbare Erfahrung und man wünscht sich teilweise, ein ebensolches Talent zu haben wie Grenouille, so gut kann Süskind die Gerüche beschreiben und mit seinen Kommentaren und Informationen über die Enfleurage oder andere Verfahren, die in der Duftindustrie angewandt werden, wirklich fesseln, selbst Menschen wie mich, die keine Liebhaber von Parfums sind und einen eher schlechten Geruchssinn haben. 
Doch nicht nur diese Beschreibungen sind fabelhaft, sondern auch die Beschreibung Grenouilles und anderer Charaktere. Zwar ist Süskind wirklich sehr ausschweifend und verweilt sogar längere Zeit bei der Charakterisierung von Figuren, mit denen wir es nicht lange zu tun haben, jedoch sind diese Charaktere einfach so greifbar und realistisch, dass es einem nicht sonderlich viel ausmacht. Doch auch wenn dies so klingt, abgesehen von Grenouille haben wir keinen wirklichen Hauptcharakter. All die Menschen, die man kennenlernt, stellen eben nur Episoden aus seinem Leben dar, die alle auf dieselbe eigennützige Weise beginnen und auf dieselbe tragische Weise enden. Da diese Nebencharaktere sich größtenteils aus Industriemenschen und Kapitalisten zusammensetzen, sind die wenigsten einem tatsächlich sympathisch, jedoch muss man Süskind für diese Ausarbeitung und das Leben in diesen Figuren wirklich loben.
Derjenige, bei dem sich dies am besten hervorhebt, ist jedoch Protagonist Grenouille - oder sollte ich eher Antagonist sagen? Denn so sehr man es auch versucht, tatsächliche positive Eigenschaften kann man wohl kaum an dem emotional abgestumpften und weltfremden jungen Mann finden, der zu keinem Menschen dieses Romans jemals eine engere Beziehung eingeht oder aufsucht und auch vielfach als ,,Zeck'' beschrieben wird. Ein Parasit, den man sich loszuwerden bemüht, der letztlich aber doch immer seine Wirte mit einem Siegeszug verlässt. Selten ist man mit einem Charakter konfrontiert, der so außergewöhnlich und doch so mysteriös ist wie Grenouille. Es werden zwar viele Einblicke in seine Psyche gegeben und wir begleiten ihn von seiner Geburt auf einem stinkenden Fischmarkt bis zu seinen späten Zwanzigern, und trotzdem kann man nicht wirklich behaupten, ihn oder seine Beweggründe für seine späteren Morde zu kennen. Natürlich, er will sich den besten Geruch der ganzen Welt erschaffen - aber zu welchem Zweck? Weil er sich insgeheim doch Liebe und menschliche Nähe herbeisehnt? Weil er, wie er selbst von sich behauptet, ,,durch und durch böse'' ist? Weil er auf nichts weiter im Leben hoffen kann als das Entdecken und Kreieren von Düften? Wie auch immer die Antwort lauten mag, Süskind lässt den Leser mit dieser Frage zurück, und auch mit den gemischten Gefühlen gegenüber dem besonderen Knaben. Zwar ist dieser kein freundlicher oder gar sympathischer Mensch, jedoch hält dies nicht davon ab, eine gewisse Faszination für diesen Zeck zu entwickeln, ebenso wie den Wunsch, mehr über ihn und seine Beweggründe erfahren zu wollen. Insofern hat Süskind einen der einzigartigsten Hauptcharaktere überhaupt erschaffen, der wohl für viele Leser auch ein Mysterium und Phänomen bleiben wird.
Diese grenzenlose Originalität ist außerdem grundsätzlich etwas, was Süskinds Roman so besonders macht. Ich zumindest habe noch nie von einem fiktiven Werk gehört, das sich mit Personen mit einem solch stark ausgeprägten Geruchssinn auseinandersetzt und diesen zusätzlich noch zu einem Mörder macht, sodass diesem Roman Thrillerelemente zukommen, die durch die verschiedenen Perspektiven, die der Autor einnimmt, noch verstärkt wird. Außerdem ist das Setting äußerst speziell und abwechslungsreich, da Grenouille in all den Jahren eine Menge herumkommt und dabei verschiedenste Landschaften und Düfte mitnimmt, angefangen vom stinkenden und überbevölkerten Paris bis hin zu Grasse, das in vergangenen wie auch heutigen Tagen zu den Parfumstädten aller Zeiten gehört. Dort siedeln sich nun auch die Morde Grenouilles an, die an und für sich ebenfalls ganz extraordinär sind und die ganze Stadt in Aufruhr versetzt. Dabei schafft es Süskind außerdem, noch an der ein oder anderen Stellen eine Prise Gesellschaftskritik anzuprangern, angefangen von der Sensationsgier der Menschen über die Fixierung auf Gewinnmaximierung seitens der Kapitalisten und Fabrikanten bis hin zu allgemeiner Oberflächlichkeit und Dummheit durch das Täuschen ihrer Sinne, die schließlich im Verlauf des Buches durch Grenouilles Handeln vollkommen entblößt wird; es ist sogar nicht übertrieben zu sagen, dass man die Entwicklungen bis zum Ende des Romans hin gespannt verfolgt und kaum glauben kann, inwieweit Grenouille die Natur der Menschen zur Schau stellen konnte.
Hierbei ist es jedoch verständlich, dass sich die Meinungen über das Buch teilen, denn es ist sehr offensichtlich, dass diese Geschehnisse etwas an den Haaren herbeigezogen oder, freundlicher formuliert, überspitzt und unrealistisch sind. Vor allem das Ende ist trotz der Symbollastigkeit dahinter äußerst grotesk und wird vermutlich nicht nur mich mit einem verstörten Ausdruck im Gesicht zurücklassen. Von daher könnte dieses Ende nicht jedem gefallen, sondern eher als Zeichen dafür angesehen werden, als hätte Süskind die stetig vorhandene Ruhe in seinem Roman durch diese plötzlichen Wendungen und Gefühlsexplosionen - und die damit aufkommende Spannung - aufzuwiegeln versucht, was ihm jedoch nicht ganz gelungen ist, da es eher die innere Harmonie und das Gleichgewicht der Geschichte gestört hat. An einem Buch, das träge vor sich hin fließt, jedoch niemals stagniert, ist nämlich nichts auszusetzen, solange sich interessante und relevante Dinge ereignen, was Süskind durchaus geschafft hat.




Insgesamt ein wirklich guter Roman, der nicht nur eine einzigartige und spezielle Geschichte bereithält, sondern auch durch klar ausgearbeitete Figuren und den wohl merkwürdigsten, psychotischsten und faszinierendsten Prota- bzw. Antagonisten überzeugt. Wer sich für himmlische Düfte, kranke Machtvorstellungen, grausame Morde, für Frankreich interessiert und außerdem auch eine Vorliebe für Verstörendes, Atmosphärisches und Überraschendes hat, der wird in diesem Werk definitiv eine gute Wahl treffen. Auf jeden Fall empfehlenswert und besonders, egal ob man es nun als eine schlechte oder gute Art davon ansieht.






Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen





Extra:


Hier der Trailer zur Verfilmung des Buches.


CU
Sana

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