Samstag, 2. Mai 2015

:)Rezension:): Lenz

Grundwissen:


Titel: Lenz
Autor/in: Georg Büchner
Erschienen: erstmals 1839
Seitenanzahl: 25-32 Seiten (ohne jegliche Anhänge wie Texte aus Dem Hessischen Landboten, Editorische Notizen oder Nachworte)
Preis: 1, 60 € (Taschenbuch)
Genre: Biografie (?); Klassiker; Mindfuck





Inhalt:


,,Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist's gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es hässlich ist, das Gefühl, dass was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen.'' - S. 13 (Lenz)



Nach einem langen Marsch durch die Berge kommt der bekannte Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz bei seinem alten Freund und Pfarrer Oberlin an, um sich in seiner Gegenwart seiner Selbst wieder bewusst zu werden und den Wahnsinn, der sich in seinen Geist schleicht, zu verdrängen. Doch stattdessen suchen ihn Halluzinationen, unruhige Träume und ein plötzliches Gefühl der Angst heim. Eine Hommage an einen psychisch gestörten Autoren des 19. Jahrhunderts.





Meine Meinung ...




zum Cover:



Deutsches Cover Nr. 1:
Deutsches Cover Nr. 2:




















Amerikanisches Cover:




In diesem Fall ist das amerikanische Cover aufgrund von Lenzens Naturverbundenheit noch das aussagekräftigste und auch hübscheste der Aufmachungen. Die anderen sind wohl kaum in irgendeiner Weise erwähnenswert und gehen in all den anderen Aufmachungen für ältere deutsche Bücher unter.
Der Titel ist passend, da er den Namen des Hauptcharakters trägt und in diesem Buch auch kaum mehr vorzufinden ist als eine Charakterisierung dieser einst realen Person und ihren verrückten Tagen in den Bergen bei einem bekannten Pfarrer.





zum Buch:




Man bemerkt sicherlich schon zu Beginn dieses Blogeintrages, dass diese fragmentarische Erzählung nicht unbedingt dem entspricht, was man heutzutage ein gewöhnliches Buch nennt. Alleine das Wiedergeben des Inhalts fällt wirklich schwer, da es an sich eigentlich keine kontinuierliche Handlung gibt, was natürlich grundlegend dem psychischen Zustand des Protagonisten zuzuschreiben ist. Im Vordergrund steht sein Charakter und die durch ihn nur in Bruchstücken erlebte Realität; logisch, wenn man betrachtet, dass Büchner über einen Autor aus der literarischen Epoche Sturm und Drang schreibt, den der Wahnsinn laut Aufzeichnungen Büchners, Oberlins und weiteren Bekannten Jakob Lenzens ergriffen hat. Insofern kann man sogar davon ausgehen, dass diese Erzählung ,,bloß'' eine Art Rekonstruktion dieser insgesamt zwanzig Tage in den Bergen ist und man bloß darüber aufklären will, wer Lenz tatsächlich war und dass man ihn nicht nur als bloßen Wahnsinnigen sehen soll, der sich nicht in der Gesellschaft eingliedern kann. Kritik ist von daher schon in diesem Roman, der einer sich nicht auf das gesamte Leben des Autors beziehende Biografie gleicht, vorzufinden.
Sollte man jedoch von einem solchen Buch eine klare Handlung, detaillierte Charakterisierung der Personen und einen tatsächlichen Abschluss erwarten, so sollte man sich vor dieser Erzählung fernhalten, denn es gibt - sofern man sich nicht für menschliche Psyche, Schizophrenie und Depressionen interessiert - nicht viel, was einen dazu antreiben könnte, weiterzulesen. 
Dieses Gefühl wird vor allem durch den Schreibstil verstärkt, der zwar sehr zu Lenz passt, da er als schizophrener Mensch zusammenhanglos denkt und zudem nicht recht unterscheiden kann, was real ist und was nicht. Zwar sind einige Passagen durchaus poetisch, vor allem wenn Lenzens Liebe zur Natur deutlich wird, aber ansonsten kann der Schreibstil durch die durch Kommas aneinandergereihten Hauptsätze ziemlich langweilig wirken, sodass es passieren kann, dass man beim Lesen einschläft - das ist mir bis jetzt nur bei diesem Roman passiert - oder aber unwillkürlich die Stirn runzeln muss, weil einige verrückt klingende Dinge erwähnt werden, als seien sie vollkommen normal, beispielsweise ,,Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte.'' (S.1). Diese Kombination aus langen Sätzen und solchen merkwürdigen Äußerungen haben den Schreibstil auf Dauer etwas anstrengend gemacht, vor allem die ständige düstere und gruselige Atmosphäre, auch wenn sie natürlich Lenzens Geisteszustand hervorragend zur Geltung bringen und zeigen, dass dieses Buch der Schwarzen Romantik entspringt, die Kehrseite der idealisierten Welt voller Wunder, die man damals wegen der Verbundenheit und Orientierung zum Mittelalter gesehen hat. Auf dieser schwarzen Seite tauchen eben Tod, Suizid, mystische böse Kreaturen und Parapsycholgie auf.
Dadurch bekommt man leider auch den Eindruck, dass in dieser sowieso schon kurzen Erzählung nicht viel passiert und es auch keinerlei Spannung gibt, die etwas Abwechslung in das Buch gebracht hätte. Natürlich erkenne ich da das Problem, dass Büchner sich nicht hätte etwas aus den Fingern saugen können und dass er eben das niederschreibt, was seine Quellen ihm mitgeteilt haben, aber dennoch hätte ein interessanteres Umfeld und einige abwechslungsreichere Tage oder Handlungen Lenzens für ein größeres Interesse seines Schicksals gesorgt. Es läuft immer nach diesem Schema ab: Lenz ist in Ordnung, fühlt sich heimelig, gibt sogar einige intelligente Aussagen von sich, die zeigen, dass er ein kluger Kopf und Autor gewesen ist, doch plötzlich - vor allem zum Anbruch der Dunkelheit - überfällt ihn Angst vor Selbst- und Realitätsverlust und er versucht durch die Nähe zu Gott, Schmerzen oder Kälte sich selbst aus dieser akuten Krankheitsphase zu ziehen; dabei münden viele dieser Versuche in Selbstmordversuchen. Sobald man dieses Schema erfasst hat, gibt es nicht viele Dinge, mit denen der Schriftsteller den Leser schocken kann. Mich zumindest konnte er höchstens damit schocken, dass in mir umso mehr Faszination für psychische Krankheiten und umso mehr Mitleid für diejenigen Personen, die unter solchen leiden, entstanden ist.
Dies ist nämlich ein zugegebenermaßen starker Aspekt des Buches. Man kann Lenz zwar nicht besonders gut einschätzen, da er sich eben den Großteil des Buches in akuten Krankheitsphasen wiederfindet und man nur in den klaren Momenten etwas über seinen Charakter zu erfahren vermag. Dennoch erlebt man hautnah mit, wie er mit seiner Krankheit umgeht und man gar nicht anders kann, als Mitleid für ihn zu empfinden. Außerdem ist es sehr interessant, dass man durch die fehlende auktoriale Erzählperspektive genauso viel weiß wie der Hauptcharakter selbst. Man weiß nicht, ob etwas an den von ihm angeblich begangenen Morden etwas dran ist, ob er eine Familie hat, ob er mit einer speziellen Intention in Waldersdorf angekommen ist und was mit ihm am Ende der Erzählung passiert. Es ist alles ein riesiges Rätsel, das für den Leser ebenso unlösbar ist wie für den Protagonisten. Natürlich hat man es durch Kenntnisse über diese Krankheit einfacher, festzustellen, dass beispielsweise die Stimmen, die er vernimmt, Einbildung sind, aber was bestimmte Ereignisse in seinem Leben betrifft, so ist man sich keinesfalls sicher und alleine die vielen Filmadaptionen bieten lauter unterschiedliche Interpretationsansätze. Insofern hat Büchner es geschafft, Lenz nach wie vor in ein Mysterium zu verhüllen.
Doch die Intention hinter dieser Erzählung von Büchner ist nach wie vor schwer zu erfassen. Wollte er damit zeigen, dass man einen Verrückten nicht einfach ignorieren, sondern seine Geschichte hören soll? Wollte er andeuten, dass die Gesellschaft den Wahnsinn nicht begreift und zu feige ist, sie verstehen zu lernen? Viele Ansätze, Lenz zu verstehen, bietet Büchner selbst nämlich nicht. Wenn dieses Buch also weder eine Biografie, noch eine Unterhaltungserzählung, noch eine tatsächliche Lektion an uns alle sein soll - was will Büchner mir mit diesem Werk sagen?




Alles in allem ist dies eines der Bücher, dass sich in die Kategorie ,,Mindfuck'' einordnen lässt: Man ist am Ende des Buches genauso schlau wie den ganzen Roman über, es gibt keine Unterscheidung zwischen Realität und Fantasiewelt und Wahnvorstellungen, die Charaktere sind auf der einen Seite vielschichtig, auf der anderen so greifbar wie ein Rauchfaden, und man wird mit einem dicken fetten Fragezeichen im Gesicht zurückgelassen. Interessiert man sich für Psychologie, Wahnsinn und Bücher ebendieser Kategorie, so könnte man sich Lenz zu Gemüte führen, ansonsten jedoch wäre dies ein anstrengendes Werk Literatur, dessen Intention nur schwer greifbar ist. Ein schlechtes Buch ist dies nicht, aber was soll man mit einem Buch anfangen, dass zwar voller guter Ansätze ist, jedoch keine greifbare Aussage hat?






Ich gebe dem Buch:


♥.♥  Herzchen



Extra:


Wie bereits angedeutet, gibt es eine Filmadaptionen dieses Romans. Einer davon wurde in die Gegenwart gesetzt und ist meiner Meinung nach interessanter als das Buch, da man die Nebencharaktere viel genauer kennenlernt und er zwar nicht minder verwirrend ist als das Buch, jedoch trotzdem genauere Ansätze zur Interpretation gegeben werden.


Hier einige Informationen zum Film, da kein Trailer auffindbar ist.

CU
Sana

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