Freitag, 17. Oktober 2014

:)Rezension:): Wer die Nachtigall stört

Grundwissen:



Titel: Wer die Nachtigall stört (original: To Kill a Mockingbird)
Autor/-in: Harper Lee
Erschienen: 03.11.1978 im rororo-Verlag; 01.01.2009 im Klett-Verlag; Original 1963
Seitenanzahl: 416 Seiten (rororo-Verlag); 309 Seiten (Klettverlag)
Preis: 9, 99 € (Taschenbuch)
Genre: Klassiker; Contemporary; Drama; Adult




Inhalt:



''We know all men are not created equal in the sense some people would have us to believe - [...] - some people are born gifted beyond the normal scope of most men. But there is one way in this country in which all men are created equal - there is one human institution [...]. This institution, gentleman, is a court.'' - Atticus Finch, S. 226



Schauplatz ist Macomb County in Alabama während der Depression in den frühen 1930er Jahren. Wohlbehütet wächst Jean Louise ,,Scout'' Finch mit ihrem Bruder Jem bei Rechtsanwalt Atticus Finch auf, der nach dem frühen Tod seiner Frau ganz für seine Kinder da ist. Trotzdem spüren alle drei den Rassenhass im tiefen Süden der USA, besonders als Atticus die Verteidigung des Farbigen Tom Robinson übernimmt. Tom soll die Tochter eines weißen Bauern vergewaltigt haben, beteuert jedoch seine Unschuld. Bereits im Vorfeld des Prozesses sehen sich Atticus und seine Kinder zahlreichen Anfeindungen der ,,ehrwürdigen'' Bürger ausgesetzt, die nicht verstehen können, dass man einen ,,Nigger'' überhaupt verteidigt. Aber Atticus ist von dessen Unschuld überzeugt, doch sein Klient wird ermordet.


*Quelle: amazon.de







Meine Meinung ...




zum Cover:





Deutsches Cover: ♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥♥






Leider sind weder neue noch alte Aufmachungen dieses amerikanischen Klassikers gelungen.
Das deutsche Cover ist alles andere als interessant gemacht, auch wenn es natürlich hauptsächlich um die Vorurteile gegenüber Farbigen in diesem Buch geht, die unter anderem am Fall von Tom Robinson gezeigt werden. Jedoch stört mich dort, dass sie mockingbird nicht mal richtig übersetzt haben, denn soweit ich weiß, heißt dies übersetzt ''Spottdrossel''. ''Nachtigall'' hingegen hieße auf Englisch nightingale. Warum also die Veränderung der Vogelart? Nur, weil die Spottdrossel und die Nachtigall beide Singvögel sind?
Den Titel finde ich in der Hinsicht gut, dass es ein Zitat aus dem Buch (''[...] but remebember it's a sin to kill a mockingbird.'') ist und eine Metapher zu der Ungerechtigkeit darstellt, die die Weißen den Dunkelhäutigen entgegenbringen, da diese für sie die physisch anstrengenden Arbeiten leisten und ihnen nichts Schlimmes antun, sie jedoch trotzdem nicht wie Menschen behandelt werden. Ob die Cover jedoch so sehr dazu passen, ist mir nicht klar. Natürlich sieht sowohl die alte als auch die neue Aufmachung schön aus, jedoch stellen sie die Metapher nicht mehr so richtig als eine solche dar. Dennoch sind die Aufmachungen sehr schön gestaltet und mit Sicherheit ein Hingucker im Bücherregal, vor allem die neueste amerikanische Ausgabe.





zum Buch:



