Freitag, 9. Januar 2015

:)Rezension:): Die Marquise von O...

Grundwissen:


Titel: Die Marquise von O...
Autor/-in: Heinrich von Kleist
Erschienen: 4.02.2009 im Schöningh-Verlag; 15.02.2011 im Artis&Winkler-Verlag (ursprünglich: 1808)
Seitenanzahl: 50 Seiten (ohne zusätzliche Geschichten und Anhang)
Preis: 4, 95 € (Taschenbuch/Hardcover)
Genre: Historical Fiction; Klassiker




Inhalt:


Sie sah die Unmöglichkeit ein, ihre Familie von ihrer Unschuld zu überzeugen, begriff, dass sie sich darüber trösten müsse, falls sie nicht untergehen wolle, und wenige Tage nur waren [...] verflossen, als der Schmerz ganz und gar dem heldenmütigen Vorsatz Platz machte, sich mit Stolz gegen die Anfälle der Welt zu rüsten. - S. 31

Am Anfang steht ein Rätsel. Die verwitwete Marquise von O… ist schwanger. Nur weiß sie nicht von wem. Ohne ihr Wissen, sagt sie, sei sie in andere Umstände gekommen. Ein Skandal, finden nicht nur die Verwandten. Die Marquise droht am Widerspruch zwischen ihren Gefühlen und den gesellschaftlichen Konventionen zu zerbrechen. Meisterhaft erzählt Kleist die Geschichte ihrer schuldlosen Verstrickung. Eine Novelle, die bis heute beispiellos in der Literaturgeschichte ist.



*Quelle: amazon.de




Meine Meinung ...




zum Cover:



♥♥♥

Man glaubt es kaum, aber es gibt tatsächlich eine Ausgabe des Buches, bei der sich doch wirklich mehr Mühe bei der Aufmachung gegeben wurde! Gratulation dafür erstmal. Und auch Gratulation dafür, dass diese Gestaltung auf verquere Weise einen Bezug zum Buch hat - denn in dem gesamten Buch sieht sich die Marquise damit konfrontiert, dass jeder sie verurteilt, obwohl sie doch ,,unschuldig'' geblieben ist. Aus diesem Grund passen meiner Meinung nach die Blumen auch so sehr, da es eine unausgesprochene, grausame Tat verdeckt und sich die Protagonistin auch irgendwo an dieses Verdecken klammert, die an ihr begangene Tat nicht wahrhaben will. Natürlich ist das Buch keinesfalls rosarot und niedlich, aber dass die Protagonistin es so haben will und die Tat wie gesagt nicht ausgesprochen wird, deutet schon irgendwo auf eine Art zu bewahrende Unschuld und einen zu bewahrenden Ruf hin. Vom Titel her ist es kurz, knackig und passt, da Julietta ja die Hauptperson ist.
Über die restlichen Ausgaben von Schöningh, Reclam usw. brauchen wir uns wohl nicht zu unterhalten, oder?
Aber - ich würde auf jeden Fall gerne diese Ausgabe haben wollen.




zum Buch:




Ist das Buch denn gut genug, um sich diese Ausgabe zu kaufen, anstatt sich bloß ein Exemplar aus der Schülerbibliothek auszuleihen? Ist das Buch mehr als etwas, was man eben nur für die Schule lesen muss und durch das man sich quält, oder versinkt es in der Masse von alten Schmökern, von denen man Hirnblutungen bekommt?
Überraschenderweise hat mir das Buch durchaus mehr gefallen als andere Romane, die ich von Kleist gelesen habe (beispielsweise Michael Kohlhaas). Vielleicht ist es Gewöhnungssache, aber Kleists allzu bekannter und gefürchteter Schreibstil ist sogar leichter zu ertragen als in anderen Büchern. Natürlich darf man bei all den Nebensätzen nicht die Orientierung verlieren und muss manchmal einige Sätze nochmals lesen, um sie zu verstehen, aber nach einer Weile ist es erträglich. Vielleicht liegt es auch an den wenigen Absätzen und langen Sätzen, dass man diese Kurzgeschichte innerhalb von ein paar Stunden lesen kann. Kleist schreibt zwar in einem etwas älterem Deutsch, jedoch ist es nicht allzu schwer zu verstehen und die Gefühle der Charaktere werden auch einigermaßen verständlich geschildert. Nichtsdestotrotz ist es etwas anstrengend, diese langen, langen, langen Sätze zu lesen, da es einfach so viele Details gibt, die der Autor hätte entfallen lassen können. Aus diesem Grund erscheint das Buch einem auch nicht besonders atmosphärisch und es können keine nennenswerten Höhe- oder Tiefpunkte ausgemacht werden. Was jedoch wiederum gefällt, ist die Art und Weise, wie Kleist die Geschichte aufrollt. Zunächst erwähnt er die gegenwärtige Situation, erläutert dann, wie es dazu kommen konnte, kommt in der Gegenwart an und lässt ab diesem Punkt auch der Geschichte freien Lauf. So ist es etwas interessanter, diese Geschichte zu lesen, da es etwas von einem Krimi hat und man gespannt auf die Lösung des Rätsels um die mysteriöse Schwangerschaft ist.
Bis dahin erlebt die Marquise von O... nämlich viele schwere Schicksalsschläge und muss sich mehrmals auf ein neues Leben einstellen. Dabei begleitet man Julietta gerne in ihrem neuen Leben und teilt ihre gespaltene Meinung bezüglich eines Mannes, der um ihre Hand anhält, und auch um die gesamte Sache mit ihrer Schwangerschaft. Denn, wie man weiß, ist es in damaligen Zeiten eine Schande gewesen, ein uneheliches Kind zu gebären, weswegen eine Heirat eine einigermaßen gute Rettung für den Ruf der Familie gewesen wäre. Julietta zeigt jedoch Sturheit bezüglich dieser Konventionen und steht hierbei in einem inneren Konflikt: möchte sie einen Mann heiraten, den sie nicht liebt, nur damit ihre Familie sie wieder aufnimmt? Denn, wie man eventuell an der Inhaltsangabe oben erkennen kann, ihre Familie akzeptiert Julietta nicht mehr und die junge Frau steht ganz allein da. Man kann ihren daraus resultierenden Rückzug aus der Gesellschaft und die Versprechungen, die sie macht, auch nachvollziehen, denn als Frau ohne einen Kindesvater oder ohne die eigene Familie durchzukommen stelle ich mir als äußerst schwer vor, sowohl von den finanziellen Mitteln her als auch von der emotionalen Basis. Aus dem Grund hofft man für sie, dass sie einen Weg findet, um aus ihrer Situation das Beste zu machen und dass sie sich nach all den schrecklichen Ereignissen wieder erholen kann. Auch sind ihre Entscheidungen verständlich, da man eben berücksichtigen muss, dass sie in einer anderen Zeit lebt und nicht die Mittel und Einstellungen zur Verfügung hatte, die wir unser Eigen nennen dürfen. Von daher ist sie ein durchaus sympathischer Hauptcharakter, der die ersten Anzeichen von weiblicher Emanzipation und viel Mut zeigt.
Die anderen Charaktere lernt man nicht so genau kennen und hat teilweise auch mit Stereotypen zu kämpfen, die für diese Zeit eben typisch gewesen sind. Zum Beispiel die unterwürfige Mutter, die jeden Wunsch des Vaters befolgt, und der Vater, der die Spitze in diesen patriarchischen Familiensystemen ist und die alleinige Entscheidungsfreiheit besitzt. Natürlich empfindet man weniger Sympathie wegen ihrem Verstoßen von Julietta und dem zwanghaften Festhalten der alten Traditionen, jedoch muss man beachten, dass sie eben nichts dafür kennen. So ist es früher nun einmal gewesen und sich von Altem zu lösen kann wahnsinnig erschreckend sein. Ein Charakter, der mir nach dem Leser immer noch ein Rätsel ist, ist jedoch der russische Offizier. Ich habe seine Handlungen nicht ganz nachvollziehen können und bin mir auch nicht sicher, ob man seinen Aussagen wirklich Glauben schenken kann. Außerdem kann ich ihn einfach nicht verstehen, und zwar auf ganzer Linie. Er ist einerseits ein Monster, andererseits ein romantischer Held, der um Julietta wirbt, obwohl er sie überhaupt nicht kennt. Vielleicht ist es etwas, was mit der russischen Kultur zu tun hat, mit der ich mich wenig auskenne, jedoch ändert dies nichts an der Tatsache, dass er sehr undurchsichtig ist. Insofern sticht Julietta als einzige der Charaktere tatsächlich heraus und ist von all ihnen auch am genauesten gezeichnet.
Die Handlung ist nicht gerade von Spannung gespickt, jedoch gefällt mir die Grundidee Kleists für diesen Roman sehr. Denn in ihr steckt sowohl eine angedeutete Vergewaltigung, was zu der damaligen Zeit wohl ein noch größeres Tabu gewesen ist als heute, als auch eine Ablehnung und Kritik an und gegenüber den Traditionen, die man zu dieser Zeit eingehalten hat. Diese Geschichte ist ein sehr gutes Beispiel dafür, welche Probleme dadurch aufkommen können, dass eine Familie sich so daran klammern kann und dass sie zu engstirnig ist, um eine andere Möglichkeit zu sehen, als dass die Tochter aus voller Absicht mit einem Mann geschlafen hat, den sie nicht den ihren nennen kann. Julietta wird nicht zugehört, weil sie zum einen wegen ihrem Geschlecht weniger zu sagen hat als die Männer, zum anderen weil die Möglichkeit einer Vergewaltigung damals wohl zwanghaft nicht gesehen werden wollte. Ich bin auch so frei, um anzunehmen, dass die Frauen zu jener Zeit eben immer das tun mussten, was der Mann wollte, und sie deswegen auch theoretisch alles hätten tun müssen, was ihnen aufgezwungen wird - so auch eine Vergewaltigung. Dass Julietta wegen diesen Dingen so leiden musste, erweckt eine große Wut in einem selbst und zugleich Erleichterung darüber, dass man nicht in dieser Zeit der Unterdrückung und Engstirnigkeit groß werden muss.
Zu diesen Gefühlen trägt vor allem das leicht verwirrende Ende bei. Ich muss gestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt wirklich wütend auf Julietta gewesen bin, auch wenn ihr keine andere Wahl blieb, als diese eine Entscheidung zu treffen. Das ist es, was sie versprochen hat, was ihre Eltern und die Gesellschaft verlangen. Dennoch frage ich mich, wie man mit so einer Situation am Ende sogar noch zufrieden sein kann. So hat sich Kleist in seiner Kritik selbst widersprochen und gezeigt, dass man mit dieser Unterordnung sogar glücklich werden kann - was angesichts all der Sachen, die Julietta angetan wurden, einfach unverständlich ist. Vielleicht kann ich auch nicht objektiv genug an die Sache herangehen, aber dass Kleist sozusagen auf der letzten Seite noch einen Rückzug wagt, finde ich wirklich feige. Diese Geschichte hätte kein Happy End gebraucht. Ganz im Gegenteil - man hätte ein schreckliches Ende gebraucht, um das Ausmaß dieses Problems zur Genüge darzustellen. So hat Kleist für mich das Buch noch in allerletzter Sekunde verdorben.



Insgesamt ist dieses Buch, wenn ich das mit meiner wenigen Erfahrungen mit Kleist überhaupt behaupten kann, ein für ihn typisches Buch: skandalös, emotional und kritisierend präsentiert er uns eine Geschichte über ein einzelnes Individuum, das sich nicht in die Gesellschaft einfügen kann oder - was mutiger ist - will und wie diese Person mit der Verstoßung und seiner Selbstfindung umgeht. Zwar ist diese Geschichte nichts mehr Menschen, die seine Art zu schreiben nicht mögen und lieber eine strukturiertere Kurzgeschichte lesen wollen, jedoch ist es vom Inhaltlichen her durchaus einen Blick wert. Ein Buch für diejenigen, die sich für damalige Traditionen und ehemalige Kultur interessieren und sehen wollen, wie es bekämpft wird.




Ich gebe dem Buch:


♥.♥  Herzchen (3.66)




Extra:


Der Trailer zur Buchverfilmung:


CU
Sana

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