Heutzutage geht die Ursprungsidee des Schreibens immer mehr verloren. Es geht nicht um pure Unterhaltung, es geht nicht um schnelles Geld, es geht nicht darum, Teil der New York Time Bestsellers zu sein. Wisst ihr, was der Ursprung des Schreibens gewesen ist? Information. Darstellung. Aufklärung. Nicht nur über Gebiete der Naturwissenschaften, sondern auch über die Missstände in unserer Gesellschaft.
Und Harper Lee hat mit Wer die Nachtigall stört definitiv einen großen Meilenstein im Bereich dieser Art von Aufklärung erschaffen. Noch bis zum Jahre 1999 wurden ihre Büchern aus Schulklassen verbannt. Warum? Weil dieses Buch keine Propaganda oder Schönmalerei, keine Idealisierungen enthält. Es enthält bittere Wahrheiten, es enthält harte Kritik und es enthält die Furchtlosigkeit der freien Meinungsäußerung, die die Menschen dazu auffordert, sich selbst und ihr Verhalten zu beleuchten. Nicht nur bezüglich der Art, wie sie Dunkelhäutige behandeln, sondern auch die Art, wie sie jede neue Nachricht aufschnappen, sich über Menschen das Maul zerreißen und ihren Ruf zerstören wollen, damit ihre eigene Tadellosigkeit erhalten bleibt. Es geht um Ausgrenzung, um Machtspielchen, um Heuchelei - all die Schattenseiten, die Menschen nun mal besitzen, egal, wie sehr man sich dagegen sträubt. Das Tolle daran ist, dass Harper Lee diese Schattenseiten ihren Lesern vollkommen unverfälscht vor Augen führt und man so eine Konfrontation mit harten Fakten und der Einstellung der damaligen Menschen hat, wozu auch Lebensumstände der Farbigen oder die ihnen selbst von Richtern entgegengebrachte Respektlosigkeit gehören. Und für diesen Mut, so finde ich, muss man Harper Lee eindeutig loben. Welche Lawinen das Buch und auch andere Dinge, wie der Montgomery Bus Boycott, zugunsten der Farbigen ausgelöst haben, kann man in unserer Gegenwart sehen. Natürlich gibt es noch immer Vorurteile und Klischees, die man nie wird vollständig loswerden können, aber es ist definitiv eine Gleichberechtigung zumindest auf dem Papier vorhanden.
Alleine aus diesem Grund finde ich dieses Buch ungeheuer wertvoll und kann auch abgesehen von der sehr ernsten Thematik Gründe dafür nennen, dieses Buch gut zu finden.
Was zunächst etwas paradox erscheinen mag, ist der Schreibstil des Buches, der sich dafür, dass aus der Sicht eines zu Beginn der Geschichte sechsjährigen Mädchens berichtet wird, viel zu reif und formal anhört. Natürlich erzählt die Protagonistin Jean Louise ,,Scout'' Finch das, sobald sie erwachsen ist und die Zeit, die das Buch umspannt, reflektiert, aber merkwürdig erscheint das einem zunächst trotzdem. Da der Schreibstil allerdings trotz seiner Formalität und Nüchternheit dennoch voller schöner Beschreibungen ist und den Figuren die scharfen Konturen durch die unschuldige Sicht eines kleinen Mädchens genommen werden, erscheint er für die Geschichte dennoch passend, denn dadurch, dass Scout während den Geschehnissen noch nicht dazu imstande ist zu begreifen, was und warum etwas geschieht, übt die Autorin auch keine tatsächliche Kritik aus. Der Leser bekommt selbst die Denkanstöße, weil er unbewusst versucht, Scouts Unverständnis gegenüber der Handlungsweisen der Erwachsenen zu mildern, und bekommt so durch die unschuldigen Augen eines Kindes Dinge geschildert, die ganz und gar nichts mehr mit Unschuld zu tun haben. Dies ist ein Punkt an der Geschichte, der wirklich sehr gut gewählt ist, um die Intention der Autorin besser zu vermitteln.
Zudem sind alle Charaktere dieses Buches wirklich sehr realistisch und die meisten nicht in klares Schwarz und Weiß voneinander zu trennen. Ja, die Autorin verwirklicht jedes Klischee über die Südstaatler, das aufzuschnappen ist, jedoch finde ich das keineswegs übertrieben oder störend, zum einen, weil die Südstaaten zumindest für mich Klischees innehaben, die einen eindeutig wahren Kern haben und noch ein Klischee der amüsanten Sorte ist, und zum anderen, weil sich diese Geschichte im frühen 20. Jahrhundert abspielt. Da sind die Grenzen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen und auch der Rassenhass eben präsent gewesen, das kann wirklich niemand leugnen. Aus diesem Grund können zwar viele der Charaktere wegen ihren konservativen und engstirnigen Charakterzügen für Menschen der heutigen, offeneren Einstellung sehr unsympathisch sein und wie Heuchler erscheinen, jedoch gibt es auch Sympathieträger in diesem Buch. Scouts Vater, Atticus, wäre einer von ihnen, da er durch die Verteidigung von Tom Robinson ein ungeheures Risiko auf sich, seine Stellung in der Gesellschaft und auch die Stellung seiner Kinder in der Gesellschaft nimmt und dennoch für diesen Mann kämpft. Außerdem ist er ein wirklich sehr gutmütiger und weiser Mann, der seinen Kindern jede Problematik in irgendeiner Weise zu erklären versucht und auch verhindern möchte, dass seine Kinder zu rassistischen Menschen heranwachsen. Durch seine Entschlossenheit und seinen Mut wächst er einem einfach sehr ans Herz und ist mit Sicherheit einer der plastischsten Charaktere überhaupt gewesen.
Mit der Protagonistin dieses Romans hatte ich anfangs noch meine Probleme. Denn obwohl es für Kinder üblich ist, dass sie Dinge tun, über deren Konsequenzen sie sich keine großen Gedanken machen, bin ich wahrlich nicht angetan davon gewesen, wie Scout, ihr Bruder Jem und ihr gemeinsamer Freund Dill sich über Arthur ,,Boo'' Radley, den Außenseiter Maycomb Countys, lustig machen, sein Zuhause anspucken und weiteres. Vielleicht beurteile ich in diesem Fall die Kinder auch etwas zu hart, denn sie verstehen ja nicht, was daran so schlimm sein soll, sich über jemanden lustig zu machen, über den sich die gesamte Heimatstadt das Maul zerreißt, jedoch ist da dennoch ein Teil in mir gewesen, der ihnen eine Standpauke halten wollte. Nichtsdestotrotz ist es schön gewesen, die Kinder beim Erwachsenwerden zu beobachten und ihr zunehmendes Verständnis für das Verhalten der Erwachsenen. Vor allem die Art und Weise, in welche Richtung sich die Kinder entwickeln und wie ihre unschuldige Sicht auf die Dinge teilweise auf sehr schmerzhafte Weise gebrochen wird, hat sie sehr greifbar erscheinen lassen und kann definitiv das Mitleid der Leserherzen erwecken. Wie oft wünscht man sich denn heutzutage, wieder ein Kind zu sein, weil dann alles so einfach gewesen ist?
Außerdem bietet dieses Buch nicht nur sehr realistische und vielschichtige Charaktere, sondern auch eine zugegebenermaßen überraschende Handlung. Nach den ersten hundertfünfzig langatmigen Seiten, in denen es einzig und allein um den Alltag der Finch-Geschwister, ihrer Nachbarschaft und generell ganz Maycomb County geht und sich die Beschreibungen der verschiedenen Leute und deren Familiengeschichte etc. nur so häufen, wird die Spannung dadurch gesteigert, dass der Prozess gegen Tom Robinson beginnt und man diesen gespannt verfolgt, auch wenn er nicht wie eine Folge von Law & Order New York geschildert wird. Und auch wenn man weiß, dass der Angeklagte unschuldig ist, so ist man dennoch gespannt auf die Motive hinter der Beschuldigung und was tatsächlich geschehen ist - das Schockierende daran ist, dass es sogar nachvollziehbar ist, weil es nochmals zeigt, wie viel Druck die Gesellschaft auf den Einzelnen ausübt. Und vor allem die Ereignisse nach dem Prozess sind sehr unerwartet und führen das Buch in eine vollkommen andere Richtung, als man zunächst denkt. So bekommt das Buch nach der ersten Hälfte eine gehörige Portion Spannung und fesselt so den Leser an den Kampf um die Rechte für einen African American, um die Rechte für abweichende Meinungen und vor allem um die Wahrheit.



Alles in allem gehört dieser Klassiker definitiv zu der Sorte Bücher, die man gelesen haben muss, wenn man sich für die Geschichte Amerikas oder für die Entwicklung von Früher zu Heute interessiert. Der Schreibstil ist zwar nicht ganz einfach, hat allerdings trotzdem etwas Eigenes, die Charaktere wirken wie aus dem Leben geschnitten und auch die Thematik des Buches ist definitiv eine gesellschaftlich sehr wichtige. Sobald man sich zur Hälfte durchkämpft, nimmt das Buch an Fahrt auf und man wird für seine Geduld belohnt, weil die Geschichte nicht nur etwas für den Kopf, sondern auch fürs Herz ist. Wer sich für die Südstaaten, Amerika und eine liebenswerte Geschichte über einen Mann, der sich für die Rechtlosen einsetzt, interessiert, sollte definitiv zu diesem Buch greifen. Denn wer weiß, vielleicht wird man selbst nach einiger Zeit merken, ob man selbst vielleicht auch eine Nachtigall stört.





Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen




Extra:


Der Trailer zur Verfilmung von Wer die Nachtigall stört:




CU
Sana

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